Düsseldorf. Nach der Insolvenz des Rechenzentrums AVP bangen Apotheker um ihre Existenz. Besonders viele sind in NRW betroffen.
„Vertrauen Sie auf einen Rezeptabrechner, der sich seine Neutralität bewahrt und sich kompetent um Ihr Anliegen kümmert.“ Mit dieser Werbebotschaft hat das Düsseldorfer Rechenzentrum AVP bundesweit das Vertrauen von geschätzt 3500 Apothekern gewonnen. Jetzt kommt das böse Erwachen. Die Firma ist zahlungsunfähig, und die angeschlossenen Apotheker warten bislang vergeblich auf ihre Einnahmen für August. Bei ihnen geht Existenzangst um.
Wie wie auch Ärzte delegieren Apotheken die Abrechnung von Rezepten an Rechenzentren. Die meisten sind an Standesorganisationen gebunden. AVP ist der größte unabhängige Dienstleister. Nach Angaben des Apothekerverbands Nordrhein lassen bundesweit rund 15 Prozent über die Düsseldorfer abrechnen, in NRW sind es rund 30 Prozent der 3985 Apotheken. Sie alle gehen für den Monat August leer aus. Wann wieder Geld fließen wird, ist ungewiss.
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Wegen der Unregelmäßigkeiten hat die Finanzaufsicht Bafin am Mittwoch beim Amtsgericht Düsseldorf ein Insolvenzverfahren für die AVP beantragt und einen Sonderbeauftragten eingesetzt, der jetzt die Geschäfte führt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat die Bafin inzwischen auch Strafanzeige erstattet. Um welche Tatvorwürfe es dabei geht, wollte eine Sprecherin nicht sagen.
Mehr als 1000 Apotheken in NRW betroffen
Allein in NRW gibt es schätzungsweise mehr als 1000 Opfer der Insolvenz. Eines von ihnen ist ein Apotheker vom Niederrhein, der seinen Namen nicht nennen will. An zwei Stichtagen im Monat erhält er gemeinhin Abschläge für Arzneien, die er über ärztliche Rezepte bei der AVP eingereicht hat. Im September blieben die Zahlungen aber aus. „Die AVP erklärte die Verzögerung noch in der vergangenen Woche mit einer IT-Umstellung“, erzählt der Apotheker.
Dann folgte ein Fax von AVP-Chef Mathias Wettstein. „Die Gelder sind sicher unterwegs“, steht darin. „Ich habe aber immer noch keinen Cent gesehen“, sagt der Apotheker. Immerhin ist die Summe, auf die er wartet, sechsstellig. Damit geht er ansonsten in Vorkasse, um bei Lieferanten Medikamente für seine Kunden zu bestellen. Nun hat der Mann vom Niederrhein bei seiner Bank und den Lieferanten um Stundung gebeten. „Viele Kollegen müssen sich um ihre Existenzen Sorgen machen“, vermutet er.
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Die Alarmglocken schrillen auch beim Apothekerverband Nordrhein. „Die Apotheken warten dringend auf ihr Geld, um ihre Vorlieferanten bezahlen zu können“, sagt ein Sprecher. „Sollte kein Geld kommen, könnten betroffene Apotheken in ihrer Existenz bedroht sein.“ Beim Verband werden bereits die ersten Rufe nach staatlicher Hilfe laut. „Im schlimmsten Fall muss bei der Politik einen Rettungsschirm eingefordert werden. Die Apotheken sind ja unverschuldet in diese Situation geraten“, meint der Sprecher und warnt: „Die Versorgung mit Arzneimitteln darf deshalb nicht gefährdet werden. Im Gegensatz zu den Banken gibt es für Apotheker keinen Einlagensicherungsfonds.“
Apotheken warten auf jeweils bis zu 400.000 Euro
Zwischen 75 und 80 Prozent ihrer Umsätze machen Apotheken den Angaben ihres Verbands zufolge mit ärztlichen Rezepten. Und genau dieser Löwenanteil wird ihnen von den Rechenzentren überwiesen. Erlöse aus frei verkäuflichen Schmerztabletten und Nasentropfen landen zwar direkt in ihrer Kasse, machen aber nur zehn bis 15 Prozent ihres Monatsumsatzes aus. Zehn Prozent entfallen auf Geschäfte mit Privatversicherten und nur zwei bis drei Prozent auf Hustenbonbons, Zahncremes und ähnliche Artikel.
Bernhard Bellinger, Steuerberater und Rechtsanwalt in Düsseldorf, hat viele Apotheker als Mandanten: „Die Beträge, um die es geht, sind gesalzen. Das sind durchaus bis zu 400.000 Euro pro Apotheke, die ausstehen – im Durchschnitt wahrscheinlich rund 120 000 Euro“, sagt Bellinger. „Den vom Zahlungsverzug betroffenen Apotheken droht im schlimmsten Fall die Zahlungsunfähigkeit.“ Die berufsständische Apobank hat inzwischen abgekündigt, mit Überbrückungskrediten helfen zu wollen.