Essen. Adecco-Studie: Unternehmen fördern zu selten Fort- und Weiterbildung. Die Wirtschaft ist schlecht auf den Wandel der Arbeitswelt vorbereitet.

Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt in den 20er-Jahren stark verändern, in Teilen gar auf den Kopf stellen. Doch die meisten Unternehmen zögern nach wie vor, sich darauf einzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Düsseldorfer Personaldienstleisters Adecco Deutschland zur Fort- und Weiterbildung, die unserer Zeitung vorliegt.

Dass viele Arbeitsplätze den neuen Automatisierungs-Sprüngen und immer besseren digitalen Dienstleistungen zum Opfer fallen, ist breiter Konsens in allen Prognosen. Ebenso, dass gleichzeitig viele neue Arbeitsplätze entstehen und die meisten bestehenden sich stark verändern werden. Für viele bieten sich daher Fort- und Weiterbildungen an, um die zusätzlich benötigten Fähigkeiten zu erlernen. Einige Tätigkeiten werden sich so radikal verändern, dass nur echte Umschulungen helfen.

Nur jede achte Firma fördert Fortbildung

Gemessen an der Intensität der seit Jahren geführten Debatte über die Folgen der Digitalisierung ist das Ergebnis der Adecco-Studie sehr enttäuschend: Demnach bereiten sich die Unternehmen in den meisten Branchen völlig unzureichend darauf vor. Nur jede achte Firma (13 Prozent) bietet überhaupt Fortbildungen an, nur eines von hundert Unternehmen fördert explizit Umschulungen. „Das überrascht, da die Umschulung eines bestehenden Mitarbeiters 25 Prozent günstiger ist als die Einstellung eines neuen Mitarbeiters“, heißt es in der Analyse.

Weiterbildungen für Zusatzqualifikationen wie IT-Kenntnisse oder neue Sprachen fördert immerhin jedes dritte Unternehmen. Und sechs Prozent der Arbeitgeber stellen gezielt Quereinsteiger ein, die sie dann im Job für ihre neue Tätigkeit qualifizieren. Dies geschieht vor allem in Branchen, die bereits heute über einen Mangel an Fachkräften und Nachwuchs klagen.

Bau- und Handwerksfirmen liegen hinten

In den einzelnen Tätigkeitsfeldern ist die Bereitschaft der Arbeitgeber, ihre Mitarbeiter fort- oder weiterzubilden, sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die meisten Weiterbildungen gibt es im Personalwesen, hier fördert fast jedes zweite Unternehmen (45 Prozent) das Erlernen neuer Qualifikationen, die über das eigene Fachgebiet hinausgehen. Auch Unternehmensberater werden häufig weitergebildet (39 Prozent), dicht gefolgt von IT- und Telekommunikations-Fachkräften (38 Prozent) sowie den Beschäftigten in technischen Berufen (36 Prozent). Schlusslicht ist das Hotel- und Gastgewerbe mit 24 Prozent.

Fortbildungen innerhalb des berufsspezifischen Spektrums gibt es vor allem in den Gesundheits- und Sozialberufen – jedes fünfte Unternehmen (21 Prozent) praktiziert das in dieser Branche. Eine Auffrischung oder Erweiterung der Fachkompetenzen fördern auch Anwaltskanzleien und Steuerberater zu je 20 Prozent weit überdurchschnittlich. Kaum Wert auf Fortbildung legen dagegen Bau- und Handwerksfirmen, Hoteliers und Gastronomen sowie Transport- und Logistikunternehmen (jeweils nur sieben Prozent).

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Die Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, sind riesig. Die Wirtschaft benötigt mehr gut ausgebildete Arbeitskräfte. Es wird wichtiger werden, sich regelmäßig weiterzubilden“, sagt Adecco-Deutschlandchef Peter Blersch. Der Zeitarbeitsriese bietet seinen Mitarbeitern nach eigener Aussage selbst verschiedene Weiterbildungsprogramme an, neu gestartet wird laut Blersch aktuell eines für Ingenieure.

Für Weiterbildungen gibt es in manchen Betrieben vielfältige Angebote, in den meisten aber gar keine.
Für Weiterbildungen gibt es in manchen Betrieben vielfältige Angebote, in den meisten aber gar keine. © dpa | Christin Klose

Die Sonderauswertung des Personaldienstleisters aus seinem deutschen Stellenindex gibt Aufschluss über die Fort- und Weiterbildungsangebote in mehr als 177.000 Unternehmen aus den verschiedensten Branchen. „Der deutsche Arbeitsmarkt ist kaum auf den Wandel der Arbeitswelt vorbereitet“, lautet das ernüchternde Fazit.

Denn die Umbrüche in der Arbeitswelt werden enorm sein, wie etliche Prognosen, etwa des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur zeigen. Demnach fallen bis 2035 allein in NRW durch die Digitalisierung fast 300.000 Jobs weg, fast ebenso viele entstehen neu. Adecco geht davon aus, dass im Jahr 2025 sechs von zehn Unter-30-Jährigen Jobs haben, die heute noch gar nicht existieren. Sei es, weil es zusätzliche Arbeitsplätze in wachsenden Branchen sind oder Jobs, deren Profil sich völlig verändert hat.

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Das mangelnde Tempo Deutschlands bei der Umstellung auf eine zunehmend digitale Arbeitswelt zeitigt bereits heute negative Auswirkungen: Im Ranking der wettbewerbsfähigsten Länder des Weltwirtschaftsforums ist die Bundesrepublik 2019 vom dritten auf den siebten Platz abgerutscht. Die Gründe dafür finden sich in den einzelnen Kategorien – was heraussticht, ist der miserable 36. Platz bei der Standort-Qualität in der Informations- und Kommunikationstechnologie.