Essen. Die RAG-Stiftung steht beim Essener Energiekonzern Steag nicht mehr als Treuhänderin zur Verfügung. Monatelang verfolgte Pläne sind vom Tisch.

Neue Unruhe bei der Steag: Die Essener RAG-Stiftung zieht sich beim kommunalen Energiekonzern zurück. „Wir stehen nicht mehr als Treuhänderin zur Verfügung“, erklärte die Stiftung gegenüber unserer Redaktion. Dem Vernehmen nach hat es bei den Banken, die an der Finanzierung der Steag sowie der kommunalen Muttergesellschaft KSBG beteiligt sind, Bedenken gegen die Stiftung als Treuhänderin gegeben. Der Versuch, die Interessen der oft uneinigen Ruhrgebietskommunen in eine Hand zu geben, um den Ausstieg der Städte zu organisieren, ist damit im ersten Anlauf gescheitert.

Die Steag-Städte Essen, Bochum, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Dinslaken halten indes an dem Modell fest und suchen bereits eine neue Treuhänderin: „Die Stadtwerke sondieren nun andere Lösungen für eine treuhänderische Übergabe und sind dazu bereits in Gesprächen mit ausgewählten Ansprechpartnern“, heißt es in einer Stellungnahme der KSBG. Guntram Pehlke, der Steag-Aufsichtsratsvorsitzende und Chef der Dortmunder Stadtwerke, betont: „An unseren Plänen hat sich nichts geändert. Und aufgrund der jüngsten Entwicklungen innerhalb der Steag sind wir optimistisch, diesen Prozess in absehbarer Zeit umzusetzen.“

RAG-Stiftung sollte Steag auf den Verkauf vorbereiten

Die sechs Revier-Stadtwerke sind vor mehr als zehn Jahren bei der Steag eingestiegen. Für insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro übernahmen die kommunalen Betriebe die Steag vom Chemiekonzern Evonik, der mehrheitlich der RAG-Stiftung gehört. Schon vor einiger Zeit hatten die Kommunen signalisiert, beim Energiekonzern wieder aussteigen zu wollen. Die Energiewende hatte dem auf Steinkohlekraftwerke spezialisierten Unternehmen schwer zu schaffen gemacht.

Weil es beim Versuch, eine gemeinsame Linie zum Ausstieg zu finden, immer wieder Unstimmigkeiten unter den Städten gab, kam die Idee für das Treuhand-Modell auf: Die angesehene RAG-Stiftung sollte die Steag für drei Jahre als Treuhänderin begleiten. In diesem Zeitraum sollte eine harte Sanierung erfolgen, um das angeschlagene Energieunternehmen attraktiv für mögliche Käufer zu machen. Verkäufe einzelner Unternehmensteile gehörten ebenfalls zu den Erwägungen.

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Bislang war die RAG-Stiftung lediglich beratend in Sachen Steag tätig. Es habe durchaus einige Erfolge bei der Transformation gegeben, heißt es im Umfeld der beteiligten Akteure. Doch zuletzt habe es an einheitlichen Positionen gefehlt. Auch habe es im Kreise der kommunalen Eigentümer nicht mehr genug Rückhalt für die Vorgehensweise der Stiftung gegeben. Daher ziehe sich die Stiftung zurück.

IGBCE-Chef Vassiliadis zeigt sich besorgt

An den Planungen für das Treuhand-Modell für die Steag war maßgeblich der Vorsitzende der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, beteiligt. Jetzt zeigt sich der Gewerkschaftschef besorgt. „Die von den Eigentümern verursachte Unterfinanzierung der Muttergesellschaft KSBG hat der Steag in den letzten Jahren bereits viel Kraft für eine Neupositionierung in der Energiewende genommen“, sagte Vassiliadis unserer Redaktion. „Das bislang geeinte Konzept, das eine politische, wirtschaftliche und soziale Balance garantierte, wurde aufgegeben.“ Nun sei „unklar, was die neue Architektur der Sanierung der KSBG durch einen ausgewiesenen Insolvenzverwalter für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Steag und die Steag bedeuten wird“. Vassiliadis betonte: „Wir werden bei den öffentlichen Eigentümern darauf dringen, Probleme der KSBG und der Kommunen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten abzuladen.“

