Dortmund. Sektlaune gibt es in der Luftverkehrsbranche gerade nicht. Außer bei der Wizz-Air, die jetzt in Dortmund die erste deutsche Basis eröffnet.

Die ungarische Fluggesellschaft Wizz-Air nutzt die Branchen-Krise und steuert auf Expansionskurs. Am Freitag wurde die erste deutsche Basis in Dortmund eröffnet. Die Billigfluglinie ist seit Jahren der Motor für überdurchschnittliches Wachstum am Flughafen der Westfalenmetropole. Genau hier schlummert auch ein Risiko.

Für die Entscheidung pro Dortmund und die Umsetzung benötigten die Ungarn nur ganze sechs Wochen. „Wir sind extrem agil und liquide“, sagt Wizz-Air-Vorstandsmitglied Heiko Holm am Freitag: „Und andere können sich momentan nicht ausbreiten“, spielt der Manager auf die Schwäche der Konkurrenten an. Wizz-Air will versuchen, Easyjet und Ryan-Air genau jetzt Marktanteile abzujagen.

Heiko Holm, CCO der Wizz-Air, versprüht viel Selbstbewusstsein:  „Wir sind extrem agil und liquide“, sagt Wizz-Air-Vorstand mit Blick auf den rasanten Expansionskurs.  FUNKE Foto Services
Heiko Holm, CCO der Wizz-Air, versprüht viel Selbstbewusstsein: „Wir sind extrem agil und liquide“, sagt Wizz-Air-Vorstand mit Blick auf den rasanten Expansionskurs. FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Zwar haben die Ungarn auch durch die Covid-19-Pandemie in den ersten Monaten dieses Jahres gelitten, aber nach eigenen Angaben weniger Geld verbrannt als die Konkurrenz. Und mit rund 1,6 Milliarden Euro ist die Kasse des Unternehmens so gut gefüllt, dass man geplante Käufe der modernen Airbus Neo-Serie sogar vorziehen will. Seit 16 Jahren fliegt die Wizz-Air bereits ab Dortmund. „Wir haben schon immer auf Dortmund als Basis gezielt, aber es war nie die Zeit reif. Erst jetzt“, sagt Holm, der den Flughafen für die Airline als zweitwichtigsten nach London bezeichnet.

Außer Dortmund hat Wizz-Air jüngst noch ein paar weitere neue Basen eröffnet. Holm muss kurz sogar überlegen: Mailand mit fünf Fliegern, Larnaka mit drei Fliegern, Tirana mit drei Fliegern, Dortmund mit drei Fliegern. „Alle in diesem Monat“, lächelt der Wizz-Air-Manager. Im September folgt Sankt Petersburg, im Oktober dann Bacău (Rumänien) und auch Abu Dhabi.

Kurzarbeit am Flughafen beendet

Mit den drei Airbus A320, die in Dortmund jetzt stationiert werden, weitet die Fluggesellschaft ihr Streckennetz von dort um 18 neue Ziele auf insgesamt 48 aus. Mit Wizz-Air ist Dortmund zum Tor für Reisende nach Ost- und Südosteuropa geworden. Die meist gebuchte Strecke ist hier nicht Mallorca, sondern Kattowitz. Die von Experten als „ethnischer Flugverkehr“ bezeichnete spezielle Nachfrage ist aktuell das Plus für den Airport, der sich im Vergleich zu den anderen 21 internationalen Flughäfen in Deutschland viel schneller erholt und im Juli schon wieder 50 Prozent des Vorjahresaufkommens zählt.

Krise am Flughafen Paderborn-Lippstadt

Der Stillstand durch die Corona-Pandemie hat den ohnehin angeschlagenen Flughafen Paderborn-Lippstadt in extreme Schieflage gebracht. Laut Mitteilung des Kreises Paderborn als Hauptgesellschafter (56 Prozent), fielen monatlich Verluste in Höhe von rund 700.000 Euro an. Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung haben in dieser Woche ein Sanierungskonzept vorgelegt, dass die Entlassung „erheblicher Teile der Belegschaft vorsieht. Im Herbst sollen die anderen Gesellschafter zustimmen.

Für den scheidenden Flughafenchef Udo Mager ist die Stationierung der Wizz-Air ein Lichtblick auf den letzten Tage. Im September nimmt er seinen Hut in den Ruhestand: „Mit dem heutigen Tag endet die Kurzarbeit am Flughafen, die mit dem Lockdown im März eingeführt werden musste.“ Das Vorjahresrekordergebnis von 2,7 Millionen Passagieren in Dortmund hofft man 2021 wieder erreichen zu können. In diesem Jahr peilt man dank Wizz-Air 1,4 Millionen an.

Ein Ergebnis, mit dem der Flughafen wieder weit von der schwarzen Null in der Jahresrechnung entfernt ist, die bis Ende 2023 von der EU gefordert wird. „So wie es im Moment aussieht, werden wir es bis Ende 2023 nicht schaffen“, sagt Guntram Pehlke, Chef der Dortmunder Stadtwerke (DSW21). DSW21 ist Hauptgesellschafter und laut Pehlke alleiniger Finanzier des Flughafens. Jährlich gilt es 14 Millionen Euro für langfristige Verbindlichkeiten in die Gesellschaft zu pumpen.

Es gibt auch kritische Stimmen

Das sorgt seit Jahren für Kritik in der Westfalenmetropole. Und auch, dass der Flughafen immer stärker abhängig wird von der ungarischen Fluggesellschaft, die für rund Dreiviertel des Fluggastvolumens sorgt. Kommt die Wizz-Air einmal ins Trudeln, landet auch der Flughafen Dortmund hart. „Die Diskussionen im Rat gibt es“, räumt Pehlke ein: „Und auch die Abhängigkeit gibt es. Das ist so.“

Die Piloten Peter Havasi (links) und Radoslaw Buchta im Cockpit des A320, der seit Freitag in Dortmund stationiert ist.
Die Piloten Peter Havasi (links) und Radoslaw Buchta im Cockpit des A320, der seit Freitag in Dortmund stationiert ist. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Die Wirtschaft im Großraum Dortmund macht sich laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Airport stark. Klar. „77 Prozent der befragten Unternehmen nutzen den Flughafen für ihre Geschäftsreisen“, versichert IHK-Geschäftsführer Wulf-Christian Ehrich. 500 Firmen im Raum Dortmund, Unna und Hamm wurden befragt. Die Wizz-Air-Basis mache sich laut Ehrich auch volkswirtschaftlich positiv bemerkbar: „Technik, Wartung, die Crew, die hier wohnen wird. Pro Maschine ist der Effekt so groß wie bei einem kleinen mittelständischen Unternehmen.“

Noch ist die Crew gerade erst eingeflogen. Alle 30 wohnen im Hotel in der Dortmunder City, gehen gerade auf Wohnungssuche – wenn sie nicht direkt wieder abheben. Etwa mit dem A320, der am Freitag landete und am Samstag früh wieder nach Split startet – einem der 18 neuen Ziele, von denen jetzt auch viele in Warmwassergebiete liegen.