Hagen/Schmallenberg. Weidetiere prägen im Sauerland das Landschaftsbild mit. Weil sie für Landwirte aber teuer sind, soll es in Zukunft eine staatliche Prämie geben.

Die unter starken wirtschaftlichen Druck geratenen Mutterkuhhalter in Südwestfalen sehen einen Silberstreif am Horizont. Bei ihrer jüngsten Agrarministerkonferenz einigten sich die Bundesländer und das Bundeslandwirtschaftsministerium am Freitag unter anderem darauf, reinen Mutterkuhhaltern in Zukunft eine Prämie zu zahlen. „Das hilft uns sehr“, sagte Thomas Wiese, Vorsitzender des Arbeitskreises Mutterkuhhaltung Hochsauerlandkreis, dieser Zeitung.

Ebenfalls von der Entscheidung profitieren würden die Halter von Schafen und Ziegen. Sie sehen auch vor dem Hintergrund der weiteren Verbreitung des Wolfes in Nordrhein-Westfalen ihre berufliche Basis zusehends in Gefahr.

Das idyllische Sauerland

Angesichts steigender Kosten, hoher Auflagen und sinkender Einnahmen drücken auch die Mutterkuhhalter Existenzsorgen. In Nordrhein-Westfalen gibt es etwa 65.000 Mutterkühe in 6000 Betrieben. Allein im Hochsauerlandkreis leben mehr als 13.100 Tiere in rund 500 Betrieben, die dieses Geschäft fast ausschließlich im Nebenerwerb betreiben.

„Viele Betriebe haben schon aufgegeben oder denken daran, es in Kürze zu tun“, sagt Thomas Wiese, 1. Vorsitzender des Verbands WLV Arbeitskreis Mutterkuhhaltung Hochsauerlandkreis.
„Viele Betriebe haben schon aufgegeben oder denken daran, es in Kürze zu tun“, sagt Thomas Wiese, 1. Vorsitzender des Verbands WLV Arbeitskreis Mutterkuhhaltung Hochsauerlandkreis. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Die Kühe prägen in vielen Gegenden Südwestfalens das Landschaftsbild. Ähnlich wie Fachwerkhäuser stehen sie für das idyllische Sauerland. Allerdings können die Halter mit den Tieren kein Geld mehr verdienen. Nach Berechnungen der Landwirtschaftskammer NRW verursacht jede Kuh ein Minus in Höhe von 315 Euro im Jahr. „Viele Betriebe haben schon aufgegeben oder denken daran, es in Kürze zu tun“, sagte Wiese. Dabei sei diese Art der Tierhaltung die natürlichste Form im Sinne des Tierwohls, weil die Kühe die meiste Zeit des Jahres auf der Weide stünden und im Strohstall überwinterten. Zudem fördere die Weidetierhaltung ein arten- und blütenreiches Grünland ohne chemischen Pflanzenschutz.

Dass große Milchviehbetriebe finanzielle Unterstützung erhalten, Mutterkuhhalter aber nicht, war für den Schmallenberger immer ein Rätsel. Mit der Entscheidung der Agrarminister ist nun eine Lösung in Sicht – allerdings erst 2023, wenn die Reform der EU-Agrarfinanzierung greifen soll. „Für die Übergangszeit hat NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser uns ihre Unterstützung versichert“, sagte Wiese.

In der Tat: Das Ministerium plane gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer ein Projekt, in dem die wirtschaftliche Lage der Mutterkuhhalter analysiert werden soll, um daraus „zielführende Unterstützungsmöglichkeiten abzuleiten“, bestätigte Christian Fronczak, Sprecher der Behörde, auf Anfrage dieser Zeitung.

In trockenen Tüchern sind die finanziellen Zusagen allerdings noch nicht. „Jetzt ist der Bund am Zug“, heißt es von der NRW-Landesregierung. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte eine Weidetierprämie in der Vergangenheit abgelehnt, Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) befürwortet sie. Auch mit ihr hat Thomas Wiese auf Vermittlung des sauerländischen SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese (beide sind nicht verwandt) gesprochen. „Schulze ist auf unserer Seite“, sagte der Mutterkuhhalter.

Unwägbarkeiten

Die Frage, ob und wie die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz umgesetzt werden, muss auch im Lichte des Bundestagswahlkampfes betrachtet werden. Denn der kann zu Unwägbarkeiten führen. Vergangene Woche wurde zum Beispiel die bereits weitgehend ausgehandelte Novelle des Bundesjagdgesetzes im Bundestag wieder von der Tagesordnung genommen, weil sich die große Koalition über Abschussquoten von Rehen zum Schutz des Waldes nicht einigen konnte.

Weidetiere nur Randaspekt der Agrarministerkonferenz

Die Weidetierprämie war nur ein Randaspekt der Agrarministerkonferenz. Doch sie symbolisiert, worum es bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU geht: Nachhaltige Landwirtschaft, Tierwohl sowie Umwelt- und Klimaschutz mit den wirtschaftlichen Interessen der Branche und der Sicherheit der Versorgung mit Lebensmitteln unter einen Hut zu bringen.

Die deutschen Politiker von Bund und Ländern einigten sich nach zähen Verhandlungen auf einen Kompromiss. Demnach sollen 25 Prozent der EU-Direktzahlungen an deutsche Landwirte an Klima- und Umweltmaßnahmen geknüpft sein. Bislang war die Fläche eines Betriebs das entscheidende Auszahlungskriterium. Zusätzlich sollen ab 2023 zehn Prozent der Direktzahlungen in einen zweiten Topf fließen und unter anderem nachhaltiger Landwirtschaft, Tierwohl und Ökolandbau zugutekommen. Im Jahr 2026 soll der Prozentsatz für die Umschichtung des Geldes in diese zweite Säule dann bei 15 Prozent liegen. Insgesamt stehen Deutschland jährlich sechs Milliarden Euro aus Brüssel zur Verfügung. Wenn ein Betrieb künftig einen Teil dieses Geldes als Förderung erhalten möchte, muss er Ökokriterien erfüllen.