Hagen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lässt gerade drei Gutachten zum Thema CO2-Steuer erstellen. Aber bringt die etwas?
Brauchen wir eine CO2-Steuer? Wie hoch muss oder darf sie sein? Oder ist vielleicht der Handel mit Verschmutzungszertifikaten der bessere Weg? Diese Fragen werden derzeit politisch kontrovers diskutiert. Wir haben sie Prof. Thomas Eichner von der Fernuniversität Hagen gestellt, der schwerpunktmäßig zur Umweltökonomie forscht.
Emissionshandel oder CO2-Steuer – was ist die bessere Lösung?
Thomas Eichner
Der Emissionshandel, der Umweltverschmutzung einen Preis gibt, führt dazu, dass Sie ein gesetztes Klimaziel erreichen. Da ist er sehr treffsicher.
Im Prinzip.
Man muss darüber reden, wie man es umsetzt.
Das ist wohl am Anfang nicht so gelungen.
Es wurden von der Europäischen Kommission zu viele Zertifikate in den Markt gegeben, dadurch war der Preis zu niedrig. Aber inzwischen ist der Emissionsdeckel, also die Obergrenze der zulässigen Gesamtemissionen, heruntergefahren worden und somit ist die Anzahl der angebotenen Zertifikate verringert worden. Dadurch ist der Preis pro Tonne CO2 deutlich gestiegen. Das System funktioniert.
Also sollte man es ausweiten?
Der Emissionshandel ist ein Instrument der EU. Eine CO2-Steuer lässt sich national einführen und könnte also schneller greifen.
Und beide Instrumente könnten nebeneinander bestehen?
Es ist schwierig, aber möglich. Die Instrumente dürfen sich nicht überlappen. Der Emissionshandel betrifft die Energiewirtschaft, energieintensive Industriezweige und die Luftfahrt. Mehr als die Hälfte der Wirtschaftsaktivitäten, die CO2 verursachen, unterliegen aber nicht dem Emissionshandel. Hier, also etwa für den Gebäude- oder Straßenverkehrssektor, müsste eine CO2-Steuer greifen. Sie dürfte aber beispielsweise nicht auf Strom erhoben werden, weil dieser Bereich bereits durch den Emissionshandel bepreist wird. Um effizient zu wirken, muss der CO2-Preis in allen Sektoren gleich hoch sein.
Das klingt anspruchsvoll.
Das ist auch anspruchsvoll, aber durchaus umsetzbar.
Ist die Belastung der Unternehmen innerhalb der EU nicht problematisch für die Wettbewerbsfähigkeit?
Wenn Industrien abwandern, ist das selbstverständlich ein Problem. Wünschenswert wären internationale Abkommen mit weltweit gleichen Emissionspreisen. Derzeit haben die Unternehmen ein gewisses Drohpotenzial. Ob sie wirklich abwandern, ist eine andere Frage. Wir haben in Deutschland und in der EU eine gute Infrastruktur, die Unternehmen zugutekommt.
Aus Siegen über Bonn, Mainz und Bielefeld nach Hagen
Thomas Eichner (Jahrgang 1970) stammt aus dem Siegerland, hat in Siegen studiert und promoviert und ist über die Universitäten Bonn, Mainz und Bielefeld an die Fernuniversität gekommen. Hier hat er seit 2009 den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, inne. Er arbeitet im interdisziplinären Forschungsschwerpunkt „Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit“ mit.
Thomas Eichner ist verheiratet und hat drei Kinder.
Nach großen internationalen Abkommen sieht es aber nicht aus.
In Kyoto und Paris hat man sich auf Ziele verständigt. Aber immer, wenn es konkret wird und weh tut, beginnen die Schwierigkeiten. Es gibt eben keine Instanz und kein internationales Recht, das einfordert, dass Verursacher auch für die externen Effekte haften müssen.
Externe Effekte?
Als externen Effekt oder Externalität verstehen wir in der Ökonomie die Auswirkungen ökonomischer Handlungen auf Unbeteiligte, für die keine Entschädigungen bezahlt werden und die deshalb nicht in das Kalkül des Handelnden einbezogen werden. Wenn also beispielsweise ein Land Kohlekraftwerke baut und den CO2-Ausstoß massiv erhöht, es dadurch wärmer wird, der Meeresspiegel steigt und andere Länder überflutet werden.
Das funktioniert doch nicht einmal auf nationaler Ebene, wenn man an den Nitrateinsatz in der Landwirtschaft denkt.
Bei Fahrverboten aufgrund der lokalen Feinstaubbelastung in Innenstädten funktioniert es hingegen schon. Bei globalen Umweltproblemen ist das leider nicht der Fall.