Essen. Ein Anruf beim Arzt reicht für zwei Wochen Krankschreibung. Wird die Vorsichtsmaßnahme von einigen Arbeitnehmern ausgenutzt, um “krankzufeiern“?
Was früher zwingend mit einem Arztbesuch einherging, klappt seit März unkompliziert am Telefon: Die Krankmeldung. Als Reaktion auf das Coronavirus können sich Patienten mit leichten Erkrankungen der oberen Atemwege nach einem Telefonat mit ihrem Arzt für zwei Wochen krankschreiben lassen. Durch den Beschluss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung sollen Ärzte entlastet und eine potenzielle Verbreitung des Virus eingedämmt werden.
Laut der Krankenversicherung Barmer sei die Anzahl der Krankschreibungen aufgrund akuter Atemwegserkrankungen unter den bundesweit neun Millionen Barmer-Versicherten in den vergangenen Wochen massiv angestiegen. Während in der zehnten Kalenderwoche (2. bis 6. März) 95.000 Versicherte mit Atemwegsproblemen arbeitsunfähig waren, traf dies in der zwölften Kalenderwoche (16. bis 20. März) bereits auf 135.000 Krankenversicherte der Barmer zu. Dies entspricht einem Anstieg von rund 42 Prozent innerhalb von zwei Wochen.
Diagnostik liegt immer noch in der Hand der Ärzte
Den Verdacht, Arbeitnehmer könnten die telefonische Krankmeldung nutzen, um sich fälschlicherweise den „gelben Schein“ zu holen, könne die Barmer nicht bestätigen. „Die Diagnostik liegt – auch bei der telefonischen Krankschreibung – in der Hand der Ärzte.“ Dennoch falle die Zahl der bisherigen Bescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit wegen Atemwegsproblemen im Vergleich zu den vergangenen Jahren höher aus. Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer in Nordrhein-Westfalen erwartet einen weiteren Anstieg: „In den kommenden Wochen dürfte die Zahl der Krankmeldungen noch deutlich zunehmen. Die telefonische Krankschreibung ist für Menschen mit Atemwegsproblemen von Vorteil.“
Evonik etwa habe seine Mitarbeiter gebeten, bei Erkältungssymptomen zu Hause zu bleiben. „Im März lag der Krankenstand bei den Tagschichtbeschäftigten in Deutschland zwar über dem Jahresdurchschnittswert, aber dieser Effekt ist an sich nicht neu. Das war auch in den Vorjahren häufig so“, erklärt Randolf Bursian, Leiter des Personalmanagements.