Duisburg. Haniel will beim Kauf von Unternehmen mutiger werden und ist ins Geschäft rund ums Schlafen eingestiegen. Was Vorstandschef Schmidt noch vorhat.
Eine neue Strategie, neue Beteiligungen und mit Doreen Nowotne erstmals eine Aufsichtsratsvorsitzende, die nicht der Familie Haniel entstammt. Über den tiefgreifenden Wandel und die Folgen der Corona-Krise sprach Haniel-Chef Thomas Schmidt, der ebenfalls noch kein Jahr im Amt ist, mit Frank Meßing. Das Interview führten wir per Videokonferenz.
Herr Schmidt, die Corona-Krise hat Menschen und Wirtschaft fest im Griff. Wie empfinden Sie die Situation?
Thomas Schmidt: Die Krise lässt uns enger zusammenrücken. Das finde ich extrem wichtig. Bei Haniel haben wir einen Hilfsfonds für Mitarbeiter aufgelegt, die in unseren Unternehmen durch die Corona-Krise in eine Notlage geraten. Die Mitarbeiter in der Holding haben freiwillig auf Gehalt verzichtet. Ebenso das Management der Beteiligungen, dabei sind keine kleinen Beiträge zusammengekommen. Darauf bin ich richtig stolz.
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Was macht die Pandemie mit einem Traditionsunternehmen wie Haniel?
Haniel gibt es seit 264 Jahren. Und Covid-19 wird uns nicht davon abhalten, für die nächsten 100 Jahre zu planen. Unsere Arbeit verändert sich aber. Wir haben gleich zu Beginn der Krise mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung abgeschlossen, dass das mobile Arbeiten bei Haniel jetzt der Normalfall ist. Auch nach der Krise. Die Freiheit der Heimarbeit zu genießen, finde ich ganz toll. Man muss nicht täglich ins Büro fahren und ständig im Flugzeug oder Zug sitzen, um Gesprächspartner zu treffen. Über Online-Konferenzen haben wir die Schlagzahl des Dialogs im Unternehmen sogar erhöht.
Wird Corona die Wirtschaft nachhaltig schädigen?
Ich persönlich glaube, dass wir die Auswirkungen noch lange spüren werden. Ende des Jahres werden wir vermutlich eine Erholung sehen, aber nicht auf dem Niveau, das wir vor Corona kannten.
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Mit CWS gehört ein in Europa führender Waschraum-Ausstatter zur Haniel-Gruppe. Geht das Geschäft angesichts verschärfter Hygienevorschriften und dem Appell zum Händewaschen jetzt durch die Decke?
Ja und nein. Wir haben eine sehr hohe Nachfrage nach Hygiene-Produkten und Desinfektionsmitteln. Die CWS ist inzwischen auch in die Produktion und Reinigung von Schutzmasken eingestiegen. Wir liefern sie aus und waschen sie. Auf der anderen Seite ist das Geschäft mit unseren Kunden aus Hotellerie und Gastronomie eingebrochen. Die haben alle geschlossen.
Im vergangenen Herbst hat Haniel einen tiefgreifenden Konzernumbau angestoßen. Wie weit sind Sie?
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, mutiger voranzugehen, unsere Kultur weiterzuentwickeln und unser Portfolio umzubauen. Profitables Wachstum ist erste Priorität für Haniel. Die neue Struktur steht. Die Veränderung der Kultur geht natürlich nicht über Nacht, das dauert länger.
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Sie haben auch 60 Arbeitsplätze in der Ruhrorter Zentrale abgebaut.
Wir haben uns von mehr als einem Drittel der Mitarbeiter getrennt, weil das Anforderungsprofil nicht mehr zur Neuausrichtung passte. Sie haben unser freiwilliges Angebot angenommen. Mich freut es sehr, dass viele von unseren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen schon wieder neu untergekommen sind. Auf der anderen Seite haben wir etwa neue Investment-Spezialisten eingestellt. Bis auf wenige Stellen ist das Team komplett.
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Zur Neuausrichtung gehörte auch der Verkauf des beachtlichen Aktienpakets am Handelskonzern Metro an den tschechischen Milliardär Kretinsky. War diese historische Entscheidung richtig?
Absolut. Wir wollen unser Portfolio konsequent umbauen und uns von reinen Handelsaktivitäten verabschieden.
