Hagen. Dem Bauhandwerk geht das Material aus. Stahl, Holz, Dämmstoffe. Das bedeutet, dass Kunden länger warten und höhere Preise in Kauf nehmen müssen.
So mancher Handwerker wird bald das Gespräch mit seinen Auftraggebern suchen, oder ist schon dabei. Die Bau- und Ausbaugewerke haben zwar nach wie vor Hochkonjunktur. Jetzt drohen sie allerdings von Lieferengpässen bei Baustoffen wie Stahl und Holz ausgebremst zu werden – und sind mit seit Monaten steigenden Preisen konfrontiert. Mit Kunden vereinbarte Termine und Preise geraten ins Wanken.
„Die Unternehmen können teilweise nur noch eingeschränkt arbeiten, obwohl die Auftragsbücher voll sind. So etwas habe ich in 35 Jahren noch nicht erlebt“, sagt der Präsident der Handwerkskammer Dortmund, Berthold Schröder, der selbst einen Schreinerei- und Holzbaubetrieb mit 20 Beschäftigten in Hamm führt.
Kurzarbeit trotz voller Auftragsbücher
Vor allem Holz ist knapp, weil die Nachfrage auf dem Weltmarkt durch China und die USA angetrieben wird. Außerdem liegt Bauen mit Holz auch in Deutschland im Zuge von Nachhaltigkeit immer mehr im Trend. Und selbst die von der Pandemie getriebene Lust am Verschönern der vier Wände trage in Summe einen Teil zur Baustoffknappheit bei, sagt Schröder, der davon ausgeht, dass einige Betriebe Kurzarbeit anmelden müssen, obwohl die Auftragsbücher voll sind.
Ob Farben, Dämmstoffe (in denen zum Teil auch Holzfasern genutzt werden), Bauteile wie Fenster, in denen ein Stahlkern steckt, oder Folien und Kunststoffrohre – vieles ist knapp, beinahe alles in den vergangenen Monaten teurer geworden. „Allein im Laufe des März hat sich der Einkaufspreis für Konstruktionsholz verdoppelt“, sagt Schröder. Für einige Baustoffe gebe es aktuell Lieferzeiten von sechs Monaten.
„Die Situation war so nicht absehbar“, appelliert der Kammerpräsident zum einen an die Geduld der Kunden, zum anderen an ihre Fairness – und fordert seine Branche auf, rasch Transparenz herzustellen, um Konflikte zu minimieren: „In dieser Situation finde ich es ganz wichtig, einen fairen Interessensausgleich zu finden. Die Auftraggeber, kleine wie große, sollten frühzeitig über die Situation informiert werden, damit man tragfähige Kompromisse finden kann.“
Wer heute schon weiß, dass er absehbar ein Bauprojekt plant, der sollte sich also kümmern. Je mehr Zeit bis zum Auftrag bleibe, desto leichter sei es, zu halbwegs vernünftigen Preisen kalkulieren zu können, sagt Schröder: „Man kann jedem nur raten, sich rechtzeitig mit dem Handwerker seines Vertrauens zusammenzusetzen und Projekte rechtzeitig zu planen.“
Kurios: Der Wald liegt voller Stämme
Dass die Preise in Kürze wieder sinken könnten, glaubt der Kammerpräsident nicht. Zwar sei seiner Ansicht nach aktuell die Spitze vermutlich erreicht, aber bis die Materialien wieder deutlich günstiger werden, dürften einige Monate vergehen. In diesem Jahr rechne man nicht mehr mit einem deutlichen Preisabschwung.
Sägeindustrie auf Rekordniveau
Laut Industrieverband wurde in Deutschland noch nie so viel Holz gesägt wie 2020: Über 25 Millionen Kubikmeter (+8 Prozent) seien in den Werken der Säge- und Holzindustrie gefertigt worden, teilt der Deutsche Säge- und Holzindustrie Bundesverband mit. Die Branche fahre ihre Produktionskapazitäten seit Jahren erheblich aus, um Schadholz schnellst- und bestmöglich zu verarbeiten. Allein von 2016 bis 2020 seien die Verarbeitungsmengen um 20 Prozent von 21 Mio. m3 auf mehr als 25 Mio. m3 gestiegen
Das liege nach wie vor auch an den Auslandsmärkten. In den USA, wo der neue US-Präsident Joe Biden ein riesiges Konjunkturprogramm aufgelegt hat, ist der Bedarf in die Höhe geschnellt. Zudem kauft China containerweise sogenanntes Schadholz aus heimischen Wäldern im Sauer- und Siegerland, das die Sägeindustrie, selbst wenn sie wollte, nicht verarbeitet bekäme, sagt Martin Schwarz vom Zentrum Wald und Holz NRW in Olsberg.
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Dass links und rechts der Straßen an den Hängen in Südwestfalen enorme Mengen an gefällten Bäumen lagern, wirkt ziemlich irritierend im Zusammenhang damit, dass andererseits die Bau- und Ausbaugewerke über Knappheit klagen. Tatsächlich gebe es aber sogar immer noch ein Problem damit, das Schadholz rechtzeitig aus dem Wald zu schaffen, um dem gefürchteten Borkenkäfer möglichst wenig Nährboden zu lassen.
Hierbei handele es sich aber nicht um hochwertiges Schnittholz, wie es das Handwerk gerade dringend benötige, erklärt Schwarz.