Essen. Wirtschaftsverbände und Verbände üben scharfe Kritik an dem Plan von Minister Heil, Arbeitnehmern ein Recht auf Homeoffice einzuräumen.

Auf breite Ablehnung in wirtschaftsnahen Kreisen stößt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit seinem Vorstoß, Beschäftigten einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Arbeit zu Hause einzuräumen. Politiker der Union sprechen von einem „Bürokratie-Monster“. Strikt dagegen sind auch eine Reihe von Wirtschaftsverbänden. „Ein gesetzlich verbrieftes, generelles Recht der Arbeitnehmer auf 24 Tage Homeoffice pro Jahr geht an der betrieblichen Realität völlig vorbei. Es orientiert sich weder an den Möglichkeiten der Unternehmen noch an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen, unserer Redaktion.

Am Sonntag hatte Heil seine Pläne in einem Interview vorgestellt. Danach sollen Arbeitnehmer in Branchen, in denen Homeoffice möglich ist, einen Anspruch erhalten, an mindestens 24 Tagen im Jahr mobil zu arbeiten. „Das Coronavirus hat uns gelehrt, dass viel mehr mobiles Arbeiten möglich ist als wir dachten“, sagte der SPD-Politiker. Mit dieser Einschätzung stößt Heil auf breite Zustimmung. Die Kritik entzündet sich vielmehr an der gesetzlichen Verpflichtung.

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So auch beim Essener Chemiekonzern Evonik. „Wir haben auch durch die Corona-Krise gesehen, dass Homeoffice und mobiles Arbeiten auf einigen Arbeitsplätzen sehr gut funktioniert, an anderen aber keine Option ist. Ein pauschales Recht auf Homeoffice lehnen wir bei Evonik deshalb ab“, sagt Thomas Wessel, Personalvorstand und Arbeitsdirektor. Es gebe Arbeitsplätze, die Präsenz erforderten – wie große Produktionsanlagen. „Wir prüfen jetzt weltweit mit einer Reihe von Pilotprojekten zur Zukunft der Arbeit, was machbar, sinnvoll und für die Beteiligten vorteilhaft ist. Nötig sind vernünftige Lösungen mit Augenmaß“, erklärte der Evonik-Manager.

„Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam gute Regelungen finden, die Arbeit flexibel zu organisieren: Ob zu Hause, in wechselnden Teams im Büro oder ohne Kontakt beim Schichtwechsel“, sagt Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbandsgruppe Ruhr-Niederrhein in Duisburg. Mobiles Arbeiten sei deshalb in den Betrieben längst Alltag.

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„Allerdings ist die Lage der Unternehmen so unterschiedlich, dass es völlig falsch wäre, ein staatliches Reglement mit einer festen Anzahl von 24 Tagen pro Jahr einzuführen“, kontert Schmitz. Der Verbandsmanager warnt vor Ungerechtigkeiten, weil etwa Handwerker oder Beschäftigte im Einzelhandel von der Regelung nicht profitieren könnten.

In puncto Gerechtigkeit erhält Heil allerdings Unterstützung aus der Wissenschaft. „Die angekündigten 24 Tage sind sicherlich recht knapp bemessen, wichtiger scheint aber, dass Arbeitgeber nun begründen müssen, weshalb Homeoffice betriebsbedingt überhaupt nicht geht“, sagte Stephan Kaiser, Professor für Personalmanagement und Organisation an der Universität der Bundeswehr München, unserer Redaktion. „Diese Regelung wird dabei helfen, die Entstehung einer Zweiklassenarbeitsgesellschaft zu verhindern, in der nur ein privilegierter Teil in den Genuss von Homeoffice gelangt“, ist sich Kaiser sicher.

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Dennoch wurmt die Wirtschaft, dass es einen gesetzlichen Anspruch geben soll. „Ein erzwungenes Recht auf Homeoffice ist überflüssig und geht komplett an der Realität vorbei“, kritisiert Ulrich Kanders, Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmerverbandes. Er verweist darauf, dass „dort, wo dies möglich und gewünscht ist“, Arbeitnehmer in Absprache mit ihren Arbeitgebern „längst flexibel und mobil arbeiten“ könnten. „Es bedarf hier keines starren Gesetzes“, so Kanders.

„Homeoffice muss in den Betrieben geregelt werden“, fordert stattdessen NRW-Landesgeschäftsführer Herbert Schulte vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Er wirft Heil „Planwirtschaft“ vor und erinnert den Minister, dass Arbeitszeitregelungen Sache der Tarifparteien sei.

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Reaktionen aus dem Lager der Union lassen erahnen, dass die Große Koalition bei dem Gesetzesentwurf ohnehin nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen wird. Denn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat seine Skepsis gegenüber einem geplanten Recht auf Homeoffice bekräftigen lassen. Eine Sprecherin verwies am Montag in Berlin auf Aussagen des Ministers vom Frühjahr. Damals hatte Altmaier gesagt: „Wir brauchen vor allem weniger Bürokratie, nicht immer neue staatliche Garantien.“

Gegenwind gibt es auch aus der CSU. Heil sei „mit seinen neuen Regulierungsfantasien auf dem Holzweg“, sagte Generalsekretär Markus Blume am Montag. Stephan Kaiser, Professor an der Universität der Bundeswehr, weist indes auf weiteren Regulierungsbedarf hin: „Die bisherigen fehlenden rechtlichen Regelungen etwa hinsichtlich dem Unfallschutz und Arbeitszeitregelungen sind nun nachzuholen. Die Zeit der Improvisation muss hier enden und in Zukunft muss den Arbeitnehmervertretern ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden“, fordert der Wissenschaftler im Hinblick auf die Arbeit zu Hause.