Essen. Die Deutsche Post DHL sieht eine flächendeckende Ausstattung der Brief- und Paketzusteller mit Atemschutzmasken in der Corona-Krise kritisch.

Die Deutsche Post hat Bedenken gegen eine flächendeckende Ausstattung der Brief- und Paketzusteller in Deutschland mit Atemschutzmasken. „Bei einer Ausstattung aller Beschäftigten in Deutschland mit Masken rechnen wir mit einem Bedarf von einer Million Stück pro Woche“, sagte Thomas Schneider, der für das Bundesgebiet zuständige Betriebschef der Deutschen Post DHL, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir sehen eine flächendeckende Ausstattung unserer Zusteller mit FFP2-Masken kritisch, da zu erwarten ist, dass diese Masken dann in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen fehlen würden.“ Das Unternehmen habe bundesweit etwa 80.000 Brief- und 50.000 Paketzusteller. „Alle Beschäftigten mit Mundschutz auszustatten, wäre eine enorme Herausforderung, der wir uns aber stellen“, sagte Schneider. Die Deutsche Post DHL beobachte die aktuelle Empfehlungslage des Robert-Koch-Instituts sowie die aktuellen Anweisungen der Behörden sehr genau. Post-Manager Scheider erklärt in unserem Interview auch, warum die Post in der Corona-Krise auch am Sonntag Pakte zustellen und zunehmend Briefträger für das Paketgeschäft einsetzen will. Hier lesen Sie das Interview im Wortlaut:

Herr Schneider, in der Coronakrise verzeichnet DHL eine Flut von Paketsendungen. Stellen Sie sich auch für die kommenden Monate auf eine ungewöhnliche Lage ein?

Schneider: Es ist derzeit sehr schwer, Prognosen über die kommenden Monate zu treffen, wir haben uns aber schon frühzeitig zu Beginn der Krise mit möglichen Szenarien beschäftigt. Im Paketgeschäft erleben wir derzeit Rekordwerte für den Frühling. Es gibt eine Flut von Aufträgen durch Versandhändler. Gleichzeitig verschicken aktuell auch ungewöhnlich viele Privatkunden Pakete. Damit sind wir momentan ähnlich stark gefordert wie sonst in der Vorweihnachtszeit. Der Unterschied ist, dass wir uns auf die aktuelle Situation nicht langfristig vorbereiten konnten, sondern schnell reagieren mussten. Unsere Mitarbeiter leisten hier gerade Großartiges.

Auch wenn nun das Geschäft brummt: Könnte die Corona-Pandemie mancherorts die Zustellung gefährden?

Schneider: Derzeit gibt es durch die Corona-Pandemie selbst keine wesentlichen Einschränkungen der Brief- und Paketversorgung in Deutschland, und wir tun alles, um unsere Mitarbeiter und Kunden zu schützen. Der Umgang mit Einschränkungen in der Zustellung ist uns in besonderen lokalen Quarantäne-Gebieten bereits vertraut, etwa in Heinsberg. Es ist selbstverständlich, dass wir uns angesichts der Covid-19-Pandemie so gut es geht auf mögliche Auswirkungen auf unseren Betrieb vorbereiten. Aber durch die extrem hohen Paketmengen und die erforderlichen Corona-Schutzmaßnahmen kann es derzeit zu Verzögerungen bei der Abholung und in der Zustellung kommen.

Wie viele Zusteller fallen aufgrund von Coronavirus-Infektionen aus?

Schneider: Wir sind bisher sehr gut durch die Krise gekommen. Der Schutz unserer Mitarbeiter steht an erster Stelle. Natürlich können Sie davon ausgehen, dass es in einem Unternehmen unserer Größe auch Covid-19 Fälle geben wird. Der Anteil der in Deutschland erkrankten Beschäftigten unseres Unternehmens liegt allerdings unter dem Durchschnitt der insgesamt an Covid-19 Erkrankten im Land.

In aller Regel tragen Ihre Brief- und Paketzusteller keinen Mundschutz. Soll das so bleiben?

Schneider: Wir beobachten die aktuelle Entwicklung sehr aufmerksam und arbeiten eng mit den örtlichen Gesundheitsbehörden sowie Organisationen wie dem Robert-Koch-Institut zusammen, um die Empfehlungen umzusetzen. In Deutschland sind wir einer der größten Arbeitgeber. Wir haben etwa 80.000 Brief- und 50.000 Paketzusteller. Alle Beschäftigten mit Mundschutz auszustatten, wäre eine enorme Herausforderung, der wir uns aber stellen.

Hätten Sie denn genug Schutzmaterialien wie etwa Mundschutz?

