Berlin. Nach den angekündigten Lockerungen steigt die Zahl der Buchungen wieder. Aber nicht alle werden eine Unterkunft zum Wunschtermin finden.

Viele Bürger haben in den vergangenen Wochen ihre gebuchten Übernachtungen in Hotels, Ferienanlagen oder auf Campingplätzen storniert. Zu unklar war, ob in diesem Jahr Urlaub überhaupt möglich sein würde. Doch mit den ersten Ankündigungen von Lockerungen in einzelnen Bundesländern hat sich dieser Trend ins Gegenteil verkehrt.

„Seit Anfang der Woche gibt es endlich wieder neue Buchungen“, berichtet Bernd Pickl, Pächter eines Campingplatzes in Utting am Ammersee in Oberbayern. „Seit Markus Söder die Lockerungen bekannt gegeben hat, glüht bei uns die Leitung“, sagt auch die Sekretärin an der Rezeption. „Die Leute lachen wieder am Telefon und freuen sich, dass sie Urlaub machen können. Es ist ein Traum.“

Die Erfahrung des Campingplatzbetreibers im Süden ist typisch für die neue Phase in der Corona-Epidemie. Die neuen Öffnungen für Touristen im Inland versetzen sowohl Gastgeber als auch Urlauber in Aufbruchstimmung. Doch was kommt nun auf Deutschland zu? Wollen alle in der Heimat Urlaub machen? Gibt es überhaupt genug Platz für alle?

Corona-Krise: Ist Urlaub in Deutschland bald möglich?

Deutschland zählt seit Jahren zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen. „Rund ein Drittel aller fast 71 Millionen Reisen pro Jahr haben das eigene Land zum Ziel“, berichtet Ralf Hieke, Vizepräsident im Deutschen Reiseverband (DRV). Deshalb sind die Sommermonate an den deutschen Reisezielen bereits seit Jahresbeginn sehr gut gebucht – insbesondere die Nord- und Ostseeküste. „Aber auch jetzt lassen sich noch interessante Reiseziele in ganz Deutschland finden – sowohl an den Küsten, Seen, Städten oder Bergen“, sagt Hieke.

Dennoch dämpft der Vizechef des Reiseverbands die Hoffnung, dass jeder an seinem Lieblingsziel noch die Unterkunft nach seinem Geschmack erhalten wird: „Die Kapazitäten im eigenen Land reichen bei Weitem nicht aus, damit alle Reisewilligen auch ihren wohlverdienten Urlaub machen können.“

Urlaub in Deutschland: Preise könnten steigen

Der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV), Norbert Kunz, glaubt dagegen nicht, dass trotz der derzeit starken Buchungsnachfrage, die Übernachtungsmöglichkeiten hierzulande schnell ausgebucht sein werden. „Denn auch im Rekordjahr 2019 waren deutschlandweit die Unterkünfte nur zu 50 Prozent ausgelastet.“ Es gab insgesamt 500 Millionen Übernachtungen, wovon 90 Millionen von Gästen aus dem Ausland kamen. Da die Grenzen noch geschlossen sind, falle dieser Anteil weiterhin erst einmal weg.

Wandern durch Weinberge oder in den Alpen ist bei den Deutschen im Urlaub sehr beliebt.
Wandern durch Weinberge oder in den Alpen ist bei den Deutschen im Urlaub sehr beliebt. © dpa | Christoph Schmidt

Bei den Preisen könnten Urlauber jedoch Überraschungen erleben. „Es wird in allen Segmenten des Tourismus Preisanhebungen geben“, meint Christian Günther, Geschäftsführer des Bundesverbands der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD). Der DTV-Chef erwartet dagegen keine Erhöhungen, „da sich sowohl Vermieter als auch Urlauber im Klaren sind, dass es sich um ein Ausnahmejahr handelt“.

Wie die Situation derzeit für Deutschland aussieht:

Hotels und Pensionen

Wer für Juli und August nach Hotels in beliebten deutschen Ferienregionen wie an der Nordsee, in der Alpenregion oder am Bodensee auf dem Online-Portal Booking.com sucht, stellt fest, dass diese schon zu bis zu 90 Prozent nicht mehr verfügbar sind.

