Bochum. Kai Figge, Gründer des IT-Unternehmens G Data, schwärmt von Bochum. Der gute Ruf der Stadt habe sich bei Google und Facebook herumgesprochen.

Das Bochumer Unternehmen G Data sagt von sich, 1987 die weltweit erste Anti-Viren-Software entwickelt zu haben. Die Software sei eher zufällig entstanden, erzählt Kai Figge, Gründer und Vorstandsmitglied von G Data. Heute ist G Data ein etabliertes Unternehmen mit rund 500 Beschäftigten. „Es gibt weltweit keinen besseren Standort für IT-Sicherheit als Bochum“, sagt Figge im Gespräch mit unserer Redaktion. Das habe viel mit der Ansiedlung des Horst-Görtz-Instituts zu tun. Mit dem Institut gebe es eine exzellente Ausbildungsstätte für IT-Security in der Stadt. „Das wissen auch die Headhunter von Google und Facebook, die versuchen, in Bochum Fachkräfte zu rekrutieren.“ Hier lesen Sie das Interview mit Kai Figge im Wortlaut:

Herr Figge, fühlen Sie sich, wenn Sie morgens aufstehen, wie ein Firmengründer?

Figge (lacht): Na ja, die Gründung liegt mittlerweile schon einige Jahre zurück, aber es stimmt schon: Ein gewisser Start-up-Spirit ist geblieben.

Wie hat denn alles begonnen?

Figge: Ganz klassisch in einer Bochumer Garage – und mit der Faszination für den Atari ST, der 1985 auf den Markt kam. Andreas Lüning, der mit mir zusammen die Firma gegründet hat, war damals 19, ich war 20, und wir haben gemerkt, dass wir Software für den Atari entwickeln können. Die wollten wir verkaufen, auf Disketten, die wir mit Aufklebern versehen und verpackt hatten.

Ging es damals schon um Anti-Viren-Software?

Figge: Nein, das kam später. Wir haben angefangen mit Produkten, die heute kein Mensch mehr kaufen würde – beispielsweise ein Programm, das fortlaufend Primzahlen errechnen konnte. Unsere Kunden waren Leute, die genauso begeistert vom Atari waren wie wir.

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Haben Sie irgendwann gemerkt: Das könnte eine richtige Firma werden?

Figge: Wir haben einfach angefangen und geguckt, ob etwas daraus wird. Irgendwann stand ich vor der Alternative, mein Informatikstudium zu beenden oder die Firma weiterzuführen. Ich habe mich dann für Letzteres entschieden.

Woher kam Ihre Faszination für Computer und fürs Programmieren?

Figge: Es war ein großes Glück, dass ich schon mit 15 oder 16 von meinen Eltern einen Computer geschenkt bekommen habe. Ich war damals öfter im Kaufhaus Quelle im Ruhrpark. Das muss Ende der 70er Jahre gewesen sein. Da gab es eine Abteilung mit Taschenrechnern, da stand ein Commodore-Computer rum – mit Bildschirmklotz und grünen Buchstaben. Da bin ich regelmäßig hingegangen und habe Leute in meinem Alter getroffen. Dort bin ich ans Programmieren gekommen.

Programmieren klingt bei Ihnen nach geselligem Beisammensein, nicht nach einem einsamen Geschäft.

Figge: Den einsamen Nerd gibt es nicht, glaube ich, weder damals noch heute. Die Nerds haben sich immer ausgetauscht und nicht nur allein im Keller gesessen.

https://www.waz.de/wirtschaft/wirtschaft-in-nrw/bochumer-professor-cyber-abwehr-bleibt-staendiger-wettlauf-id231474077.htmlSie nehmen für sich als Unternehmen in Anspruch, 1987 die weltweit erste Anti-Viren-Software entwickelt zu haben. Wie kam das?

Figge: Eigentlich eher zufällig. Der Computer von Andreas Lüning hat irgendwann etwas gemacht, was er sich nicht erklären konnte. Dann hat er herumgetüftelt und ein Programm entwickelt, das das Problem löst. Die Viren haben sich noch über Disketten verbreitet. Teilweise waren das damals schon echte Virenschleudern.

War frühzeitig klar, dass Sie sich ganz auf Anti-Viren-Software konzentrieren?

Figge: Nein, viele Jahre lang haben wir ganz unterschiedliche Produkte entwickelt. Das war ein ganzer Bauchladen. Wir haben beispielsweise Autobahnkarten digitalisiert oder einen Routenplaner entwickelt. Auch Multimedia-Kochbücher hatten wir im Programm. Bis zur Fokussierung auf Anti-Viren-Software im Jahr 2006 haben wir mehrere Jahre lang diskutiert. Die Fokussierung war ein wichtiger Schritt, den wir viel eher hätten gehen sollen.

Woher kam eigentlich bei der Firmengründung das Startkapital?

Figge: Meine Eltern haben mir 6000 D-Mark geliehen. Davon haben wir uns einen Computer und einen Nadeldrucker gekauft. Damit konnten wir loslegen. Aus den ersten Einnahmen haben wir das weitere Geschäft finanziert. Ich bin mir sicher, dass uns keine Bank Geld gegeben hätte. Wir hatten noch nicht einmal einen Business-Plan.

https://www.waz.de/wirtschaft/porsche-ibm-und-huawei-blicken-in-bochum-in-die-zukunft-id230373126.htmlScheitern Firmengründungen heute oft am Geld?

Figge: Ich glaube, es war noch nie so einfach wie heute, Wagniskapital zu bekommen, gerade im IT-Bereich. Trotz oder vielleicht auch wegen Corona sind viele Firmenbewertungen nach oben gegangen. Natürlich gibt es mehr Geld im Silicon Valley als im Ruhr Valley, aber es gibt genügend Geld – und wenn Start-ups scheitern, dann schon eher, weil die Idee nicht funktioniert.

Bietet Ihnen Bochum das Umfeld, das Sie als Unternehmen brauchen?

Figge: Es gibt weltweit keinen besseren Standort für IT-Sicherheit als Bochum. Das ist noch nicht immer so, sondern in den vergangenen Jahren entstanden, unter anderem durch die Ansiedlung des Horst-Görtz-Instituts. Mit dem HGI haben wir eine exzellente Ausbildungsstätte für IT-Security in der Stadt. Darum haben sich starke Unternehmen angesiedelt. Das wissen auch die Headhunter von Google und Facebook, die versuchen, in Bochum Fachkräfte zu rekrutieren. Der gute Ruf hat sich herumgesprochen. Für die Region ist das hervorragend.

Finden Sie, wenn Sie mit Google und Facebook konkurrieren müssen, noch genug gute Leute?

Figge: Wir sehen die Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Natürlich stehen wir damit als Arbeitgeber noch mehr im Wettbewerb um Fachkräfte. Wir bräuchten am Horst-Görtz-Institut viel mehr Absolventen als bisher. Der Bedarf in der Branche ist groß. Derzeit hat das Institut gerade einmal rund 1000 Studierende. Das ist viel zu wenig, hier sollte viel größer gedacht werden. Ich bin aber guter Dinge. Denn ich glaube, in der Politik ist die Bedeutung der IT-Security mittlerweile erkannt worden.