Hagen/Luzern. Der Schweizer Spezialstahl-Konzern Schmolz+Bickenbach leidet unter Absatz- und Umsatzeinbrüchen. Personalabbau an DEW-Standorten in NRW.

Der Spezialstahlhersteller Schmolz und Bickenbach (S+B) und das Tochterunternehmen Deutsche Edelstahlwerke (DEW) mit fünf Standorten in Nordrhein-Westfalen erleben laut Vorstandsvorsitzendem (CEO) Clemens Iller zur Zeit „einen perfekten Sturm, momentan vielleicht sogar einen Hurricane“.

10 Millionen Euro für Personalabbau

Die Krise in der Stahlindustrie sei noch ausgeprägter als erwartet. An den Standorten Witten, Hattingen, Hagen, Siegen und Krefeld wird nach demnach in Kurzarbeit gearbeitet. Leiharbeit wurde weitgehend abgebaut. An den DEW-Standorten soll über fünf Jahre Personal reduziert. Dafür wurden im dritten Quartal noch einmal zehn Millionen Euro an Rückstellungen eingeplant.

„Wir nutzen alle relevanten Möglichkeiten. Es soll keinen Big Bang geben. Wir versuchen kontinuierlich abzubauen, ohne betriebsbedingte Kündigungen“, versichert Iller gegenüber der WESTFALENPOST. Genutzt werden die normale Fluktuation, Altersteilzeitmodelle und Freiwilligenprogramme. Durch die aktuelle Situation des Konzerns dürfte der Druck steigen, die „Produktivitätslücke“ (Iller) noch schneller zu schließen.

Nach üblicherweise schwächerem Sommergeschäft hat das sich das dritte Quartal für den Stahlhersteller extrem negativ entwickelt (siehe Infobox). Umsatz und Gewinne brachen gegenüber dem Vorjahr förmlich ein. Kurzfristig werde sich an der Situation nichts ändern, auch wenn sich der Abwärtstrend zuletzt etwas verlangsamt habe. „Wir erwarten 2019 keine Verbesserung der Auftragslage mehr“, sagt Iller. Das vierte Quartal des Geschäftsjahres laufe auch nicht besser als das dritte Quartal. Zu den wichtigsten Kunden von Schmolz+Bickenbach und auch DEW gehören Maschinen- und Anlagenbauer und vor allem die im Umbruch befindliche und schwächelnde Automobilindustrie. Allein beim Qualitäts- und Edelbaustahl sank der Absatz im dritten Quartal um 17 Prozent, auch der Verkauf von Werkzeugstahl war rückläufig. Allein der Verkauf von rost-, säure- und hitzebeständige Stahl (RSH) stieg um 2,6 Prozent an, allerdings seien auch hier wegen geringerer Gewinnmargen Verluste verbucht worden, erklärte Finanzvorstand Matthias Wellhausen.

Konzernergebnis: Minus 419,9 Millionen Euro

Schmolz+Bickenbach (S+B) ist der Schweizer Mutterkonzern der Deutschen Edelstahlwerke mit fünf Standorten und noch rund 4000 Beschäftigten in NRW.

Größter DEW-Standort ist Witten mit zirka 1800 Beschäftigten inklusive des spezialisierten Standortes Hattingen (etwa 60 Beschäftigte). In Siegen arbeiten ca. 1200 Mitarbeiter, in Krefeld 630, in Hagen 410.

Unter der Marktschwäche hat DEW ebenso zu leiden wie der Mutterkonzern. S+B meldet für das 3. Quartal Einbrüche bei den Auftragsbeständen um 46,6 Prozent (392 Kilotonnen gegenüber 734 Kilotonnen im Vorjahresquartal). Die Produktion sank um 23,9 Prozent auf 395 Kilotonnen (3/2018: 519 Kilotonnen). Es wurde bewusst unterhalb der Auftragsmenge produziert, um die eigenen Lager zu leeren. Der Absatz sank um 13,8 Prozent auf 405 Kilotonnen (3/2018: 470 Kilotonnen).

Der Umsatz sank um 14,1 Prozent auf 670 Millionen Euro (3/2018: 780 Mio.) Das Konzernergebnis betrug minus 419,8 Millionen Euro (minus 3,7 Mio.), da erhebliche Wertberichtigungen auf Anlagenbestände vorgenommen werden mussten.

Eigentümerstreit beunruhigt IG Metall

Die Krise beim Stahlhersteller reißt ein tiefes Loch in die Kasse des Konzerns, der nun mit Banken über eine umfassende Refinanzierung verhandelt und auf eine Finanzspritze des Anteilseigners Martin Haefner hofft.

„Es ist eine äußerst schwierige Situation, in der wir uns befinden“, sagt Vorstand lller offen. Dazu trägt Eigentümerstreit zwischen dem Schweizer Großaktionär Martin Haefner und dem russischen Milliardär Viktor Vekselberg. Haefner will die Liwet Holding AG, an der Vekselberg wesentlich beteiligt ist, als größten Anteilseigner des Stahlkonzerns S+B ablösen. Möglich machen soll dies eine Kapitalerhöhung um bis zu 325 Millionen Schweizer Franken (etwa 295 Millionen Euro), über die eine außerordentliche Generalversammlung am 2. Dezember entscheiden soll.

Eine Finanzspritze könnte Schmolz+Bickenbach in jedem Fall gebrauchen, da die Geschäfte sich nach Einschätzung des Vorstandes absehbar kaum verbessern werden. Zumal auch die Investitionen für die Zukäufe von Ascometal und Finkl Steel sich nach Unternehmensangaben noch nicht rechneten.

Aus Sicht der Industriegewerkschaft Metall besteht wegen der Geschäftsentwicklung kein Grund zur Panik. „Sorge bereitet uns allerdings der Kampf um die Eigentümerschaft und dass möglicherweise Geld für Investitionen fehlen könnte“, sagt Jens Mütze, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Hagen. Mütze kennt und beobachtet das Unternehmen DEW als ehemaliger Betriebsratsvorsitzender am Standort Hagen höchst genau. Wie die Konzernführung hofft er, dass sich der der Gegenwind durch den aktuellen „Hurricane“ in einen Aufwind bei der Auftragslage verwandelt und 2020 wieder ruhigere Zeiten anbrechen.