Bei der Konkurrenz sieht es ähnlich aus. „Wir können davon ausgehen, dass die Nachfrage nach Ferienunterkünften in Deutschland in diesen Tagen stark steigt“, sagt Björn Zimmer, Sprecher des Hotelportals HRS. „Da nur ein begrenztes Angebot an Unterkünften im Inland verfügbar ist, werden auch die Preise der Unterkünfte in diesem Jahr steigen.“

Ferienhäuser

Bundesweit gibt es mehr als eine Million Betten in Ferienhäusern und –wohnungen, das schätzt der Deutsche Ferienhausverband. Doch auch diese könnten schon bald weitestgehend ausgebucht sein. „Wir beobachten in den vergangenen Tagen deutlich mehr Buchungen“, sagt Michelle Schwefel, Geschäftsstellenleiterin des Deutschen Ferienhausverbands. „Aus der Vergangenheit wissen wir, dass bei Krisen vor allem vertraute, nahe Reiseziele gebucht werden, die gut mit dem Auto zu erreichen sind“, berichtet Schwefel.

Der Ferienhaustourismus sei gut dazu geeignet, die erlassenen Auflagen und Empfehlungen wie soziale Distanz, Abstandsregeln und Hygieneregeln einzuhalten. „Bisher beobachten wir keine Preissteigerungen für die Sommermonate. Allerdings sollten sich Urlaubsgäste schnell entscheiden, wenn sie ein Objekt zum guten Preis-Leistungs-Verhältnis buchen möchten.“

Camping

Manche der rund 3000 Campingplätze erleben schon jetzt eine starke Buchungswelle. „Kaum kündigt ein Bundesland konkrete Öffnungspläne an, steigen die Buchungen rasant. Das betrifft derzeit zum Beispiel Plätze in Niedersachsen, wo die Campingplätze vom 11. Mai an wieder öffnen dürfen“, sagte Günther, Geschäftsführer des Camping-Verbands. Allerdings müssten sich die Camper wohl auf Preiserhöhungen einstellen. „So könnten Nebensaisonpreise schon auf das Niveau der Hochsaison steigen.“ Dies sei eine Folge der höheren Auflagen durch die Abstandsregeln und geringeren Belegung der Plätze.

Wer in Deutschland campen mag, sollte jetzt schon reservieren, rät der BVCD-Chef. „Auf gut Glück einen Platz anzufahren, würde ich nicht probieren. In diesem Jahr wird es auf den Campingplätzen voller als üblich.“ Das heißt in Corona-Zeiten, dass nur etwa die Hälfte aller Stellplätze überhaupt vergeben werden können. Camping wird seit Jahren immer populärer. 2019 wurde mit mehr als 35,75 Millionen Übernachtungen ein neuer Rekord verzeichnet – rund 87 Prozent davon waren Bundesbürger.

Reisemobile und Caravans

In Deutschland gibt es rund 1,2 Millionen Reisemobile und Caravans. In der Regel reisen viele damit ins Ausland. Sollten die Grenzen geschlossen bleiben, dürften sich wohl viele ein Inlandsziel aussuchen. Da Wildcampen in Deutschland nicht erlaubt ist, dürfte es im Sommer schwer werden, freie Plätze auf Campingplätzen oder den 3500 Reisemobil-Stellplätzen zu bekommen. Frühes Buchen zahlt sich deshalb auch hier aus.

„Caravans und Reisemobile sind in diesen Zeiten ideale Fahrzeuge, um die notwendigen Abstands- und Hygienevorschriften auch auf Reisen einzuhalten“, sagt der Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbands (CIVD), Daniel Onggowinarso.

Jugendherbergen

Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) weiß noch nicht, wie viele der rund 450 Jugendherbergen für touristische Zwecke öffnen werden. „Wenn wir beispielsweise unsere Häuser nur zur Hälfte belegen dürfen, wird sich eine Öffnung vieler Herbergen nicht lohnen“, so Justin Blum Sprecher des DJH. „Auf unseren Websites beobachten wir aber bereits eine höhere Frequenz“, sagt Blum. „Die Menschen scheinen sich zu informieren, wo Urlaub in diesem Jahr noch möglich ist. Wir sind da vorsichtig optimistisch.“

Der Leiter der Jugendherberge am Berliner Ostkreuz, Andreas Scheuring, bereitet sich seit Wochen auf die Wiedereröffnung vor: „Wir haben Bodenmarkierungen angebracht und die Essensausgaben umgestellt.“ Außerdem würden die Reinigungsintervalle mit Desinfektionsmittel erhöht. „Wir haben durch die Corona-Krise rund 40.000 Übernachtungen verloren. Jetzt setzen wir auf Familien, die eine günstige Übernachtung in Berlin suchen und ihren Urlaub hier verbringen wollen“, so Scheuring. „Wir haben viele Kapazitäten.“

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