Luzern/Hagen. Der Schweizer Stahlhersteller bleibt in den Miesen und weitet sein Sparprogramm noch einmal aus. Das betrifft auch die Deutschen Edelstahlwerke.

Die Schweizer Swiss Steel Gruppe, Mutterkonzern der Deutschen Edelstahlwerke, hat das Jahr 2020 erneut mit tiefroten Zahlen abgeschlossen. „Es war sicher eines der schwierigsten Jahre in der Firmengeschichte“, erklärte der amtierende Vorstandsvorsitzende Clemens Iller am Mittwoch im Rahmen in Luzern. Seit 2008 (Finanz- und Bankenkrise) habe man einen solchen Einbruch nicht mehr gesehen. Wegen der weiter schwierigen Gesamtsituation wird das Sparprogramm beim Schweizer Konzern bis mindestens 2025 ausgeweitet, um strukturell insgesamt 300 Millionen Kosten zu reduzieren.

Nachfrage und Preise steigen

Davon betroffen sein dürften auch die Deutschen Edelstahlwerke (DEW), wo Anfang dieses Jahres gerade erst mit Betriebsräten und Gewerkschaft ein Haustarifvertrag ausgehandelt wurde. Dieser Restrukturierungstarifvertrag sieht bis 2022 strukturelle Einsparungen bei den Personalkosten in Höhe von 39 Millionen Euro vor.

Wichtigster Markt ist Deutschland

Die Swiss Steel Gruppe mit Sitz in Luzern hieß bis August 2020 Schmolz-Bickenbach. Zur Gruppe gehört die französische Ascometal sowie Finkl Steel in Nordamerika und die Deutschen Edelstahlwerke mit Produktionsstandorten in Witten (mit Hattingen), Krefeld, Hagen und Siegen.

Von den noch 9950 Beschäftigten (Vorjahr: 10.318) sind knapp 4000 an den deutschen Standorten beschäftigt.

Die Hauptkundschaft für die Speziallangstahlprodukte kommt aus dem Automotive-Zuliefererbereich. Rund 80 Prozent des Umsatzes stammen aus Europa. Wichtigster Markt ist Deutschland mit 36 Prozent.

Voraussichtlich nicht das Ende der Fahnenstange. Der jüngste Plan von CEO Clemens Iller und Finanzchef Markus Boening (CFO) sowie dem für einige Monate eingesetzten Restrukturierungsvorstand Josef Schultheis (Ende Februar wieder ausgeschieden) sieht bis 2025 Potenzial, um weitere 62 Millionen Euro Personalkosten in der gesamten Gruppe einzusparen. „Wir haben das Projekt im Herbst erweitert, um noch schlanker und effizienter zu werden“, sagte Iller. Dabei gehe es auch darum, weitere „Überkapazitäten bei DEW und Ascometal abzubauen.“

Clemens Iller verlässt den Konzern und übergibt den Vorstandsvorsitz bei Swiss Steel spätestens zum Jahreswechsel an Frank Koch, bis vor Kurzem noch Chef bei Georgsmarienhütte.
Clemens Iller verlässt den Konzern und übergibt den Vorstandsvorsitz bei Swiss Steel spätestens zum Jahreswechsel an Frank Koch, bis vor Kurzem noch Chef bei Georgsmarienhütte. © S+B/ Andreas Mader | Andreas Mader

Als Beispiel nannte der scheidende Vorstandsvorsitzende die Schließung der Walzenstraße im französischen Asco-Werk in Les Dunes, dessen Kapazitäten nach Witten verlagert werden. Rund 8 Millionen Euro pro Jahr will man so einsparen. 250 Arbeitsplätze kostet dies in Les Dunes. Das sei ja in Frankreich nicht so einfach, Arbeitsplätze abzubauen, hieß es von Vorstandsseite. Auf deutscher Seite wähnt man sich von Arbeitnehmerseite mit dem DEW-Haustarif und den abgestimmten Maßnahmen im Zuge des Projekts „DEW2020+“ dennoch vorerst in ruhigem Fahrwasser.

Im vierten Quartal 2020 sei tatsächlich mit weniger Personal ein besseres Ergebnis als im Vorjahreszeitraum erzielt worden. Allerdings war auch 2019 ein schlechtes, weil verlustreiches Jahr für die Swiss Steel Gruppe.

Iller, der spätestens Ende des laufenden Kalenderjahres von Koch abgelöst wird, sieht allerdings einen stetigen Aufwärtstrend bei den Geschäften des Spezial-Langstahlherstellers. Alles andere würde auch verwundern. Der größte Geschäftsbereich ist Automotive. Hier ist die Nachfrage deutlich gestiegen. Die Zuliefererindustrie spricht aktuell sogar von einem Mangel an Stahl und Vormaterial. Gestiegene Nachfrage wird auch die Preise für Produkte der Swiss Steel nach oben treiben. Hier befinde man sich gerade in Verhandlungen mit den Kunden und mochte noch keine Größenordnung nennen, so dass der Umsatz-Effekt für das Ergebnis 2021 aktuell kaum absehbar ist.

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Erneute Kapitalerhöhung notwendig

Nachdem 2019 der Umsatz bereits knapp unter die drei Milliardengrenze gesunken war, brach er 2020 auf knapp 2,3 Milliarden Euro analog zur verkauften Menge an Stahl ein, die von gut 1,8 auf gut 1,5 Millionen Tonnen sank. Nach einer halben Milliarde Verlust im Jahr 2019 verlor Swiss Steel mit 310 Millionen Euro Verlust erneut an Substanz. Neben dem Umsatzeinbruch führt das Unternehmen auch erhöhte Kosten für die Verluste an. „30 Millionen Euro haben wir für Beratungskosten und Covid-Maßnahmen ausgegeben“, erwähnt CEO Iller.

Dass im März dieses Jahres zum wiederholten Mal eine Kapitalerhöhung durch Aktienausgabe angestrebt wird, soll die Auswirkungen dämpfen und die Finanzlage stabilisieren. Zudem ist sie eine weitere Gelegenheit für den Schweizer Mehrheitsaktionär Martin Haefner (Big Point Holding), seine Anteile zu erhöhen.