Dem Eindruck, es habe an Rückhalt der Gesellschafter gemangelt, widerspricht Steag-Chefaufseher Pehlke indes entschieden: „Das Gegenteil ist der Fall: Insbesondere Bernd Tönjes als Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung und Finanzvorstand Jürgen-Johann Rupp haben unser aller Bemühungen in den vergangenen Monaten erheblich vorangebracht“, sagte er. Dies vor allem mit ihrer Initiative für weitere Finanzspritzen der Kommunen für die Steag-Sanierung. „Dafür möchten wir uns vonseiten der Stadtwerke ausdrücklich bedanken“, so Pehlke. Er betonte aber, die Entscheidung über die Treuhänderschaft liege nicht allein bei den Stadtwerken, sondern auch bei den Partnerbanken. „Deren Votum haben wir selbstverständlich zu berücksichtigen.“

Banken stören sich offenbar am politisch besetzten Kuratorium

Wie aus kommunalen Kreisen zu vernehmen war, hätten sich die Banken vor allem daran gestört, dass die Stiftung keine Sanierungserfahrung habe, was nicht zur notwendigen Restrukturierung des Konzerns passe. Auch hätten sich die Kreditinstitute am politischen und gewerkschaftlichen Einfluss im Kuratorium der Stiftung gestört. Darin sitzen neben den Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) und IGBCE-Chef Vassiliadis.

Die Aufgabe der RAG-Stiftung ist, nach dem Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau in Deutschland die mit dem Bergbau entstandenen Daueraufgaben zu finanzieren, ohne den Steuerzahler damit zu belasten. „Wir müssen unser Vermögen auch künftig renditeorientiert anlegen“, hebt Stiftungschef Tönjes gerne hervor. So ist die Stiftung Mehrheitsaktionärin des Essener Chemiekonzerns Evonik. Vor einigen Monaten hat sich die RAG-Stiftung unter anderem an der Übernahme der als lukrativ geltenden Thyssenkrupp-Aufzugsparte mit mehr als 50.000 Beschäftigten beteiligt.

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Unlängst teilte die Steag mit, es gebe Fortschritte bei der Sanierung. Die wirtschaftliche Lage habe sich „spürbar verbessert“, erklärte das Unternehmen, ohne Zahlen zu nennen. Die Steag werde zügig aus der Kohleverstromung aussteigen und erschließe sich neue Geschäftsfelder rund um erneuerbare Energien sowie die Dekarbonisierung der Industrie, so Joachim Rumstadt, der Vorsitzende der Steag-Geschäftsführung. Eine Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr, in dem der Energiekonzern stark unter Druck geraten war, hat das Unternehmen bislang nicht veröffentlicht.

Dass der Kohleausstieg zügig vorangehe, nennt Aufsichtsratschef Pehlke auch als Grund für eine Neuorientierung beim Treuhandmodell: „Wir sind daher mit den Verantwortlichen der Stiftung übereingekommen, dass die weiteren Maßnahmen insbesondere zum Ausbau neuer und kohleferner Geschäftsfelder sowie die Vorbereitung der geplanten Veräußerung nicht von der RAG-Stiftung begleitet werden.“

Steag hat sich bereits von Unternehmensteilen getrennt

Ende Mai hatte sich die Steag von ihrer Rohstoff- und Entsorgungsfirma Power Minerals getrennt und an die tschechische Unternehmensgruppe EPH verkauft. Von einer „ertragreichen Transaktionen“ ist bei der Steag die Rede. Hinzu komme ein „positiver Geschäftsverlauf“ in der jüngsten Vergangenheit.

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Im Laufe des Jahres hatte die Steag eine Reihe von Steinkohlekraftwerken zur Stilllegung angemeldet, darunter Standorte in Herne und Bergkamen. Aus heutiger Sicht werde ab November 2022 lediglich noch das Steinkohlekraftwerk Walsum 10 am Strommarkt teilnehmen, teilte die Steag mit. Für diese Anlage erwägt der Konzern eine Umstellung auf den Brennstoff Holzpellets, um die Klimabilanz zu verbessern.

Der Unternehmensberater Carsten König, der im Februar als Sanierungsexperte in die Geschäftsführung gekommen ist, hat die Steag mittlerweile wieder verlassen. Neuer Geschäftsführer ist Ralf Schmitz. Er gehört zu einer Düsseldorfer Unternehmensberatung. Schmitz verfüge „über umfassende Erfahrung in der Restrukturierung und Transformation von Unternehmen im Industriesektor“, wird bei der Steag betont.