Schmallenberg. Veltins verkaufte im ersten Halbjahr 2019 deutlich weniger Flaschenbier als im Vorjahr. Warum die Chefs trotzdem sehr zufrieden sind.
Die endgültigen Zahlen für den Juni liegen noch gar nicht vor. Dennoch bilanzieren die Chefs der Grevensteiner Brauerei Veltins schon einmal, wie das erste Halbjahr aus ihrer Sicht gelaufen ist. Erstmals seit einer Ewigkeit ist der Ausstoß gegenüber dem Vorjahr gesunken. Dass im Landgasthof Schütte in Schmallenberg-Oberkirchen im Sauerland dennoch beste Laune herrscht, hat mindestens drei Gründe.
Zweitbestes Ergebnis in der Unternehmensgeschichte
„Wir haben ganz anderes erwartet“, sagt der Generalbevollmächtigte Michael Huber und bekräftigt seine Prognose, die er zu Jahresbeginn abgegeben hat. Das Rekordjahr 2018 werde sich kaum wiederholen lassen.
Das gilt wohl für die gesamte Branche, die insgesamt rund drei Prozent Einbußen hinnehmen dürfte, schätzt Volker Kuhl, Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb. Die gut zwei Prozent Minus heißen also: Veltins hätte damit weniger verloren als andere. Und erzielt mit 1,572 Millionen Hektoliter Ausstoß immer noch das zweitbeste Halbjahresergebnis in der Unternehmensgeschichte.
Zu kalt, zu heiß, zu unsicher
Das Halbjahr in Zahlen
2018 erzielte Veltins einen Umsatz von 352 Mio. Euro bei einem Ausstoß von 3,01 Millionen Hektolitern (hl).
Im ersten Halbjahr 2019 erreichte der Ausstoß 1,572 Mio. hl (Vorjahr: 1,605 Mio. hl).
Fass: 232.920 hl (+ 0,6 Prozent); Flasche: 856910 hl (-4,9); Dose: 85.980 hl (+13,2); Übrige (Alkoholfrei, Radler alkoholfrei, Malz): 63.050 hl (-1,3); Fassbrause: 20.690 hl (+2,4); V+: 185.960 hl (-8,6); Grevensteiner: 126.040 hl (+16).
Nach Veltinsprognosen sind in der Branche rund 1,4 Millionen Hektoliter (hl) Marktvolumen passé. Ein Branchenminus von drei Prozent. Umgerechnet fehle deutschlandweit der Verkauf von 14,5 Millionen Bierkästen.
Bemerkbar gemacht hat sich die Negativentwicklung vor allem beim Flaschenbierverkauf, der um knapp fünf Prozent zurückging. Vor allem die Monate Mai – zu schlechtes Wetter – und Juni „zu heiß“ (Kuhl) schlugen ins Kontor, wenn man das Geschäft mit dem Ausnahme-Vorjahr vergleicht.
Für Huber spielt auch das psychologische Moment eine Rolle. „Politische Unsicherheiten haben Auswirkungen auf das Konsumverhalten.“ Abflauende Wirtschaft, Handelskonflikte, Unwägbarkeiten im Inland von möglichen Neuwahlen bis hin zur Frage, wie es der Kanzlerin geht, führt der Veltins-Chef ins Feld. Kurz: Es fehlt an Unbeschwertheit, um ausgelassen zu feiern und mit einem Pils mehr anzustoßen.
Grevensteiner und die Dose gegen den Trend
Ausnahmen bestätigen die Regel: Das Landbier Grevensteiner mit mittlerweile drei Sorten Original, Helles und Ur-Radler wächst ungeachtet der Branchenentwicklung mit 16 Prozent Plus „rasant“. Auch die Dose lässt sich offenbar nicht aufhalten und legte zweistellig zu. Das Gebinde liege weiter vor allem bei Jüngeren im Trend und „wird noch mal wachsen“, ist Kuhl überzeugt. An die 345.000 Hektoliter aus der Zeit vor dem Dosenpfand (2003) glaubt man nicht, aber 200.000 Hektoliter seien drin. Zumal auch die neue „Dritteldose“ gut nachgefragt werde.
Jeden Wochentag ein neuer Gastronomiekunde
Dass die Veltins-Chefetage sich so geschlossen bester Laune präsentiert, hat auch mit der Langfristperspektive zu tun. Die Brauerei wird ohne Darlehen bis 2024 für über 420 Millionen Euro umgebaut. Unter anderem das neue Tankfeld und ein neues Verwaltungsgebäude stehen schon. 60.000 Kubikmeter Fels sind weggesprengt und abgeräumt, um Platz für eine neue Abfüllanlage zu schaffen. Man ist überzeugt, weiter Marktanteile im Premiumsegment gewinnen zu können. Dafür spreche auch der solide steigende Fassbierverkauf. Nach eigenen Angaben gewinnt Veltins jeden Wochentag einen Gastronomiekunden dazu, verloren werden offenbar nur wenige. Warum das so wichtig ist? „Fassbierverlust ist Wahrnehmungsverlust“, erklärt Volker Kuhl, wie Huber schon beinahe ein Vierteljahrhundert für Veltins am Ruder.