Schneider: Bei einer Ausstattung aller Beschäftigten in Deutschland mit Masken rechnen wir mit einem Bedarf von einer Million Stück pro Woche. Wir sehen eine flächendeckende Ausstattung unserer Zusteller mit FFP2-Masken kritisch, da zu erwarten ist, dass diese Masken dann in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen fehlen

Thomas Schneider, der für das Bundesgebiet zuständige Betriebschef der Deutschen Post DHL: „Wir stellen gerade massiv neue Leute ein. Seit Anfang April haben wir bundesweit mehr als 2000 Vollzeitstellen zusätzlich geschaffen und besetzt, allein im Ruhrgebiet sind dies 250 neue Mitarbeiter.“
Thomas Schneider, der für das Bundesgebiet zuständige Betriebschef der Deutschen Post DHL: „Wir stellen gerade massiv neue Leute ein. Seit Anfang April haben wir bundesweit mehr als 2000 Vollzeitstellen zusätzlich geschaffen und besetzt, allein im Ruhrgebiet sind dies 250 neue Mitarbeiter.“ © Foto: DHL

würden. Trotzdem sind wir darauf vorbereitet, unsere Beschäftigten kurzfristig mit Textilmasken beziehungsweise Mundschutz auszustatten. Hier beobachten wir die aktuelle Empfehlungslage des Robert-Koch-Instituts sehr genau sowie die aktuelle Anweisungslage der Behörden.

Wie wollen Sie denn stattdessen den Schutz von Kunden und Mitarbeitern gewährleisten?

Schneider: Unsere Mitarbeiter halten sich strikt an die Regel, zwei Meter Abstand zu halten. Unser Fachkräfte für Arbeitsschutz sind rund um die Uhr in allen Betriebsstätten unterwegs, um Maßnahmen zum Schutz unserer Beschäftigten umzusetzen. Eine Unterschrift der Kunden bei der Paketzustellung ist aktuell nicht erforderlich. Regelmäßiges Händewaschen gehört für unsere Belegschaft zum Arbeitsalltag. Außerdem stellen wir zusätzlich Desinfektionsmittel sowie Wasserkanister mit Seife für die Zustellfahrzeuge bereit, um für eine gute Hygiene zu sorgen.

Mancherorts in Deutschland kommen Sie bei der Paketzustellung an Kapazitätsgrenzen. Brauchen Sie weitere Mitarbeiter?

Schneider: Wir stellen gerade massiv neue Leute ein. Seit Anfang April haben wir bundesweit mehr als 2000 Vollzeitstellen zusätzlich geschaffen und besetzt, allein im Ruhrgebiet sind dies 250 neue Mitarbeiter. Darüber hinaus wollen wir bundesweit weitere 2000 Arbeitsplätze in den nächsten Wochen aufbauen.

Können Sie Beschäftigte aus Branchen einsetzen, in denen aktuell aufgrund der Coronakrise der Betrieb stillsteht?

Schneider: Ja, unsere neuen Mitarbeiter kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Branchen. Zurzeit arbeiten auch viele Studierende bei uns. Es ist eine große Herausforderung, die vielen neuen Kollegen einzuweisen.

Setzen Sie eigentlich auch Briefzusteller im Paketgeschäft ein?

Schneider: Bereits heute wird mehr als jedes zweite Paket zusammen mit Briefen vom gleichen Postboten ausgeliefert. Unser Ziel ist es, die Zahl deutlich zu erhöhen. Wir streben eine engere Verzahnung der Bereiche Brief und Paket an. Während die Mengen bei den Briefen zurückgehen, arbeiten viele Paketzusteller in Corona-Zeiten an der Belastungsgrenze. Es schafft Entlastung, wenn kleinere Pakete von den Briefzustellern ausgetragen werden. Dies wollen wir insbesondere in Großstädten künftig häufiger tun. Bundesweit bringen unsere Fuß- und Fahrradzusteller bereits rund 200.000 Pakete pro Tag zu den Kunden – Tendenz stark steigend. Darüber hinaus arbeiten derzeit rund 200 Sortierkräfte aus den Briefzentren im Paketdienst.

Sie würden angesichts der Coronakrise in manchen Regionen gerne auch am Sonntag Pakete zustellen. Bekommen Sie dafür grünes Licht der Behörden?

Schneider: Es wäre hilfreich, wenn wir einen weiteren Tag bekommen könnten, um in der aktuellen Situation der Flut der Pakete Herr zu werden. Um Versorgungsengpässe zu vermeiden, haben wir in manchen Regionen bereits Anträge bei den zuständigen Behörden gestellt, damit wir ausnahmsweise auch am Sonntag Pakete zustellen können, so etwa in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Bislang sind wir auf Ablehnung gestoßen. Wir erwägen allerdings, Anträge in weiteren Regionen Deutschlands zu stellen, beispielsweise in Bayern im Raum München, aber auch in weiteren Bundesländern. Wir sehen in der Sonntagszustellung ein gebotenes Mittel, um in einer besonderen Situation einen Kollaps des Paketsystems zu vermeiden und würden uns freuen, wenn die Politik uns hier mit einer temporären Erlaubnis unterstützen würde.