Kritik vom Rednerpult und Proteste vor der Halle gehören zu einem lebendigen Aktionärstreffen. Die Online-Beteiligung schließt das ja nicht aus.
Corona bringt unendlich viel Leid, macht aber auch manches möglich, was vorher undenkbar schien. Zum Beispiel rein virtuelle Hauptversammlungen. Eon-Chef Johannes Teyssen gefiel die erste so gut, dass er gleich forderte, es fortan immer so zu machen. Die Online-HV ist günstiger, moderner und klimafreundlicher als die Massen-Zusammenkunft in der großen Halle. Stimmt soweit.
Und doch ist das Internet für Aktionärstreffen der falsche Ort und sollte eine Notlösung für Krisen wie diese bleiben. Denn rein virtuelle Hauptversammlungen sind auch langweilig, steril und nur ein Abklatsch echter Aktionärsdemokratie. Natürlich haben auch die klassischen Präsenz-Treffen viel ritualisiertes Gewese – von der Verlesung der Formalien bis zur wiederkehrenden Rhetorik der Aktionärsvertreter. Doch wenigstens verraten Applaus oder Schweigen der Kleinaktionäre, wie zufrieden sie mit der Arbeit des Vorstands sind, ob sie seine Strategie mittragen oder ablehnen. Was das Aktionärsvolk so denkt, sollte auch die Managerelite interessieren.
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Kritik vom Rednerpult mit Vorständen und Aufsichtsräten vis-à-vis gehört genauso zu einer lebendigen Hauptversammlung wie die Protestaktionen draußen. Die Vorstände mögen gern auf demonstrierende Imker bei Bayer, Klimaschützer bei RWE, Atomkraftgegner bei Eon und Mieterschützer bei Vonovia verzichten. Die interessierten Beobachter der größten deutschen Konzerne nicht.
Es spricht ja nichts dagegen, die Vorzüge beider Formate zu vereinen. Physische Aktionärstreffen vollständig im Internet zu übertragen und eine Online-Beteiligung der nicht präsenten Aktionäre zu ermöglichen, dürfte gern der künftige Standard sein.