Essen. Auch deutsche Unternehmen müssen Beschäftigte aus Afghanistan evakuieren. Große Konzerne aus dem Ruhrgebiet geben indes Entwarnung.

Nach der Machtübernahme der Taliban droht einem wichtigen deutsch-afghanischen Infrastrukturprojekt das Aus. Pläne von Siemens Energy zum Aufbau der Stromversorgung in Afghanistan stehen voraussichtlich zur Disposition. „Leider hat sich die Sicherheitslage im Land durch die jüngsten Ereignisse in Kabul weiter verschlechtert. Wir betrachten die Entwicklungen mit Sorge“, teilte Siemens Energy am Montag auf Anfrage mit. Das Unternehmen, das aus dem Siemens-Konzern hervorgegangen und auf Energie-Infrastruktur spezialisiert ist, hat enge Bezüge zum Ruhrgebiet und verfügt über große Standorte in Mülheim und Duisburg.

Erst im November vergangenen Jahres hatte der Dax-Konzern ein Abkommen mit Afghanistan zum Infrastruktur-Vorhaben unterzeichnet. Große Teile des afghanischen Stromnetzes seien aktuell stark fragmentiert, erklärte Siemens Energy. Strom komme oft aus den Nachbarländern, nur knapp ein Drittel der 37 Millionen Einwohner habe derzeit Zugang zu elektrischer Energie. Ziel des Projekts sei gewesen, Afghanistan bei der Entwicklung einer zuverlässigen und bezahlbaren Energie-Infrastruktur zu unterstützen.

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Aktuell ist Siemens Energy mit dem Schutz der Beschäftigten in Afghanistan befasst. „Unsere Sicherheitsabteilung arbeitet eng mit externen Partnern und Behörden zusammen, um die Sicherheit unserer Mitarbeitenden durch lageentsprechende Maßnahmen zu gewährleisten“, erklärte der Konzern, ohne Einzelheiten zu nennen.

Der Bonner Logistikriese DHL zieht angesichts der aktuellen Lage Konsequenzen und verzichtet eigenen Angaben zufolge derzeit zum Schutz der Mitarbeitenden auf Flüge aus und nach Afghanistan.

„KfW ist in großer Sorge um ihre afghanischen Ortskräfte“

Auch die deutsche Staatsbank KfW ist seit geraumer Zeit in Afghanistan aktiv. „Die KfW ist in großer Sorge um ihre afghanischen Ortskräfte und steht in engem Austausch mit den zuständigen Stellen, um eine Ausreisemöglichkeit für die Ortskräfte und ihre Familien zu finden“, erklärte das Unternehmen auf Anfrage. Weitere Details zur Situation der Beschäftigten in Afghanistan könne die KfW nicht nennen, um die Sicherheit des lokalen Personals nicht zu gefährden. „Deren Ausreise hat absolute Priorität. Deshalb stehen alle Fragen rund um die Zukunft der KfW-Projekte momentan nicht im Vordergrund.“ Dem Vernehmen nach geht es derzeit noch um rund zehn Ortskräfte der KfW.

Zu den ursprünglich von der KfW formulierten Zielen in Afghanistan gehörte, die Menschen bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu unterstützen. „Viele Herausforderungen stellten sich im Hinblick darauf, die Menschen mit Wasser und Energie zu versorgen, Straßenbau, eine gute Berufsbildung zu ermöglichen, den Aufbau von Telemedizin, und die wirtschaftlichen Chancen von kleinen und mittleren Unternehmen zu verbessern“, schreibt die KfW auf ihrer Website.

Evonik, Eon, RWE und Thyssenkrupp geben Entwarnung

Viele große Unternehmen aus dem Ruhrgebiet sind nach eigenen Angaben nicht unternehmerisch in Afghanistan tätig. Entsprechend können die Konzerne Entwarnung geben mit Blick auf etwaige Bedrohungen für Beschäftigte. „Evonik hat in Afghanistan weder Mitarbeiter noch nennenswertes Geschäft“, teilte beispielsweise der Essener Chemiekonzern auf Anfrage mit. Auch die Energieversorger Eon und RWE seien in den vergangenen Jahren nicht in Afghanistan aktiv gewesen, erklärten die Unternehmen. Thyssenkrupp teilte ebenfalls gegenüber unserer Redaktion mit, der Konzern habe schon seit einigen Jahren keine Geschäfte mehr in Afghanistan gemacht.