Nach der Versteigerung der 5G-Lizenzen fordert Vodafone-Deutschlandchef Ametsreiter, die Einnahmen von 6,6 Milliarden Euro ins Netz zu stecken.

Herr Ametsreiter, die längste Auktion von Funkfrequenzen aller Zeiten ist nach drei Monaten beendet. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Hannes Ametsreiter: Ich bin froh, dass die Auktion endlich vorbei ist. Wir haben wichtige Frequenzen ersteigert. Ich bin aber sehr unglücklich mit der Dauer des Verfahrens und dem hohen Preis, den wir als Bieter bezahlen müssen. Digital-Deutschland verliert wertvolle Zeit. In Europa werden wir nicht zu den ersten gehören, die mit 5G starten. Und die 6,6 Milliarden Euro, die die Telekommunikationsunternehmen jetzt nur für die Lizenzen zahlen müssen, werden bei den dringend nötigen Investitionen in das deutsche Mobilfunknetz fehlen. Insofern ist das Ergebnis katastrophal.

Geben Sie der Bundesregierung die Schuld?

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Finnland etwa hat die 5G-Lizenzen kostenlos vergeben. Die österreichischen Telekommunikationsunternehmen mussten nur 60 Millionen Euro aufbringen. Allein in Italien ist die Auktion sehr teuer geworden. Dort wollte die Regierung mit den Erlösen ihren Staatshaushalt auffüllen. Das ist in Deutschland aber gar nicht nötig. Nun gehen die Milliarden aus der Aktion an den Bundesfinanzminister. Und die drei Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefonica müssen zusätzlich ihren Verpflichtungen nachkommen und Milliarden in den aktuellen Mobilfunkstandard 4G investieren. Sie können sich vorstellen, dass deshalb die Nervosität in den Unternehmen steigt.

Wie soll es jetzt aus Ihrer Sicht weitergehen?

Die Bundesregierung muss sich überlegen, was sie mit den 6,6 Milliarden Euro macht. Aus unserer Sicht ist es an der Zeit, dass sie aus ihren Fehlern lernt und ein Paket schnürt, das die angerichteten Schäden repariert. Deutschland braucht endlich eine schlüssige Antwort, wie die Digitalisierung vorankommen soll. Wir schlagen deshalb vor, dass der Bund die Einnahmen aus der Auktion in Form einer Förderung an die Unternehmen zurückgibt, um damit ein besseres Mobilfunknetz zu bauen. Die Erlöse aus der Auktion haben den Gegenwert von mehr als 50.000 Mobilfunkmasten. Sie könnten dazu beitragen, dass es in Deutschland keine Funklöcher mehr gibt.

In Aldenhoven testet Vodafone bereits das schnelle Internet nach dem 5G-Standard.
In Aldenhoven testet Vodafone bereits das schnelle Internet nach dem 5G-Standard. © HO | Valèry Kloubert

Werden die Preise fürs Telefonieren und Surfen steigen, wenn der Finanzminister auf seinen Milliarden sitzenbleiben sollte?

Das kann heute niemand sagen. Fest steht jedoch, dass wir das investierte Geld irgendwie zurückverdienen müssen. Die Preise für Telekommunikation lagen in Deutschland bislang im europäischen Durchschnitt. Die Bürger fordern aber zu Recht ein, dass mehr in schnelle Netze und die digitale Autobahn der Zukunft investiert wird. Stattdessen besteht nun die Gefahr, dass sich der 5G-Ausbau hierzulande um Jahre verzögert und unsere Nachbarn an uns vorbeiziehen.

Beobachter machen den vierten Bieter 1&1 Drillisch dafür verantwortlich, dass die Auktionspreise derart in die Höhe getrieben wurden. Intern hatte man ja wohl damit gerechnet, bei zwei Milliarden zu enden.

Es war ein Novum, dass die Bundesnetzagentur mit 1&1 Drillisch einen vierten Bieter zuließ, der über kein eigenes Netz verfügt und bei Telekom, Vodafone und Telefonica nur Kapazitäten mietet. Auch bei den Investitionsverpflichtungen räumte der Bund 1&1 eine Sonderstellung ein. Die drei anderen Unternehmen sitzen dagegen jetzt auf ihren Milliarden-Verpflichtungen, und trotzdem geht es mit 5G nicht in dem Tempo voran, das Deutschland braucht.

Geboten werden konnte nur für 300 Megahertz der verfügbaren 5G-Kapazität. 100 Megahertz sind für die deutsche Industrie reserviert. Sind Unternehmen überhaupt in der Lage, eigene Mobilfunknetze zu betreiben?

Das wird sich zeigen. Natürlich verfügen wir über Know how, das in der Industrie so nicht vorhanden ist. Deshalb wird es auch in Zukunft zu Kooperationen mit Telekommunikationsanbietern kommen. Entscheidend ist aber, dass die 100 Megahertz im deutschen 5G-Netz fehlen werden. Deutschland ist das einzige Land, das der Industrie Sonderkonditionen für eigene Netze einräumt. Die Folge wird sein, dass die nationalen Mobilfunknetze um uns herum schneller und leistungsfähiger sein werden. In Deutschland fehlen dann schlichtweg etliche PS. Auch hierdurch gehen Investitionsanreize verloren. Wer auf Sand baut, baut gefährlich.

Gab es während der Auktion für Vodafone ein Limit, an dem sie aus dem Bieterverfahren ausgestiegen wären?

Es gab eine Schmerzgrenze. Ich werde Ihnen aber nicht sagen, wo sie gelegen hat. Ich bin erst einmal froh, dass die Auktion vorbei ist. Seit dem 19. März haben bis zu zwei Dutzend unserer Leute Tag und Nacht die täglich acht Spielrunden ausgewertet. In Düsseldorf mussten wir eigens eine hermetisch abgesicherte Kommandozentrale einrichten. Und unsere Mitarbeiter vor Ort in Mainz durften nur am Wochenende nach Hause. Das war für uns alle eine herausfordernde Zeit.

Gibt es denn schon Ausbaupläne? Wann kommt 5G?

Wir glauben, Digital-Deutschland braucht eine starke Infrastruktur braucht. Wir wollen 5G bis Ende 2021 für bis zu 20 Millionen Menschen verfügbar machen. Wenn die Rahmenbedingungen es erlauben. Zu Beginn vor allem in Industriehallen und als Ersatz für langsame DSL-Anschlüsse auf dem Land. All das zu stemmen, wird eine immense Herausforderung. Deshalb braucht es ein Reinvestitionsprogramm für Deutschland.

Was wird sich durch die künftige 5G-Technik verbessern?

Wir brauchen schnellere Leitungen und mehr Bandbreite, um die immer größer werden Datenvolumen von Unternehmen und privaten Mobilfunkkunden zu transportieren. Mit bis zu zehn Gigabit werden wir die die zehnfache Übertragungsgeschwindigkeit erreichen. Und das ohne Verzögerung. In Echtzeit. So schnell wie das menschliche Nervensystem.