Siegen. Die wirtschaftlichen Aussichten in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein sind laut IHK Siegen extrem düster. Viele Jobs dürften verloren gehen.

Die Wirtschaft in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein erlebt die schwersten Einbrüche der Nachkriegszeit. Dies geht aus der aktuellsten Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen hervor, an der sich in den vergangenen vierzehn Tagen über 600 Unternehmen beteiligten.

„Einen solchen Absturz haben wir noch nie erlebt“, kommentiert IHK-Präsident Felix G. Hensel (Foto) die von der Corona-Krise beeinflussten Umfragedaten. Die Prognose: Einbrechende Umsätze in einer Höhe von durchschnittlich rund 25 Prozent. Selbst bei Abzug des psychologischen Moments, in einer Krise eher pessimistisch zu sein, geht die Kammer in der Region von einem Milliardenverlust an Wirtschaftskraft allein in diesem Jahr aus.

Es gibt nur wenige Gewinner

Vor allem die Dienstleister (60 Punkte) wie die Gastronomie- und Hotelbranche sowie die Reiseunternehmen und die Industrie (61 Punkte) hat es besonders schwer erwischt. Im Kreis Olpe betrug der Einbruch der Wirtschaftsleistung laut Kammer Ende März bereits sechs Prozent – zu einem Zeitpunkt, als die Corona-Maßnahmen in Deutschland gerade einmal zwei Wochen galten.

Nur wenige Unternehmen berichten noch von guten Geschäften. Dies sind zum Beispiel Unternehmen der Lebensmittelindustrie, aber auch aus der Baubranche. Sie erlebt zwar auch einen Einbruch auf gut 90 Punkte, kommt aber von einem relativ hohem Niveau.

„Eine Katastrophe“

Selbst bei Abzug des psychologischen Moments, in einer Krise eher pessimistisch zu sein, geht die Kammer in der Region von einem Milliardenverlust an Wirtschaftskraft allein in diesem Jahr aus. Eine „Katastrophe“ nennt dies IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener.

Eine „Katastrophe“ nennt dies IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener. Der Wirtschaftseinbruch dürfte eine Kettenreaktion nach sich ziehen. Schwindende Erlöse, voraussichtlich gepaart mit dramatischen Auftragseinbrüchen aus dem Ausland von 77 Prozent (!) gegenüber dem Jahresbeginn stützen die Erwartung der Kammer, dass sich die heimische Wirtschaft nicht allzu schnell erholen wird.

Historischer Tiefststand

Der IHK-Konjunktur-Klimaindex brach im Mai um 41 Punkte ein. Mit 65 Punkten gegenüber 106 im Januar befindet er sich auf einem historischen Tiefststand.

Bereits seit Januar 2018 (137 Punkte) sinkt der Index aus Erwartung und Lage.

In der Finanzkrise 2008/2009 lag der Wert bei 70.

„Es ist nicht so, dass es schnell wieder besser werden dürfte“, ist sich Gräbener ziemlich sicher. Ob nun zwei, drei oder mehr Jahre gebraucht werden, um wieder auf normales Niveau zu kommen, ist abhängig von der Entwicklung der Weltwirtschaft und möglichen begleitenden Effekten durch erneute Einschnitte im Zusammenhang mit dem Virus. „Momentan sind Angebot und Nachfrage auf dem Weltmarkt zusammengebrochen“, sagt Präsident Hensel, der dennoch nicht zu pessimistisch sein will.

Lehrstellenmarkt nur noch 2020 stabil

Fest steht für die Kammerspitze aber bereits, dass sich der Arbeitsmarkt in der Region deutlich verändern wird. Arbeitslosenquoten um die drei Prozent dürften lange nicht mehr erreicht werden. „Wir werden etliche Beschäftigte haben, die in die Arbeitslosigkeit steuern und nach der Krise nicht wieder in ihre Jobs zurückkommen“, prognostiziert Gräbener – und kritisiert die Bundesregierung erneut dafür, dass sie die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 87 Prozent nicht obligatorisch an Qualifikation der Beschäftigten gekoppelt hat. Aus Sicht der IHK eine vertane Chance für die Arbeitnehmer.

Dass viele Firmen aktuell nicht über Einstellungen oder Fachkräftesicherung nachdenken, lässt sich an den Umfrageergebnissen klar ablesen. Die Auszubildenden betrifft dies in der industriestarken Region 2020 noch nicht. Im kommenden Jahr werde aber auch dies anders aussehen. Dies ließe sich bereits heute sagen, so Gräbener. 2021 werde sich der Einbruch auch auf dem Lehrstellenmarkt zeigen.

Die Kammerspitze fordert von der Regierung neben den obligatorischen Steuersenkungen und Bürokratieabbau vor allem Investitionen in Infrastruktur – nicht zuletzt im Bildungssektor.