Menden. MPG Präzisionsrohr ist ein sehr energieintensives Unternehmen. Spätestens 2030 wollen die Mendener dennoch klimaneutral produzieren.

Aufträge im Zusammenhang mit Kohleverstromung zu übernehmen, ist mittlerweile durchaus r unumstritten, wie man seit Siemens weiß. Das Mendener Unternehmen MPG Präzisionsrohr arbeitet gerade an zwei Aufträgen für Kohlekraftwerke. Es geht um neue Rohre für Kondensatoren in einer russischen Anlage und im Braunkohle-Kraftwerk Boxberg in der Lausitz. Das zunächst Widersprüchliche: MPG-Geschäftsführer Andreas Gahl ist ein Befürworter Erneuerbarer Energien und Ressourcenschonung zur CO2-Reduktion: „Ich bin dafür, dass Energiegewinnung aus Kohle abgeschafft wird, auch wenn es uns als Unternehmen schadet.“

Ein Dutzend Mendener Firmen startet ein eigenes Energieeffizienz-Netzwerk in Kooperation mit den Stadtwerken und der SIHK. Angestoßen hat das Projekt Andreas Gahl, Geschäftsführer des Mendener Unternehmens MPG Präzisionsrohr.
Ein Dutzend Mendener Firmen startet ein eigenes Energieeffizienz-Netzwerk in Kooperation mit den Stadtwerken und der SIHK. Angestoßen hat das Projekt Andreas Gahl, Geschäftsführer des Mendener Unternehmens MPG Präzisionsrohr. © WP | Stadtwerke Menden

Den scheinbaren Widerspruch zwischen persönlicher Haltung und Geschäft löst Gahl so auf: Die neuen Rohre von MPG sollen dafür sorgen, dass die Kondensatoren der Kohlekraftwerke für den Rest ihrer Laufzeit fünf bis zehn Prozent effizienter funktionieren - also auch hier Ressourcen schonen.

Energieeffizienz ist ein Dauerthema für den 55-jährigen promovierten Betriebswirt. Es bewegt ihn quasi bereits sein gesamtes Berufsleben lang. Erst als Berater für Unternehmen und Stadtwerke. Seit 2004 in seiner eigenen Firma in Menden, die er mit einem Partner aus der Insolvenz kaufte. Mit alten Maschinen in alten Hallen und 50 Mann Belegschaft (heute 150) und als Branchenneulinge haben sie damals begonnen - und sich auf die Suche gemacht, wie die energieintensive Produktion effizienter laufen könnte.

Mit großen Maßnahmen: Ein altes Blockheizkraftwerk (Kraft-Wärme-Kopplung) wurde wieder in Betrieb genommen. Auf dem Dach der 400 Meter langen und 20 Meter breiten Produktionshalle wurde eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 600 Kilowattstunden installiert.

Wieso der Teufel liegt im Detail liegt

Und in kleinen Schritten: Die Sägeblätter für Rohmaterial wurden dünner. „So fallen weniger Metallspäne an, die wir wieder einschmelzen müssen. Auch das spart Energie. Der Teufel liegt im Detail“, sagt Gahl. Die Schrottfläche, an denen die Rohre durch eine der Anlagen gezogen werden, konnte mit etwas Überlegung von rund 30 auf 15 Zentimeter halbiert werden. Auch hier wird entsprechend beim Wiedereinschmelzen weniger Energie verbraucht. Pro Kilogramm Rohmaterial spart MPG nach eigenen Angaben heute bis zu 25 Prozent Strom und 40 Prozent Gas gegenüber den Anfängen vor 15 Jahren. „Das entspricht ungefähr drei Millionen Kilowattstunden pro Jahr, also etwa dem Jahresverbrauch von eintausend Haushalten“, sagt Geschäftsführer Gahl.

Weniger „angespitzte“ Fläche zum Einspannen der Rohre bedeutet weniger Energieverbrauch beim Einschmelzen des Schrotts.
Weniger „angespitzte“ Fläche zum Einspannen der Rohre bedeutet weniger Energieverbrauch beim Einschmelzen des Schrotts. © WP- Jens Helmecke | Jens Helmecke

Daneben erzeugt die Mendener Firma mit Ihrer Aufdach-Solaranlage jedes Jahr den Strom für ca. 170 Haushalte. 2013 wurde die Kraft-Wärmekopplung erneuert und ausgebaut, so dass jährlich weitere ca. 950.000 kWh Strom (Verbrauch von ca. 300 Haushalten) mit dieser hocheffizienten Technologie selbst erzeugt wird. „Und damit sind wir noch lange nicht am Ende“, so Geschäftsführer Andreas Gahl.

Permanent werde nach weiteren Einsparpotenzialen gefahndet. Demnächst soll die Hallenheizung so verändert werden, dass nur noch punktuell dort Wärme freigesetzt wird, wo gearbeitet wird. Die Energiewende könne gelingen. Zuerst muss Energie durch gesteigerte Effizienz aller Prozesse eingespart werden, der Rest müsse dann mit regenerativen Energien gedeckt werden.

Energieeffizienz-Netzwerk geht in Menden an den Start

Ideen zur Energieeffizienz sammelte die Firma MPG die vergangenen vier Jahre auch im Energieeffizienz-Netzwerk Südwestfalen, einem von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer begleiteten Projekt, an dem zehn Unternehmen aus dem Kammerbezirk teilnahmen, sich regelmäßig austauschten, um voneinander zu lernen, effizienter mit Energie umzugehen – höchst erfolgreich. Das Projekt lief Ende 2019 aus. Also hat Andreas Gahl gemeinsam mit der SIHK und den Stadtwerken Menden ein neues, lokales Energieeffizienz-Netzwerk angeleiert. 15 Firmen wurden angesprochen, immerhin 13 machen mit. (Siehe Infobox).

Das Mendener Energieeffizienz-Netzwerk

An der Gründung des Mendener Netzwerks sind diese Firmen und Institutionen beteiligt:

Die BEGA Gantenbrink-Leuchten, die Effizienz-Agentur NRW, die EnergieAgentur.NRW, Ewald Rostek Oberflächentechnik, Fischer Hydroforming, HME Copper Germany, HJS Emission Technology, MPG Mendener Präzisionsrohr, NCB Lohmann, OBO Bettermann, Rüther Metalltechnik, Schött-Druckguß, Schulte Verpackungs-Systeme sowie die Stadtwerke Menden und die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer Hagen.

Es sei heute schon in Unternehmen viel möglich. Und es sei ökonomisch rational, jetzt möglichst viel für das Klima zu tun, denn in zehn Jahren werde es wesentlich teurer, so Gahl, der mit seinem Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen will. In diesem Jahr werde bilanziell voll auf Ökostrom umgestellt. „2030 wollen wir klimaneutral produzieren. Das kostet uns ungefähr 200.000 bis 250.000 Euro mehr, also nicht die Welt“, findet der MPG-Chef, der übrigens damit rechnet, dass der endgültige Ausstieg aus der deutschen Kohleverstromung sogar vor 2038 passieren könnte. MPG sucht sich bereits neue Geschäftsfelder. Man wolle nicht nur in Menden etwas für das Klima tun, sondern „in Zukunft unsere Umsätze möglichst in den Bereichen machen, die politisch sinnvoll sind“.