Hagen/Wetter. Drei Wochen nach der Flutkatastrophe steht fest: Mindestens 2000 Betriebe in der Region wurden von dem Unwetter schwer getroffen.
Drei Wochen nach dem Starkregen und den damit einhergehend enormen Überflutungen im Raum Hagen und dem Märkischen Kreis sind neben zahlreichen Privatleuten auch mindestens 2000 Betriebe getroffen. Die Zukunft vieler Unternehmen ist mehr als ungewiss und das Ausmaß noch nicht endgültig bezifferbar.
+++ Lesen Sie auch: Flut trifft 2000 Betriebe in der Region hart +++
Auf rund 1,4 Milliarden Euro schätzt die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK) den bisher entstandenen Schaden. Dass dies nur eine vorläufige Schätzung sein kann, wird am Mittwoch beim Gespräch mit betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern und NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) klar.
Es sind größere Betriebe wie die Deutschen Edelstahlwerke in Hagen (DEW) betroffen, aber auch viele kleinere wie Inova aus Wetter, wo gerade versucht wird zu retten, was noch zu retten ist. Nach wie vor ist der Betrieb nahe der Ruhr vom Strom abgeschnitten. „Wir brauchen kurzfristig Hilfen, um die Arbeitsplätze zu retten“, sagt Chef Sam Figge im Anschluss an das Gespräch mit Minister Pinkwart im Gebäude der SIHK. Gänzlich überzeugt, dass die Politik mit einem Wiederaufbaufonds noch rechtzeitig zu Potte kommt, scheint der junge Unternehmer nicht zu sein.
+++ Lesen Sie auch: Innova GmbH in Wetter: "Wir brauchen kurzfristig Hilfe" +++
Es wird darüber diskutiert, ob von Hochwasser gefährdete Betriebe wie Inova mittelfristig umgesiedelt werden müssten. Eine Debatte, die nicht nur Figge für deplatziert halten könnte. Das Unternehmen ist nicht gegen Elementarschäden versichert. Nach eigenen Angaben, weil es keine Gesellschaft gibt, die eine Versicherung abschließen mag. Mit einer Pflichtversicherung, wie sie in den vergangenen Tagen bereits diskutiert wurde, wäre vielen Unternehmen für die Zukunft geholfen. Eine verpflichtende Vergesellschaftung des Risikos vor Elementarschäden ist aber für Minister Pinkwart zur Zeit nicht das prioritäre Thema.
Eine schnelle Reaktivierung eines Wiederaufbaufonds für das besonders betroffene Nordrhein-Westfalen soll am kommenden Dienstag von den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten beschlossen werden, um dann zügig in größerem Stil finanziell helfen zu können. Pinkwart weiß natürlich, dass im Raum Hagen und dem Märkischen Sauerland zahlreiche hoch spezialisierte Zulieferer betroffen sind, deren Produktionsstillstände Lieferketten bald zerreißen lassen könnten. „Wir müssen auch für Verständnis bei den Kunden der betroffenen Firmen werben, bis hin zu den großen Automobilherstellern“, benennt Pinkwart eine wichtige Aufgabe der Politik.
Eine weitere akute Aufgabe ist aus Sicht der Industrie- und Handelskammer, auf Firmen einzuwirken, die die dringend benötigten Ersatzteile herstellen, um überhaupt wieder die Stromversorgung in Betrieben herzustellen.
„Uns fehlen Fachfirmen und auch Reserveteile, beispielsweise für die Elektronik“, bestätigt dies Jürgen Alex, Vorsitzender der DEW-Geschäftsführung. Das Werk in Hagen liegt direkt an der Ennepe und ist regelrecht abgesoffen. Dennoch bleibt Alex zuversichtlich: „Wir haben den Vorteil einem Konzern, der Swiss Steel Group, anzugehören. Darüber bekommen wir Hilfe von Werken in Frankreich und der Schweiz. Sie bekommen von uns Halbzeug und wir bekommen von dort Draht gewalzt zurück.“ Parallel werde daran gearbeitet, die Produktion in Hagen schnellstmöglich wieder in Gang zu bekommen. Dies werde eine Weile dauern. Der Schaden sei riesig. Jürgen Alex befürchtet, dass die Betriebsausfallversicherung und die Elementarversicherung voll ausgeschöpft werden müssen und spricht dabei von „Millionenschäden“.
Zusammenhalt enorm
„Wir reden hier also nicht über drei bis vier Wochen, sondern eher über mehr Zeit, die wir benötigen.“ Durch die Unterstützung der Schwesterwerke werden Kunden dennoch beliefert werden können, wenn auch nicht in vollem Umfang.
Egal, ob Sam Figge, Jürgen Alex oder der SIHK-Ehrenpräsident Harald Rutenbeck, der zu Pinkwarts Gesprächspartner an diesem Tag gehört: Sie alle gewinnen der fürchterlichen Misere etwas Positives ab. Die Belegschaften seien derart motiviert, um die Betriebe wieder flott zu bekommen, „da lernt man manchen noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen“, sagt Rutenbeck hoch erfreut.