Büren-Ahden. Roland Hüser, neuer Chef am Flughafen Paderborn/Lippstadt, hält Fliegen für ökologischer als Pkw-Verkehr und glaubt an E-Mobilität in der Luft.
Der Flughafen Paderborn/Lippstadt (PAD) hat im April eine Insolvenz in Eigenregie gemeistert. Seit diesem Monat ist Roland Hüser Chef am Airport in Ostwestfalen. Der 50-Jährige formuliert ehrgeizige Zieleund überraschende Ansichten dazu, warum das Fliegen Zukunft hat.
Herr Hüser, was verbindet Sie mit dem Flughafen?
Roland Hüser: Viel. Als hier 1971 der Flugbetrieb startete, wurde ich geboren. Und ich bin nicht nur in Büren, sondern sogar im heutigen Stadtteil Ahden aufgewachsen und habe auch den Flughafen wachsen sehen. Ich habe schon als Schüler in der Abfertigung und später als Student im Check-in hier gejobbt.
Sie haben in Paderborn Betriebswirtschaft studiert und sind der Heimat immer treu geblieben?
Hauptberuflich ja. Allerdings war ich auch eine Weile als Pilot in der Geschäftsfliegerei tätig und damit viel in der Welt unterwegs. Meinen Pilotenschein habe ich 1999 hier am Flughafen in der Verkehrsfliegerschule gemacht.
Hilft Ihnen der Blick als Flieger in Ihrer neuen Position?
Ich habe das zwar nur einige Jahre gemacht, aber es hilft mir beim Verständnis der operativen, tech- nischen Themen, die aus Sicht der Piloten oder Fluggesellschaften relevant sind, die man einem Betriebswirt sonst nicht zuschreibt.
Also konnten Sie eigentlich gar nicht irgendwo anders landen als hier?
Es hört sich banal an, aber wer einmal Kerosin gerochen hat, den lässt die Fliegerei nicht mehr los. Das ist auch ein Teil meiner Person und der Grund, in dieser Branche tätig zu sein – trotz aller Schwierigkeiten.
Davon hatte der PAD 2020 nicht nur wegen Corona eine Menge.
Natürlich hat auch uns die Corona-Pandemie getroffen. In dieser Situation hatten wir uns zu einer Restrukturierung entschlossen, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Wir mussten 2020 mehr als 10 Millionen Euro Verluste verbuchen, weil zwar kaum Touristen von hier abflogen, aber Kosten weiterliefen.
Zwischenzeitlich schien der PAD im Dornröschenschlaf ohne Flugbetrieb zu sein.
Der Eindruck täuscht und war falsch. Wir haben hier eine Menge Geschäftsflugbetrieb, der selbst in der Pandemie bis auf wenige Wochen weitergelaufen ist. Wir hatten 2020 hier über 11.000 Flugbewegungen. 2019 waren wir nach Düsseldorf und Köln/Bonn mit über 40.000 Bewegungen der Flughafen in NRW mit den drittmeisten Flugbewegungen. 2021 zählen wir bereits wieder knapp 19.000 Flugbewegungen.
Überwiegend Geschäftsfliegerei?
Wir haben viele internationale Businessflüge, aber auch Frachtflüge wie kürzlich medizinische Hilfslieferungen für Namibia und vor allem auch eilige Transporte von Teilen, die unsere mittelständischen Zuliefer-Unternehmen in der Region produzieren. Für die Wirtschaft ist der Flughafen immens bedeutsam, auch wenn das nicht auf der Abflugtafel sichtbar wird.
Die Fliegerei kommt angesichts der Klimadebatte immer stärker in die Kritik. Kann man überhaupt noch ruhigen Gewissens fliegen, geschäftlich oder auch in den Urlaub?
