Siegen. Der Bundespräsident a.D. Christian Wulff (CDU) appelliert bei der IHK-Jahresveranstaltung an die Wirtschaft, sich für Demokratie zu engagieren.
In das politische Tagesgeschäft ist Christian Wulff schon eine ganze Weile nicht mehr eingebunden. Umso gespannter erwarteten rund 1500 Gäste beim Jahresempfang der IHK Siegen in der Siegerlandhalle, was der 60-jährige ehemalige Bundespräsident denn noch zu sagen haben könnte.
Es war eine Menge. Es war staatsmännisch und bodenständig. Wulff schärfte mit Leidenschaft den Blick dafür, dass Deutschland und nicht zuletzt erfolgreiche Regionen wie das Sauer- und das Siegerland herausragende Positionen in der Welt einnehmen, nicht nur ökonomisch. Bei allem Krisengerede: „Wir leben in einem richtig tollen Land!“
Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland
Christian Wulff (60) ist Rechtsanwalt und CDU-Politiker. Von 2003 bis 2010 war der Osnabrücker Ministerpräsident des Landes Niedersachsen.
Von 2010 bis 2012 bekleidete Christian Wulff als Bundespräsident das höchste deutsche Staatsamt. Als Präsident sorgte der Katholik mit der Aussage „Der Islam gehört zu Deutschland“ für Aufsehen.
2012 trat er vom Amt des Bundespräsidenten zurück, nachdem ihm u.a. Vorteilsnahme vorgeworfen worden war. Ein entsprechendes Gerichtsverfahren endete mit einem Freispruch.
Als Bundespräsident a. D. repräsentiert Wulff die Bundesrepublik bei verschiedenen Anlässen wie 2019 bspw. bei der Vereidigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Mit Blick in den Saal, auf die vielen erfolgreichen Mittelständler der Region, erinnerte Wulff daran, dass Unternehmer sein mehr bedeutet als reiner Kapitalismus. Der Politiker warb auch für seine „Branche“. Demokratie lebe davon, dass sich Bürgerinnen und Bürger für sie engagieren. „Sie sind mehr gefordert als bisher – für die Demokratie“, forderte Wulff politisches Engagement aus der Mitte der Gesellschaft: „Überlassen Sie den Rändern nicht das Feld, alles mies zu machen. Zeigen Sie Zivilcourage“, lautete einer von Wulffs Appellen. Der Alt-Bundespräsident möchte mehr Optimismus verbreiten. Und es schien ihm an diesem Abend zu gelingen.
Anti-Krisen-Zeichen sichtbar
Dass es tatsächlich weit weniger düster um Deutschland steht, als man in den letzten Wochen und Monaten mitunter glauben mochte, belegen die jüngsten Zahlen aus dem Kammerbezirk. Ja, die Wirtschaft erlebte 2019 nach einer Aufschwungdekade einen Dämpfer. Und ja, das traf auch die Unternehmen im Kammerbezirk, erinnerte IHK-Präsident Felix G. Hensel. Mit einem Minus von drei Prozent liegt der Kreis Siegen-Wittgenstein im Landesschnitt, der Kreis Olpe hat nach der jüngsten Konjunkturumfrage unter dem Strich gar nichts an Wirtschaftskraft verloren.
Auch Hensel verbreitete Optimismus für 2020 und machte dies ganz konkret fest: „Die Beibehaltung oder sogar Ausweitung des Personalbestands ist ein Anti-Krisen-Zeichen.“ Dass es der Region sehr gut gehe, daran habe auch die prosperierende Universität Siegen unter der Regie von Rektor Professor Dr. Holger Burckhart ihren Anteil. „Sie spielt eine immer größere Rolle für die Wirtschaft“, betonte Hensel.
Als Manko betrachtet die IHK, dass es kaum Spitzenforschung über die Universitätsgrenzen hinaus gebe. „Kein Helmholtz, Leibniz-, Max-Planck- oder Fraunhofer-Institut hat hier seinen Sitz. Das zu ändern wäre wichtig.“ Abgesehen von einem Standort in Schmallenberg (Fraunhofer) und der Privatinitiative Campus Buschhütten (Achenbach Buschhütten) könnte Südwestfalen hier durchaus mehr vertragen.
Auf dem Weg in die Energiefalle
Kritik übte der Präsident an der Soli-Belastung der oberen zehn Prozent der Steuerpflichtigen. Große Sorge bereite den Unternehmen und der Kammer der zeitnahe Ausstieg aus der Kohle und der Atomstromversorgung bei gleichzeitigem Ausbau von Netzen und Speichermöglichkeiten im Schneckentempo.
Zu kritisieren gibt es schon Einiges. Dennoch klingt Wulffs Vorschlag an diesem Abend überzeugend: „Gehen Sie mit einem optimistischen Lächeln in das Jahr 2020!“ Warum eigentlich nicht?