Meschede. Braumeister Walter Bauer war mehr als 38 Jahre lang für die Brauerei Veltins tätig. Jetzt gab er den Posten als Technischer Geschäftsführer auf.
Das Grevensteiner Landbier aus dem Hause Veltins ist kein Zufallsprodukt, aber ein Überraschungserfolg. Und der trägt einen Namen. Auf jeder Flasche im Steinieformat ist er zu lesen. Hinter dem Hinweis Braumeister findet sich ein feiner, roter Schriftzug. „Bauer“ ist da zu lesen. Wirkt sehr unaufdringlich, gelassen, nicht cool. Bei den jährlichen Bilanzgesprächen hat Walter Bauer die Bühne liebend gern anderen überlassen. Und nach 38 und einem halben Jahr im Dienst der Traditionsbrauerei Veltins gab der heute 65-Jährige seinen Posten als Technischer Geschäftsführer im Frühjahr an Peter Peschmann ab.
Nicht heimlich, aber doch eher leise. Immerhin: Ganz fort ist dieser Bauer, der maßgeblich zum kontinuierlichen Erfolg der Brauerei beitrug, noch nicht. Ein Glück. Er hat noch dies und das zu tun, ist gebeten worden, die 400 Millionen Euro mächtige Modernisierung seines Unternehmens wenigstens einmal pro Woche mit Rat und Tat zu begleiten. Es tut sich viel. Ähnlich wie 1981, als der Absolvent der TU München (Weihenstephan) als frisch gebackener Diplombrauer seine erste Stelle antrat. Der gebürtige Bayer kam, blieb und erinnert sich an damals: „Die Zeit war geprägt von ganz neuen technischen Entwicklungen.“ Tatsächlich: „Damals gab es die ersten kommerziellen Rechner im Haus. Neue Analysemethoden wurden möglich.“
Tradition und Fortschritt
Beim entspannten Spaziergang durch den Betrieb führt der Weg irgendwann zur Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die Labors unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum von denen wissenschaftlicher Institute. „Die Brauerei macht Bier ganz traditionell, aber die technischen Dinge sind schon sehr fortschrittlich“, erklärt Bauer, derweil sich die Mitarbeiter herzlich ehrlich freuen, dass ihr Chef eine Runde bei ihnen dreht.
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Brauen sei ganz einfach, im Prinzip seit Jahrhunderten. Die hohe Kunst für eine Marke wie Veltins sei Geschmacksstabilität. „Man richtet die Technik nach dem Markt aus, nicht danach, was mir schmeckt.“ Nach diesem Prinzip entwickelte Veltins unter Bauer auch seine Neuheiten. Die erste große Innovation war das Leichtbier, das nur halb so viel Volumenalkohol hatte wie das Pils. „Ein tolles Sommergetränk“, schwärmt Bauer. „Aber am Ende haben es nur noch die Brauer im Schalander getrunken“, schmunzelt der Meister.
Gespür für Kundenbedürfnisse
Sei’s drum. Das meiste – vom Biermix bis zum Alkoholfreien – hat bislang funktioniert, und die Brauerei wäre in der Ära Bauer kaum so erfolgreich gewesen, hätte sie nicht Geschick und Gespür dafür entwickelt, was Kunden schmecken könnte. „Früher hat man die Verbrauchererwartung immer rückwärts gewandt betrachtet.“ Etliche große Marken sind darüber vom Markt verschwunden. Veltins hat früh erkannt, das Pilsbier mehr Potenzial hatte als etwa Export. In Bauers Zeit hat sich das Produktionsvolumen – oder wie es in der Branche heißt: der Ausstoß – von unter 700.000 Hektolitern (hl) auf über drei Millionen hl mehr als vervierfacht.
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Der Erfolg allein hat Walter Bauer nicht ein Berufsleben lang im Sauerland gehalten. „Mein Wunschtraum war es, Braumeister in einer dörflichen Brauerei zu werden. Dass es dann im Sauerland war, hat sich so ergeben.“ Damals, Anfang der 80er Jahre, kannte Bauer die Marke Veltins „nicht so sehr“ – dafür aber ein Freund seines Bruders. „Wenn der nach dem Fußball ein richtig gutes Bier trinken wollte, dann besorgte er Veltins.“ Als ihn dann damals sein Professor, der renommierte Ludwig Narziß, auf die Stelle in Grevenstein aufmerksam machte, zögerte der junge Mann nicht lange. Bei der ersten Stelle galt: „Hauptsache man hat was.“ Und die Partnerin spielt mit.
Freundin bzw. Frau beim Vorstellungsgespräch dabei
Ganz wichtig, denn unter seinem Vorgänger Ludwig-Wilhelm Pelz und der Inhaberin Rosemarie Veltins galt: „Die Freundin beziehungsweise Frau musste mit zum Vorstellungsgespräch. Das war bei Veltins speziell!“ Und Bauer hat dieses Prinzip gefallen: „Das habe ich beibehalten.“ Eine weise Entscheidung. Die Erkenntnis, dass die besten Jobs allein nicht glücklich machen, wenn das drumherum nicht gefällt, hat an Aktualität nichts verloren. Bauer und seiner Frau hat es immer gefallen. Die ersten 20 Jahre wohnten sie am Berg vis-a-vis der Brauerei, zogen dann wegen der schulpflichtigen Kinder nach Arnsberg, wo sie heute noch leben. „Es war eigentlich geplant, nur kurz nach Preußen zu gehen“, lässt sich Bauer entlocken. Und ein Bekenntnis obendrauf: „Ich bin vom Bayer zum Westfalen geworden. Mir gefällt die verbindliche Art, das kommt mir entgegen.“
Landbier zum Jubiläum
Der Braumeister ist offenkundig selbst höchst akribisch. Mindestens, wenn es um Bier geht. So ist auch das Grevensteiner nicht mal eben entstanden. Anlass war, dass der Ort Grevenstein 2014 sein 700-jähriges Bestehen feiern sollte. „Na, ja. Wir hatten unser Dorfjubiläum und da haben wir uns im Team etwas überlegt.“ Im Archiv von C.&A. Veltins fand Bauer alte Bierbücher und das Rezept für das dunkle Landbier. Und legte längst nicht los, sondern fuhr quer durch Europa, um in Deutschland, Österreich und Tschechien alte Brautechniken aufzuspüren.
Das dreischrittige Verfahren ist viel aufwendiger als beim Pils. „So etwas machen große Brauereien eigentlich nicht.“ Auch die Zutaten sind besonders, unter anderem wird das dunkle „Wiener Malz“ verwendet und ein spezieller Hopfen. Gedacht war das ganze als Wertschätzung für die Nachbarschaft beim Jubiläum. Mittlerweile liegt der Ausstoß bei über 150.000 Hektoliter pro Jahr. Der Erfolg des Grevensteiner Landbieres habe Bauer in Geschwindigkeit und Größe überrascht. „Ich bin schon stolz auf das Bier – und auch, dass ich diesen Weg bei Veltins über 38 Jahre begleiten durfte.“ Nach mehr als drei Stunden Erinnerungsspaziergang ist klar: Auch der besondere Erfolg dieses Braumeisters war keineswegs ein Zufall.