Davon bin ich überzeugt. Erstens: Businessverkehr ist keine Luxusfliegerei, sondern gerade für den Mittelstand effizient und wichtig. Zweitens: Verbote haben noch nie etwas gelöst. Beispiel: Als unsere Wälder unter saurem Regen litten, wurde der Katalysator eingeführt. Und wir haben schon die technischen Alternativen.
Wo sehen Sie denn die bahnbrechenden Innovationen in der Luftfahrtbranche?
Elektromobilität wird in der Fliegerei bald eine große Rolle spielen. Dann hat sich für viele Airports übrigens auch die Fluglärm-Diskussion erledigt.
Batteriebetriebene Flugzeuge?
Ja. Kleinere Flieger mit 20 bis 30 Plätzen könnten in fünf, sechs Jahren an den Start gehen. Im Moment scheitert es noch an der Batterietechnik. Wenn aber ein Pkw-Akku 1000 Kilometer Reichweite haben wird, sind auch 500 Kilometer in der Luft realistisch. Und für große Maschinen arbeitet beispielsweise Airbus bereits an Modellen mit Brennstoffzellentechnik, die streckentauglich für Langstrecken sein werden. Das könnte in 10 bis 15 Jahren so weit sein.
Hilft das in der aktuellen Debatte?
Flugverkehr ist weit weniger umweltschädlich als dargestellt. Jedenfalls ist die Fliegerei aus meiner Sicht ökologischer als Landverkehr. Sie haben kaum Flächenverbrauch. Pkw sorgen mit Reifenabrieb für ein erhebliches Problem mit Mikroplastik, zum Beispiel. Außerdem fehlt in Deutschland die Infrastruktur. Jedenfalls ist die Fahrt mit der Bahn von Paderborn nach München keine Alternative für das Linienflug-Angebot, das die Lufthansa ab dem 13. September wieder von hier aus anbieten wird. Das ist übrigens auch kein Kurzstreckenflug.
Stichwort touristisches Angebot. Das ist noch recht schmal. Trotzdem ist das Ziel, das 2025 hier wieder 800.000 Passagiere gezählt werden – das sind mehr als vor der Corona-Krise. 2020 waren es keine 100.000. Wie soll das gehen?
Maßgeblich für unsere Passagierzahlen sind die touristischen Flüge, die sich voraussichtlich schneller erholen werden als der Geschäftsreiseverkehr. Berufliche Kontakte lassen sich bis zu einem gewissen Grad auch digital abbilden, ein entspannter Urlaub dagegen nicht. Im Sommer-Flugplan 2022 wollen wir mehr griechische Inseln im Programm haben und auch wieder die Kanaren. Zudem haben wir Pläne für neue Ziele, auch im Bereich des ethnischen Flugverkehrs.
Touristische Angebote in Paderborn nehmen wieder zu
Am Flughafen Paderborn/Lippstadt starten und landen neben dem Geschäfts- und Frachtflugverkehr aktuell bereits wieder sechs Airlines zu fünf Zielen. Angeflogen werden Antalya (Türkei, Corendon, Pegasus, Freebird), Palma (Mallorca, Eurowings), Heraklion (Kreta, Corendon) und Pristina (Kosovo, Easy2Fly) sowie die Green-Airlines zur Insel Sylt. Ab dem 13. September fliegt die Lufthansa zudem täglich nach München.
Wohin?
Wir waren immer stark im Reiseverkehr in die Türkei. Touristisch könnte neben Antalya auch Izmir dazukommen. Für Geschäftsreisende wäre Istanbul interessant, für ethnische Verkehre darüber hinaus auch Ankara oder Kayseri. Mit Pristina, das zwei Mal in der Woche angeflogen wird, haben wir bereits gute Erfahrungen im Bereich der ethnischen Verkehre. Und wir haben viele Menschen mit einem persönlichen Bezug zu Russland und anderen osteuropäischen Staaten in der Region. Moskau wäre beispielsweise interessant für Geschäfts- und Privatreisende, zumal wir hier als Einflugpunkt mittlerweile zugelassen sind.