Dortmund. Der Bäckerinnungsverband Westfalen-Lippe hat seine höchste Auszeichnung, den Großen Stutenkerl, Bundesministerin Julia Klöckner verliehen.
Zwei hochrangige Politiker ganz nach dem Geschmack des Bäckerhandwerks: Julia Klöckner (CDU), Bundesernährungsministerin, und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sparten bei der Verleihung des „Großen Stutenkerls“ durch den Bäckerinnungsverband Westfalen-Lippe am Mittwoch in Dortmund nicht mit wertschätzenden Worten für das Handwerk des Bäckers.
Laschet im Vorjahr und Klöckner in diesem wurden aber nicht für warme Worte ausgezeichnet, sondern für ihre, aus Sicht des Verbandes, besonders mittelstands- und handwerksfreundliche Politik. Landesinnungsmeister Jürgen Hinkelmann nennt hier die Entfesselungspakete zum Bürokratieabbau und die Einführung des Azubitickets mit Blick auf die Landesregierung und den „Nutriscore“, eine bundesweite Nährwertkennzeichnung, die im kommenden Jahr eingeführt werden soll, und bei deren Verwendung durch die Unternehmen der Lebensmittelbranche Klöckner auf Freiwilligkeit setzt. Hinkelmann begrüßt genau diese Freiwilligkeit der Selbstverpflichtung und versichert, „dass wir aktiv daran mitarbeiten werden, beispielsweise Salz in der Produktion zu reduzieren.“
650 Betriebe in NRW
Der Bäckereiinnungsverband Westfalen-Lippe vertritt und berät rund 650 Betriebe mit über 26.000 Beschäftigten.
Der Gesamtjahresumsatz lag zuletzt bei 1,347 Milliarden Euro. Der durchschnittliche Umsatz pro Betrieb bei knapp zwei Millionen Euro.
Tendenziell nimmt die Zahl der Betriebe laut Verband jährlich zwischen drei und fünf Prozent ab. Die Zahl der Filialen und Beschäftigten ist dabei gleichbleibend, die Umsätze leicht steigend.
Vorschriften und Gesetze gibt es nach Ansicht des Handwerk ohnehin reichlich genug. Und trotzt mancher Erleichterung wie der Abschaffung der Hygieneampel in NRW, gärt die Unzufriedenheit mit der Politik in der Branche. „Manchmal hat man das Gefühl, dass Mittelstand in Deutschland nicht mehr gewünscht ist“, sagt Verbandsgeschäftsführer Michael Bartilla. Für anwesende Stutenkerl-Träger gilt dies selbstredend nicht.
Bundesministerin Klöckner wird etwa hoch angerechnet, dass sie beim Produzenten wie Verbraucher auf Mündigkeit setze – allerdings nimmt sieht sie dies auch als Verpflichtung, wenn es um gesunde Ernährung und hochwertige Produkte geht: „Die Preise für Lebensmittel sind zum Teil geradezu unanständig“, kritisiert Klöckner den Handel, aber genauso diejenigen, die diese Billigware kaufen. „Für Handys geben viele Menschen Hunderte Euros aus, aber beim Bäcker wird um jeden Cent beim Brötchen gefeilscht.“
Und dann soll es ab dem 1. Januar auch noch für jedes Brötchen einen Bon geben, wenn aus dem Bundesfinanzministerium nicht noch flott eine Branchenfreistellung komme, kritisiert Landesinnungsmeister Hinkelmann: „Wir fallen ins letzte Jahrhundert zurück. Beim Arzt soll es kein Rezept mehr auf Papier geben, und wir sollen demnächst einen Haufen umweltschädliches Thermopapier ausdrucken.“
Klar, dass Ministerin Klöckner die Gelegenheit nutzt: „Ich kenne keinen, der das Bäckerhandwerk nicht mag – außer vielleicht ein paar Sozialdemokraten.“ Und: „Der schnelle Applaus für die Vielzahl der eingebrachten Gesetze ist am Ende kein Gradmesser für Erfolg.“ Ein Blick auf Umfragewerte des Koalitionspartners scheint ihr hier irgendwie recht zu geben. Aber bei der höchsten Verleihung der Bäckerhandwerks in Westfalen-Lippe geht es ja nicht darum, welche Partei gerade kleine Brötchen backen muss, sondern welcher Politiker sich durch Handeln die Wertschätzung des Handwerks erworben hat – unter den 30 Vorgängern von Klöckner war Jürgen Möllemann 1988 der erste. Auch Helmut Kohl steht in der Liste, wie Johannes Rau oder der frühere NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider.