Stuttgart. Nur im Mittelfeld landet Deutschland im Vergleich der 14 weltweit führenden Nationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Wirtschaftsminister Brüderle setzt für Wachstum auf neue Technologien. Verbraucherschutzministerin Aigner will neues Gesetz zur Internet-Kriminalität.
Deutschland liegt bei der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) laut einer Studie im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld: Unter den 14 weltweit führenden IKT-Nationen aus Europa und Asiens sowie den USA kommt die Bundesrepublik gemeinsam mit Norwegen auf Rang sieben, wie Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle am Dienstag beim IT-Gipfel in Stuttgart mitteilte. «Es geht noch mehr. Wir wollen weiter nach vorne», sagte der FDP-Politiker.
Die neue Bundesregierung setzte auf Informations- und Kommunikationstechnologie. Ziel müsse sein, in diesem Bereich mehr Arbeitsplätze zu schaffen, als vom Strukturwandel bedroht seien. «Wir brauchen gerade jetzt den Erfolg der Branche, um erfolgreich zu sein», sagte der FDP-Politiker mit Blick auf erste Anzeichen für eine langsam beginnende Konjunkturerholung. Die Ingenieure aus Deutschland seien Weltspitze in der Entwicklung, aber nicht immer im Bereich Verkaufen.
„Daten müssen auch fließen können“
Der FDP-Politiker sagte, dass die Bundesregierung unter anderem, auf den Ausbau des Breitbandnetzes für den schnellen Internetzugang setze. Das Breitbandenetz sei die Infrastruktur der Moderne. «Nicht nur die Autos müssen fahren, sondern die Daten müssen auch fließen können.»
Laut der Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat sich Deutschland im Jahresvergleich um zwei Plätze verbessert. Dies liegt den Angaben zufolge vor allem daran, dass die Bundesrepublik im Bereich Einkäufe von Unternehmen über das Internet den Spitzenplatz belegt. Bei den Anwendungen der Neuen Technologien und Medien im privaten oder geschäftlichen Bereich und bei der Nutzung durch die öffentliche Verwaltung erreicht Deutschland einen Durchschnittswert von 86 Prozent, hieß es weiter. Dies sei gleichbedeutend mit einer Verbesserung um drei Rangplätze auf Rang vier im internationalen Ranking.
Warnung vor kontrollierten Zugriffen privater Firmen auf Daten
Bundesinnenminister Thomas de Maizière will das Misstrauen von Internetnutzern gegenüber dem Staat abbauen. Der CDU-Politiker sagte am Dienstag auf dem vierten IT-Gipfel, man brauche eine neue Vertrauensbasis zwischen Staat und Internetnutzern. «Ich möchte die Kluft überwinden», erklärte er. In der Internetpolitik habe es in der Vergangenheit eine Fülle von Einzeleingriffen gegeben. Der CDU-Politiker nannte als ein Beispiel die umstrittene geplante Sperrung kinderpornografischer Seiten. Ein Teil der Netznutzer befürchte eine Generalüberwachung; andere glaubten, es gebe keine Regeln.
Gleichzeitig warnte der Bundesinnenminister vor unkontrollierten Zugriffen privater Firmen auf Daten im Internet. Er sehe darin eine größere Gefahr als bei staatlichen Zugriffen auf private Daten. Der Staat müsse die Sicherheit der Kommunikation im Internet gewährleisten: «Die Gewährleistung der Sicherheit im Internet darf man nicht komplett Privaten überlassen.»
Auch Nutzer für Sicherheit ihrer Daten verantwortlich
Nach immer neuen Pannen mit Kundendaten forderte er von den Unternehmen mehr Sicherheitsvorkehrungen. Die Verantwortung für ein sicheres Internet sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und könne nicht allein vom Staat übernommen werden, schrieb der CDU-Politiker in einem Gastbeitrag für die «Welt».
«Sicherlich werden Unternehmen, die im oder mit dem Internet Geld verdienen, einen Teil der Verantwortung tragen müssen. Sie müssen genügend Know-how und geeignete Vorrichtungen aufbauen, um sensible Datenbestände zuverlässig zu schützen», heißt es in dem Beitrag. Als Beispiele für Unternehmen, die besonders in der Verantwortung stehen, nannte der Minister Provider, die die Kunden mit Internetanschlüssen versorgen. Sie seien verpflichtet, Nutzer auch bei der Sicherung ihrer persönlichen Daten und ihres PC zu helfen. Auch bei Online-Banking, Online-Händlern oder sozialen Netzen müssten angemessene Vorkehrungen getroffen werden. Allerdings sei auch der einzelne Nutzer verantwortlich, schrieb de Maizière.
Online-Kriminalität gefährde die IT-Branche stärker als die Wirtschaftskrise
Kurz vor dem IT-Gipfel der Bundesregierung hat Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sich für eine neue Gesetzesgrundlage zur Verfolgung von Kriminalität im Internet ausgesprochen. «Leider sind der Polizei oft die Hände gebunden, da Online-Betrug als minderschwere Straftat eingestuft wird», sagte Aigner dem «Handelsblatt». Die zunehmende Online-Kriminalität gefährde die IT-Branche stärker als die Wirtschaftskrise. «Studien belegen, dass jeder zweite Verbraucher im Internet schon einmal Opfer krimineller Machenschaften geworden ist», sagte die Ministerin.
Aigner kritisierte, dass das Bundesverfassungsgericht die Herausgabe von Internetdaten eines Verdächtigen nur bei schwersten Straftaten erlaube. «Angesichts dieser Restriktionen muss sich der Staat fragen, ob er Gefahr läuft, einen rechtsfreien Raum zu schaffen», sagte sie der Zeitung.
Bei der FDP stieß Aigner mit ihrer Forderung auf Kritik. «Vertrauen ins Internet und die neuen Medien schafft man nicht, wenn diese regelmäßig als Hort des Verbrechens dargestellt werden», sagte FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz dem «Handelsblatt». Es müsse darum gehen, das geltende Recht anzuwenden. Dazu bedürfe es gut ausgestatteter Polizeibehörden, «damit auch im Internet Kriminalität verfolgt werden kann».