Dortmund. Durch Corona bleiben mehr Stellen unbesetzt als in den Vorjahren. Arbeitsminister Laumann möchte das ändern: Bis Januar ist der Start möglich.

Das Corona-Jahr bedeutet für die Wirtschaft einen historischen Einbruch. Trotz leichter Erholungseffekte bleibt die Situation schwierig. Und das auch auf dem Ausbildungsmarkt: Noch mehr Stellen als in den Vorjahren sind bislang unbesetzt. Doch noch gibt es Chancen: Ausnahmsweise bis Januar können Verträge für das laufende Ausbildungsjahr unterschrieben werden. Denn in der Krise sei es besonders wichtig, für Fachkräfte-Nachwuchs zu sorgen: „Die fehlenden Auszubildenden von heute sind die fehlenden Fachkräfte von morgen“, sagte Kreishandwerksmeister Christian Sprenger in der gestrigen Runde „Handwerk live“ der Handwerkskammer Dortmund (HWK).

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Daran nahm auch NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann teil, der betonte: „Es soll keiner wegen Corona auf eine Lehrstelle verzichten müssen.“ Doch das Problem seien nicht fehlende freie Stellen, das Problem sei mehr das Interesse der Bewerber. Vor allem im Handwerk schwinde die Nachfrage, seit Jahren sei der Fachkräftemangel ein großes Thema.

Trend zum Abitur ungebrochen

Die Corona-Pandemie erschwere die Situation nun besonders, so Arbeitsminister Laumann: „Das bisherige System ist darauf ausgerichtet, dass wir künftige Auszubildende in den Schulen abholen“, doch die Schule fand in den dafür so wichtigen Wochen dieses Jahr nicht wie gewohnt statt. Ebenso wie alle Veranstaltungen rund ums Thema, Praktika und persönliche Bewerbungsgespräche seien auch jetzt meist noch nicht möglich. Deshalb müsse man die Zeit jetzt nutzen, um an die jungen Leute ranzukommen, sagte Laumann.

Allerdings seien insbesondere Handwerksberufe schlichtweg nicht mehr so beliebt, der Trend zum Abitur sei ungebrochen, die wenigsten Abiturienten entschieden sich anschließend jedoch für eine duale Ausbildung. „Wir müssen mehr Werbung machen für dieses spannende Feld, die jungen Leute müssen erkennen, was für eine schöne Welt diese Berufe sind“, sagte Laumann. Immerhin seien Handwerksberufe heutzutage sehr anspruchsvoll, sowohl was die Theorie als auch die Digitalisierung betrifft.

Ausbildungsprämie „gut gemeint“

Doch wie begeistert man die Jugend wieder für das Ausbildungssystem? Ein Problem sei, sie überhaupt zu erreichen, so die einhellige Meinung. Digitale Wege seien bislang nicht so erfolgreich wie erhofft, das müsse sich wohl erst noch einspielen. Zudem herrsche unter den Jugendlichen in diesem Jahr eine große Unsicherheit. Insgesamt fehle vielen der Bezug zu Handwerksberufen – ein Problem, das man bereits im Kindesalter anpacken sollte, so Kreishandwerksmeister Sprenge. Eine Idee lautete: Statt der üblichen Vorstellung von Unternehmen könnten häufiger Azubis mit Schülern sprechen, das wäre ein Kontakt auf Augenhöhe.

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Doch nicht nur der Kontakt sei ein Problem, so Sprenge. Da gäbe es auch noch die Ausbildungsprämie: „Die Idee war ja gut gemeint, aber die Umsetzung geht an der Lebenswirklichkeit der Unternehmen vorbei.“ Denn um die Prämie zu erhalten, müsste ein Betrieb 60 Prozent Umsatzeinbußen haben. „Aber wenn das der Fall ist, macht man sich nur noch wenige Gedanken darüber, seine Ausbildungsquote zu halten.“ Dann habe man schließlich andere Sorgen. Der Bund sollte Betriebe bei der Ausbildung mehr unterstützen, sagte er.

„Ich sehe das etwas differenzierter“, reagierte Laumann. Die meisten Betriebe seien seiner Meinung nach durchaus in der Lage, eine Ausbildung zu finanzieren. Ansetzen müsse man an anderen Stellen: „Wer einen Meister macht, muss den noch immer fast komplett selbst bezahlen, an sowas müssen wir ran. Wir müssen für Abiturienten interessanter werden und für junge Frauen, die meisten Handwerksberufe sind noch immer eine Männerdomäne.“

Ende September noch fast 11.000 Stellen in NRW

Ende September waren nach Angaben der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit noch 8900 Bewerber auf der Suche nach einer Lehrstelle und ohne Alternative. Gleichzeitig gab es zu diesem Zeitpunkt noch fast 11.000 freie Stellen.

Bis Ende September wurden von den Industrie- und Handelskammern in NRW 58.380 Ausbildungsverträge abgeschlossen (minus 15,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Bei den Handwerkskammern waren es 25.171 Verträge (minus 10,1 Prozent). Hans Hundt, Präsident des Westdeutschen Handwerkskammertages, appelliert an die Jugendlichen, sich auch jetzt noch für 2020 zu bewerben.