Iserlohn/Wörth. Die Kirchhoff-Tochter Faun produziert die weltweit ersten Müll- und Kehrfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb. Nicht nur gut für die Innenstädte.

Die Kirchhoff-Gruppe bringt über ihre Tochtergesellschaft Faun als erstes deutsche Unternehmen in Serienproduktion Müll- und Kehrfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb auf den Markt. Präsentiert wurde der Bluepower jetzt im Mercedes-Benz Werk in Wörth bei Karlsruhe, gebaut werden sie im Werk in Osterholz-Scharmbeck.

Insbesondere für Städte, die von möglichen Dieselfahrverboten betroffen sind, ist die Brennstoffzellentechnik hoch interessant, weil die Fahrzeuge emissionslos unterwegs sind, wenn sie den Müll abholen oder die Straße kehren. Gleichzeitig verfügen sie über eine deutlich höhere Leistung als batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge, was gerade in bergigen Gegenden entscheidend für den Einsatz ist. Gleichzeitig sind die Brennstoffzelle und der Wasserstofftank am Fahrzeug um ein Vielfaches leichter als eine vergleichbar starke Batterie, so dass mehr Nutzlast verfügbar bleibt.

Echte Kreislaufwirtschaft in Wuppertal

Es überrascht nicht, dass die Abfallwirtschaftsgesellschaft Wuppertal (AWG), die in topographisch schwierigem Gebiet unterwegs ist (Wuppertal, Remscheid, Velbert) zu den ersten Kunden für eines der 22 Bluepower-Fahrzeuge gehört, die in diesem Jahr ausgeliefert werden sollen. An der Wupper geht es um ein ganzheitliches Konzept der Nachhaltigkeit. Am eigenen Müllheizkraftwerk wird Wasserstoff (H2) erzeugt, mit dem die kommunalen Busse und eben die Müllabfuhr mit dem Bluepower für eine echte Kreislaufwirtschaft sorgen, denn der Bluepower gibt den gesammelten Müll am Müllheizkraftwerk ab und tankt gleichzeitig Wasserstoff, der aus der Stromerzeugung des Müllheizkraftwerkes produziert wird, für die nächste Tour.

Der Preis für die sauberen Müllfahrzeuge könnte manche Kommune vielleicht abschrecken: Aktuell liegen die Anschaffungskosten bei rund 800.000 Euro. Das ist eine halbe Million Euro mehr als für ein herkömmliches, mit Diesel betriebenes Fahrzeug. Allerdings: Bis zu 80 Prozent der Mehrkosten, also 400.000 Euro, können kommunale Betriebe als Fördergelder vom Bund bekommen, wenn Sie sich entscheiden, künftig lautlos und emissionsfrei den Müll abzuholen.

Kirchhoff Ecotec: 2030 nur noch Hybrid-Fahrzeuge

Kirchhoff Ecotec beschäftigt rund 1800 Mitarbeiter weltweit.

Bei Faun in Osterholz sind davon 450 beschäftigt. Im norddeutschen Werk werden jährlich rund 1200 als Müllfahrzeuge oder Kehrmaschinen umgerüstet.

Seit 2010 mit dem Dualpower auch ein Hybrid mit batterieelektrischem Antrieb. Seit 2011 entwickelt Faun am Brennstoffzellenantrieb für Müllfahrzeuge bzw. Kehrmaschinen. Mit dem Bluepower wird Kirchhoff Ecotec vom Umrüster zum Hersteller von Nutzfahrzeugen.

Die Skepsis wegen des unter 700 bar Druck stehenden Wasserstofftanks, zerstreut das Unternehmen. Die Tanks seien sogar beschusssicher.

Ziel ist es, bis ca. 2030 nur noch Hybrid-Fahrzeuge auszuliefern.

Der Ausbau eines H2-Tankstellennetzes in Deutschland wächst. Rund einhundert Tankstellen für Pkw gibt es laut H2-Mobility, die den Ausbau vorantreiben.

Dass die offizielle Premiere für den Blue Power jetzt im modernen Mercedes-Benz-Werk in Wörth stattfand, kommt nicht von ungefähr. Faun nutzt das Chassis des Mercedes-Econic als Basis für die neuen Fahrzeuge. Daimler liefert der Kirchhoff-Tochter die Econics ohne Motor und Antriebsstrang, so dass sie ohne Probleme und unnötig hohe Kosten umgebaut werden können. Daimler selbst konzentriert sich bei den emissionsfreien Antrieben zunächst auf die Lieferfahrzeuge E-Actros und E-Fuso. Ein E-Antrieb für den Econic ist laut Unternehmen lediglich in Vorbereitung.

Entwicklung hat 2011 begonnen

Faun dagegen hat bereits 2010 mit dem Dualpower ein Hybrid-Fahrzeug auf den Markt gebracht, das einen batterieelektrischen Antrieb als Ergänzung an Bord hat.

Dr. Johannes Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe mit Sitz in Iserlohn und Attendorn, ist von der Brennstoffzellentechnik überzeugt: „Wasserstoffantriebe haben viel mehr Entwicklungspotenzial als batteriebetriebene.“
Dr. Johannes Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe mit Sitz in Iserlohn und Attendorn, ist von der Brennstoffzellentechnik überzeugt: „Wasserstoffantriebe haben viel mehr Entwicklungspotenzial als batteriebetriebene.“ © FFS | Kai Kitschenberg

Jetzt, 10 Jahre später, stellt der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Johannes Kirchhoff die nächste Evolutionsstufe vor. „Mit den ganzen Daten, die wir bei der Müllentsorgung sammeln, konnten wir die Fahrzeuge optimal für die speziellen Touren auslegen. Jede Tour ist anders, benötigt mehr oder weniger Energie, je nach Topographie des Gebietes und der einzusammelnden Abfall-Wertstoffart. Bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor spielt das keine Rolle, da man mit einem großen Dieseltank immer genug Energie dabei hat. Bei einem E-Antrieb mit begrenzter Batteriekapazität ist das anders. Die daraus entstehenden neuen Anforderungen können wir nun mit dem Range Extender genau bedienen.“

Faun hat 2011 mit der Entwicklung der Technologie begonnen. „Wasserstoffantriebe haben viel mehr Entwicklungspotenzial als batteriebetriebene“, ist Johannes Kirchhoff überzeugt – sonst wäre die Kirchhoff-Gruppe auch wohl kaum das hohe Risiko eingegangen, selbst zum Fahrzeughersteller zu werden.