Essen. Weil Krankenhäuser nicht ausgelastet sind, wird über Kurzarbeit nachgedacht. Ist das notwendig? Für manche Bereiche schon, so Klinikvertreter.
Weil Krankenhäuser nicht ausgelastet sind, wird an immer mehr Standorten über Kurzarbeit nachgedacht. Die Vertreter der Betriebskrankassen in NRW halten dies für eine „politisch ungewollte Regelungslücke“. Es könne nicht sein, dass Kliniken einerseits durch Corona-Rettungsschirme profitieren und gleichzeitig Personalkosten herunterfahren.
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Damit Kliniken in der Coronakrise nicht in eine finanzielle Schieflage geraten, wurde für sie zwar früh ein 9 Milliarden Euro schweres Rettungspaket erarbeitet. „Es darf jedoch nicht angehen, dass eine Klinik aus der Krise insgesamt profitiert, indem sie Mitarbeiter auf Kosten der Sozialversicherungssysteme nach Hause schickt und gleichzeitig garantierte Ausgleichszahlungen aus einem Rettungsschirm einfährt“, kritisiert Dirk Janssen, Vize-Vorstand des BKK-Landesverbands Nordwest mit Sitz in Essen. So entziehe man Personal, das für Notfälle gebraucht werden könnte.
Experte: Revier besser gewappnet
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Als einer der der ersten Klinikverbunde brachte die St. Elisabeth Gruppe Katholische Kliniken Rhein-Ruhr mit Standorten in Herne und Witten Anfang März Kurzarbeit für ihre Mitarbeiter ins Gespräch. Zwar rückte die Geschäftsführung später von der Idee ab, es folgten jedoch bundesweit Berichte über weitere Krankenhäuser, die eine Beantragung von Kurzarbeitergeld auch für Pflegekräfte und Ärzte erwägen – vom bayrischen Rosenheim über Hamburg bis Lüdenscheid in NRW, wo Mitarbeiter der Sportklinik Hellersen bereits seit Anfang März in Kurzarbeit sind.
Kurzarbeit: Was der Bund sagt
Nach Angaben der Bundesregierung wird Kurzarbeitergeld für Kliniken in der Corona-Krise nicht benötigt. Wenn Häuser planbare Aufnahmen und Operationen verschieben, erhalten sie für Erlösausfälle Ausgleichszahlungen.
Eine Anmeldung von Kurzarbeitergeld sei „zur Sicherung der Liquidität des Krankenhauses daher nicht erforderlich“.
Weil ein großer Teil der Betten für Corona-Fälle frei gehalten wird und viele Operationen verschoben worden sind, sind viele Kliniken derzeit nur bis zur Hälfte ausgelastet, wie die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) mitteilt. KGNW-Präsident Jochen Brink ist zwar froh, dass es bislang nicht zum großen Ansturm an Covid-19-Patienten gekommen ist. Gerade in der Medizin, der Pflege oder im Labor sollte Kurzarbeit aber vermieden werden. „Zum Krankenhausbetrieb gehört neben diesen originären Krankenhausbereichen allerdings noch vieles andere im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“, betont Brink. Ein Beispiel sei etwa die Krankenhausküche mit angeschlossener Cafeteria. „Hier kann es notwendig werden, über das Instrument der Kurzarbeit nachzudenken“, so der KGNW-Präsident.
Reichen 560 Euro für jedes freie Bett?
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Im Katholischen Klinikum Bochum wurden laut der Geschäftsführung bislang in ambulanten Versorgungsbereichen wie der Physiotherapie Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Im stationären Bereich sei dies jedoch kein Thema – wofür es laut Prof. Boris Augurzky, Gesundheitsexperte beim Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI auch wenig Gründe gibt.
„Die leerstehenden Betten, die manche Kliniken zur Kurzarbeit veranlassen könnten, werden ja jeweils mit 560 Euro pro Tag refinanziert“, betont Augurzky. Für die meisten Häuser sei das ein ausreichender Betrag – mit Ausnahme von spezialisierten Kliniken mit hohen Vorhaltekosten. Eine solche Klinik: Das Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. Selbst unter Berücksichtigung der Bettpauschale verbleibe dort ein Mindererlös von rund 50.000 Euro pro Woche, heißt es auf Anfrage.
Kleine und spezialisierte Kliniken haben mehr Probleme
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Bundesweit für Aufsehen sorgte die drohende Insolvenz des Herzzentrums Freiburg-Bad Krozingen,wo man deshalb einen Beitrag von 800 Euro pro Bett für notwendig hält. „In Kliniken mit vielen Abteilungen kann man die Verluste der hoch spezialisierten Bereiche dagegen kompensieren“, so Augurzky. Dies könne ein möglicher Grund dafür sein, warum aus Kliniken im Ruhrgebiet derzeit wenig Meldungen über Kurzarbeit nach außen drängen. „Hier gibt es tendenziell mehr große Krankenhäuser und viele, die in größeren Verbunden organisiert sind“, so Augurzky. Für kleinere Spezialkliniken müsse die Politik dagegen nachjustieren.
Deshalb fordern auch die Betriebskassen, bei der Krankenhausentlastung nachzubessern. Während bei den zeitlich später verabschiedeten Rettungsschirmen für Reha- und Pflegeeinrichtungen eine Doppelfinanzierung durch Anrechnung möglicher Kurzarbeitergelder ausgeschlossen worden sind, wurde dies bei den Kliniken offensichtlich nicht bedacht, betont der BBK-Landesverband Nordwest. Diese Lücke müsse man schließen.