Hagen. Banken und Sparkassen nennen es lieber Verwahrentgelte als Strafzinsen. So oder so sprechen sie nur ungern darüber, was Kunden die erwartet.

Die Uhr tickt. Der Druck steigt. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann eine Kettenreaktion flächendeckend zu Strafzinsen für bei Banken und Sparkassen geparkte täglich verfügbare Geldvermögen führt.

Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) hat jüngst seinen Mitgliedern bereits eine Anleitung zugesendet. Eine Art Taktikpapier zur Gewöhnung der Kunden an Minuszinsen. Dass der BVR zum Papier keinen Kommentar abgeben möchte, wundert nicht. Das Thema ist negativ besetzt, dabei geht es aktuell – noch – gar nicht um Sparer mit kleineren Vermögen.

Klar ist: Nach dem Stabwechsel in der Europäischen Zentralbank (EZB) von Mario Draghi zu Christine Lagarde wird sich an der lockeren Geldpolitik mit niedrigsten Zinsen vorerst nichts ändern. Im September hat die EZB die Einlagezinsen von minus 0,4 auf 0,5 Prozent verändert und damit das Thema zementiert.

Bislang Privatkunden ausgenommen

Bereits heute treffen Sparkassen ebenso wie Volks- und Raiffeisenbanken Vereinbarungen über Strafzinsen mit ihren Kunden. Im Bankensprech werden sie als Verwahrentgelte bezeichnet. „Bei uns betrifft dies nur das Großkundengeschäft. Hier gibt es Individualvereinbarungen“, sagt Thorsten Irmer, Sprecher der Sparkasse Hagen-Herdecke auf Anfrage der WESTFALENPOST. Die mittelgroße Sparkasse mit einer Bilanzsumme jenseits der drei Milliarden Euro, taucht in Veröffentlichungen als eines der Institute auf, die von Geschäfts- wie Privatkunden ab einer Höhe von 100.000 Euro Strafzinsen erhöben. „Falsch“, sagt Irmer. Die Schwelle liege bei 500.000 Euro. Außerdem würden Privatkunden bislang keine Strafzinsen für hohe Vermögen abverlangt. Hier sei auch nichts in Vorbereitung. „Es kann allerdings nicht sein, dass wir große Millionenbeträge annehmen und dafür bei der EZB die Zinsen zahlen“, stellt Irmer klar. Es gebe individuelle Vereinbarungen mit Firmenkunden.

Kuriose Abwehrmaßnahme

Dabei geht es in der Regel darum, die notwendige Liquidität der Geschäftskunden ohne Strafzins zu sichern. So werde es auch bei der Märkischen Bank mit Sitz in Hagen gehandhabt. Die Genossenschaftsbank versucht, bei dem heiklen Thema mit viel Fingerspitzengefühl vorzugehen. Bestandskunden werden anders betrachtet als Neukunden – dazu rät auch der Bundesverband BVR. In Hagen habe man allerdings durchaus auch auf die Verschärfung der Zinsbelastung durch die EZB im September reagiert, erklärt der Vorstandsvorsitzende Hermann Backhaus: „Nach dem EZB-Beschluss im September haben wir die Grenze von einer Millionen Euro auf 500.000 Euro abgesenkt.“

Reaktion auf EZB-Entscheidung

Der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken rechnet nach der EZB-Entscheidung vom September damit, dass seine rund 900 Mitglieder das Thema „Minuszinsen nun neu bewerten müssen“.

DekaBank-Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater hält die EZB-Entscheidung für verfehlt: „Die Notenbanken beißen sich ihre Zähne daran aus, der Weltwirtschaft mit ihrer ultra-lockeren Geldpolitik wieder ein stärkeres Wachstum und höhere Inflationsraten zu verschaffen. Da macht die EZB keine Ausnahme.

Die EZB hatte die Zinsen für bei ihr geparktes Geld von 0,4 auf 0,5 Prozent angehoben.

Die Märkische Bank verzeichnet in den vergangenen Jahren einen hohen Zuwachs an sogenannten Sichteinlagen, also Geld, das täglich verfügbar auf Konten geparkt wird. Die Hagener Genossenschaftsbank führt dies auf die vergleichsweise hohe Bonität zurück, die den Kunden Sicherheit verspricht. Die Einführung von Strafzinsen ist also auch eine Abwehrmaßnahme gegen diesen Vermögenszustrom. Kunden im sogenannten Retailgeschäft, also „Otto Normalverbraucher“ sind nach Angaben von Vorstandschef Backhaus bei der Märkischen Bank vor Strafzinsen vorerst sicher: „Für uns ist das Thema in diesem Bereich noch mindestens zwei, drei Jahre entfernt.“ Wie es dann aussieht, hänge von der weiteren Entwicklung der Geldpolitik ab.

Die Commerzbank verfährt ähnlich wie die Sparkasse Hagen-Herdecke und die Märkische Bank. „Wir beabsichtigen aktuell nicht, die Negativzinsen an unsere Millionen Privatkunden weiterzugeben“, heißt es auf Anfrage. Bei Firmenkunden, großen Konzernen, institutionellen Kunden und Kunden des öffentlichen Sektors (bspw. Kommunen) sieht es anders aus. „Wenn die hohe Guthaben als Einlagen bei uns parken, haben wir seit Beginn der Negativzinsen sukzessive eine individuelle Guthabengebühr für die überschüssige Liquidität vereinbart.“