An der kriselnden Muttergesellschaft von Media Markt und Saturn, Ceconomy, sind Sie aber immer noch mit 22,71 Prozent beteiligt. Bleibt es dabei?
Ceconomy ist eine Finanz-Beteiligung, an der wir vorerst festhalten wollen. Wir sehen nach wie vor ein großes Wertsteigerungspotenzial in der Ceconomy und wollen mithelfen, dieses zu heben. Es gibt derzeit keine Überlegungen, uns davon zu trennen. Aber als Portfolio-Unternehmen überprüfen wir dies natürlich immer wieder.
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Immerhin hat Haniel im vergangenen Jahr mit Ceconomy wieder Geld verdient, während Umsatz und operatives Ergebnis der Haniel-Gruppe um drei beziehungsweise 15 Prozent zurückgingen. Woran hat es gelegen?
Im operativen Geschäft hatten unser Unternehmensausrüster Takkt und unser Rohstoffhändler ELG erheblichen Gegenwind – insbesondere im zweiten Halbjahr. Ein weiterer Grund für das durchwachsene Jahr waren die Kosten für den Umbau der Holding. Dafür sind unser Hygienespezialist CWS und auch der Matratzenbezugstoff-Hersteller BekaertDeslee zweistellig gewachsen.
Wie war der Start ins Jahr 2020?
Januar und Februar waren sehr gut. Die Entwicklung lag deutlich über unseren Erwartungen. Ein Indiz, dass die Neuausrichtung greift. Doch dann kam im März die Corona-Krise …
Nach dem Verkauf des Metro-Anteils waren 1,7 Milliarden Euro für Zukäufe in der Haniel-Kasse. Was haben Sie mit dem Geld vor?
Wir schauen uns Unternehmen aus den Bereichen People, Planet und Progress an. Das sind die Felder, auf denen wir wachsen wollen: Gesundheit und Wohlbefinden, Kreislaufwirtschaft/Klimaschutz und Automatisierung/Robotik. Im vergangenen Jahr haben wir über unsere Beteiligungen bereits 20 Firmen übernommen, die in unsere Nachhaltigkeitsstrategie passen. So haben wir etwa bei der CWS eine Brandschutzsparte aufgebaut.
Und nach dem Geschäft mit Matratzen-Stoffen ist Haniel jetzt auch in die Welt des Schlafens eingetreten.
Ja. Emma ist ein sehr junges und modernes Technologieunternehmen, das Matratzen und Schlafsysteme entwickelt und in 21 Ländern vertreibt. Dort haben wir die Mehrheit übernommen. Von der Agilität dieses Start-ups wollen wir profitieren.
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Sind Start-ups von der Corona-Krise besonders bedroht? Haniel hat angekündigt, verstärkt in der Gründerszene zu investieren.
Die guten Start-ups werden nach wie vor erfolgreich sein, weil sie profitabler wirtschaften. Emma ist ein Beispiel dafür. Ich glaube aber, dass der Hype bei Investoren vorbei sein wird, alles zu finanzieren. Man wird jetzt verstärkt auf die Geschäftsidee schauen. Chancen gibt es bei der Digitalisierung und dem Arbeiten zu Hause. Es ist doch kein Zufall, dass Amazon in dieser Phase profitiert. Der Online-Verkauf von Matratzen bei Emma läuft übrigens im Moment auch sehr gut.
Mit Frau Nowotne steht erstmals in der 264-jährigen Geschichte Haniels eine Persönlichkeit an der Spitze des Konzerns, die nicht der Familie entstammt. Wie kam es aus Ihrer Sicht zu dieser einschneidenden Veränderung?
Es ist ein lange und gut vorbereiteter organisatorischer Übergang von Herrn Haniel auf Frau Nowotne, die schon seit zwei Jahren im Aufsichtsrat sitzt. Frau Nowotne steht dafür, dass Haniel nach Phasen der Expansion und Konsolidierung jetzt in Wachstum investiert. Und es ist ja damit nicht per se ausgeschlossen, dass der Aufsichtsratsvorsitz irgendwann wieder von der Familie besetzt wird.
Wird jetzt in den Hintergrund treten, dass Haniel ein Familienunternehmen mit tiefen Wurzeln in Duisburg und im Ruhrgebiet ist?
Natürlich nicht. Unsere Heimat ist der Franz-Haniel-Platz in Duisburg-Ruhrort. Das Bekenntnis haben wir abgegeben und dabei bleibt es.