Essen/Dortmund. Ruhrgebietskonzerne wie Amprion, OGE, Thyssenkrupp und RWE planen für die Wasserstoff-Wirtschaft. Doch noch gibt es Hürden für die Projekte.
Die künftige Versorgung der deutschen Industrie mit Wasserstoff spielt auch für den Dortmunder Stromnetzbetreiber Amprion eine wichtige Rolle. „Der Weg in die Wasserstoff-Wirtschaft ist vorgezeichnet“, sagt Amprion-Chef Hans-Jürgen Brick im Gespräch mit unserer Redaktion. Wasserstoff sei „unverzichtbar, wenn wir eine klimaneutrale Industrie aufbauen wollen“. So strebt zum Beispiel Thyssenkrupp an, zunehmend Wasserstoff in der Stahlherstellung einzusetzen und auf Kohle zu verzichten. Auch bei Chemiekonzernen wie Evonik oder in den Raffinerien des Aral-Mutterkonzerns BP dürfte die Nachfrage nach Wasserstoff wachsen.
„Der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur funktioniert nur, wenn wir auch das Stromnetz einbinden“, betont Amprion-Chef Brick. Amprion gehört neben Tennet, 50Hertz und TransnetBW zu den Unternehmen, die in Deutschland für das Hochspannungsnetz verantwortlich sind. Im Netzgebiet von Amprion sind 29 Millionen Kunden angeschlossen. Das 11.000 Kilometer lange Amprion-Netz erstreckt sich von Niedersachsen bis zu den Alpen.
Wasserstoff auf Windstrom
„Wir müssen die Strom- und Gasnetze zusammenbringen, um die Wasserstoff-Versorgung auszubauen“, erläutert Brick. So lasse sich im großen Stil mit Strom aus erneuerbaren Quellen über die Elektrolyse Wasserstoff erzeugen. „Es gibt immer wieder Zeiten mit einem Überangebot von Windstrom, der in Wasserstoff umgewandelt werden könnte“, gibt er zu bedenken.
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Mit einem Projekt namens „Hybridge“ will Amprion beweisen, wie sinnvoll sogenannte Power-to-Gas-Anlagen sein können. Gemeinsam mit dem Essener Gasleitungsbetreiber Open Grid Europe (OGE) will das Unternehmen im Emsland an der Grenze zu NRW einen Elektrolyseur errichten, der ab dem Jahr 2023 bis zu 100 Megawatt elektrische Leistung in Wasserstoff umwandeln soll. „Unser Ziel ist, die erste großtechnische Anlage zu bauen, die in Deutschland Strom aus erneuerbaren Energien in Wasserstoff umwandelt“, erläutert Brick.
Genehmigung für Projekt von Amprion und OGE steht noch aus
Allerdings gibt es derzeit keine Genehmigung der Bundesnetzagentur für das Vorhaben. Zu klären ist, ob sich Strom- und Gasnetzbetreiber, deren Geschäft reguliert ist und deren Entgelte auf den Strompreis umgelegt werden, beim Thema Wasserstoff engagieren und Anlagen betreiben dürfen. „Die technische Konzeption ist abgeschlossen“, betont Amprion-Chef Brick. „Wir sind startklar und könnten, wenn wir grünes Licht von der Bundesnetzagentur bekommen, mit dem Bau beginnen.“ Im Jahr 2023 könnte die Anlage einsatzbereit sein.
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Die Ruhrgas-Nachfolgefirma OGE will einen Teil ihres Gasnetzes für den Transport von Wasserstoff umbauen. „Anschließend können an der Pipeline gelegene Unternehmen den grünen Wasserstoff nutzen, beispielsweise die Raffinerien in Lingen“, sagt Brick. Der Investitionsbedarf für das Projekt „Hybridge“ liege bei rund 150 Millionen Euro. „Die Kosten ließen sich über die Netzentgelte finanzieren. Für den einzelnen Stromkunden wären das zehn Cent im Jahr“, wirbt der Amprion-Chef für das Vorhaben.
Amprion erwartet „riesigen Bedarf für Wasserstoff“
Ähnliche Projekte wie „Hybridge“ seien später auch im nördlichen Ruhrgebiet in der Nähe des Chemieparks Marl oder im Rheinland bei Wesseling vorstellbar. „Wir erwarten einen riesigen Bedarf für Wasserstoff, beispielsweise in der Chemie- und der Stahlindustrie, aber auch für den Antrieb von Fahrzeugen oder Schiffen“, sagt Brick. „Der Stahlstandort Duisburg oder der Chemiepark Marl werden künftig in hohem Maße auf eine gute Versorgung mit Wasserstoff angewiesen sein.“
Amprion-Chef Brick rät, einen „Versorgungsmix“ zu schaffen: „Gerade in NRW bietet es sich an, durch Elektrolyse unmittelbar beim Verbraucher Wasserstoff aus erneuerbarem Strom herzustellen. Dies ist eine gute Alternative zum Transport von Wasserstoff etwa über Tanklaster, Schiffe oder lange Pipelines.“
Unter der Federführung der Landesregierung entwickle Amprion derzeit mit Gasnetzbetreibern wie OGE einen „Systemplan“ für NRW. „Wenn wir die erneuerbaren Energien besser steuern und in andere Sektoren bringen wollen, müssen wir das Energiesystem aus einem Guss planen“, sagt Brick. „Dafür brauchen wir einen Masterplan für Strom und Gas.“
Thyssenkrupp und RWE kooperieren beim Thema Wasserstoff
Auch Thyssenkrupp und RWE wollen beim Thema Wasserstoff zusammenarbeiten. Die Pläne der Unternehmen sehen vor, dass RWE an seinem Kraftwerksstandort in Lingen im Emsland mit Ökostrom Wasserstoff erzeugt, der dann über Leitungen zum Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg transportiert wird. Ein 100-Megawatt-Elektrolyseur könnte pro Stunde 1,7 Tonnen gasförmigen Wasserstoffs produzieren, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Konzerne. Dies entspreche in etwa 70 Prozent des Bedarfs eines in Duisburg für den Einsatz von Wasserstoff vorgesehenen Hochofens.
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Damit könnte die Produktion klimaneutralen Stahls für rund 50.000 Autos pro Jahr ermöglicht werden, rechnet der Vorstandssprecher von Thyssenkrupp Steel, Bernhard Osburg, vor. Voraussetzung für die Zusammenarbeit von RWE und Thyssenkrupp sei unter anderem die Entwicklung eines Leitungsnetzes für den Transport des Wasserstoffs.