Duisburg. Einschnitt bei Thyssenkrupp: Der Stahlkonzern schließt die Grobblech-Produktion in Duisburg mit 800 Jobs. IG Metall ruft nach Staatsbeteiligung.
Der Stahlkonzern Thyssenkrupp schließt seine Grobblech-Produktion in Duisburg mit rund 800 Arbeitsplätzen. Gespräche über einen möglichen Verkauf des Werks im Stadtteil Hüttenheim hätten zu keinem Ergebnis geführt, hieß es in Konzernkreisen. Der Thyssenkrupp-Vorstand hatte vor einigen Monaten angekündigt, das Werk im September 2021 zu schließen, sollte sich bis Ende des Jahres kein Investor finden. „Das ist ein schmerzhafter Einschnitt“, sagte Dieter Lieske, der Geschäftsführer der IG Metall-Geschäftsstelle Duisburg-Dinslaken, unserer Redaktion. „Das tut richtig weh.“
Das traditionsreiche Grobblech-Werk im Duisburger Süden ist Teil der
Thyssenkrupp-Einheit „Multi-Tracks“
, in der Geschäfte mit rund 20.000 Mitarbeitern gebündelt sind. Der Vorstand spricht von Konzernbereichen, in denen es „keine nachhaltigen Zukunftsperspektiven“ innerhalb der Thyssenkrupp-Gruppe gebe.
In der Grobblech-Fertigung werden massive Stahlbleche unter anderem für die Bauindustrie, den Schiffbau oder Pipelines hergestellt. Der Geschäftsbereich stand schon vor der Corona-Krise unter Druck. Der Betriebsrat und die IG Metall werfen dem Thyssenkrupp-Management vor, seit Jahren zu wenig in den Standort investiert zu haben.
IG Metall NRW bekräftigt Ruf nach Staatsbeteiligung
Im Umfeld des Unternehmens wird kein Zweifel daran gelassen, dass es auf ein Ende der Produktion hinausläuft. Einen offiziellen Beschluss gibt es aber noch nicht. „In einem mehrmonatigen intensiven Verkaufsprozess haben wir mit verschiedenen Interessenten Gespräche geführt. Leider bisher ohne Ergebnis“, heißt es in einem internen Schreiben des Vorstands der Thyssenkrupp-Stahlsparte an die Beschäftigten. Damit steige die Wahrscheinlichkeit einer Schließung der Grobblech-Produktion bis spätestens zum 30. September, erklärt der Vorstand in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. „Die zuständigen Gremien werden sich in den kommenden Wochen hiermit beschäftigen und Beschlüsse fassen.“
Der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler sprach von einem „schwarzen Tag für den Stahlstandort NRW und die Beschäftigten“. Die aktuelle Situation zeige, „wie dringend notwendig eine Staatsbeteiligung für den Stahlbereich von Thyssenkrupp“ sei.
Auswirkungen auch auf HKM in Duisburg zu erwarten
Auch die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg dürften von der Schließung der Grobblech-Produktion betroffen sein, schließlich ist HKM – ein Gemeinschaftsunternehmen der beiden deutschen Konzerne Thyssenkrupp und Salzgitter mit dem französischen Unternehmen Vallourec – über enge Lieferbeziehungen mit dem benachbarten Werk verbunden.
Bei der IG Metall gibt es die Erwartung, dass die rund 800 Beschäftigten aus dem Grobblech-Werk an anderer Stelle bei Thyssenkrupp Steel Arbeitsplätze erhalten. Dieter Lieske verwies auf einen Tarifvertrag, der in der Stahlsparte von Thyssenkrupp betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31. März 2026 ausschließt.
In dem Schreiben des Thyssenkrupp-Stahlvorstands um Bernhard Osburg wird betont: „Mit der Schließung des Werks wären keine Entlassungen verbunden. In engem Austausch mit der Mitbestimmung soll für die rund 800 Kolleginnen und Kollegen nach individuellen Lösungen gesucht werden, wie die Versetzung nach Duisburg-Nord oder an andere Standorte von Steel.“
Beschäftigte können auf Jobs an anderer Stelle hoffen
Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard
hatte schon vor Monaten erklärt
, selbst bei einer Schließung werde sich das Unternehmen „bemühen, den dortigen Beschäftigten andere Arbeitsplätze anzubieten“.
Am Donnerstag (19. November) will der Thyssenkrupp-Vorstand seine Bilanz für das Geschäftsjahr 2019/2020 vorstellen, das bis Ende September lief.
Vorstandschefin Martina Merz
macht schon jetzt keinen Hehl daraus, wie ernst die Lage ist. „Unsere wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich durch Corona dramatisch verschlechtert, auch wegen der großen Abhängigkeit von der Autoindustrie“, sagte sie der FAZ. Zwar hatte der Verkauf der Aufzugssparte mit mehr als 50.000 Beschäftigten dem Essener Konzern erst vor wenigen Monaten mehr als 17 Milliarden Euro eingebracht, dennoch sei möglicherweise staatliche Unterstützung für die Stahlwerke erforderlich, denn durch Corona seien „die Mittel für die Investitionen wieder verloren gegangen“.
NRW-Grüne fordern Einstieg des Bundes über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds
„Die Nachricht vom drohenden Aus für das Grobblechwerk in Duisburg ist fatal“, sagte die nordrhein-westfälische Grünen-Vorsitzende Mona Neubaur unserer Redaktion. „Erneut sind es die Beschäftigten, die die Folgen jahrelanger Management-Fehler und dadurch unterlassener Investitionen bei Thyssenkrupp tragen müssen.“ Neubaur forderte die NRW-Landesregierung und die Thyssenkrupp-Konzernleitung dazu auf, dafür zu sorgen, dass möglichst viele Beschäftigte eine Perspektive erhalten. Das Ziel müsse der Aufbau einer klimaneutralen Stahlproduktion sein. „Wir fordern, dass der Bund über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds bei Thyssenkrupp einsteigt“, sagte Neubaur. „Daran geknüpft sein muss aber der Verzicht auf Dividenden und Boni.“
Außerdem müsse das Land NRW „die Zukunft der Krupp-Stiftung sichern“, fügte Neubaur hinzu. Die Stiftung ist die größte Einzelaktionärin von Thyssenkrupp – und damit abhängig von Dividenden des Unternehmens. Doch in den vergangenen Jahren hielten sich die Gewinnausschüttungen des Konzerns in engen Grenzen. Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ist Mitglied des Kuratoriums der Krupp-Stiftung. Grünen-Chefin Neubaur mahnte: „Es muss vertraglich ein planbarer Transformationspfad für den Umbau der Stahlproduktion auf den Energieträger Wasserstoff festgelegt werden. Geschieht dies nicht, sind tausende weitere Jobs in Gefahr.“