Essen. . Erneut macht ein US-Gericht Glyphosat für eine Krebserkrankung verantwortlich. Kauf des Saatgut-Riesen Monsanto wird für Bayer immer heikler.

Die Nachricht aus Übersee traf Bayer auf dem falschen Fuß. Und was vielleicht noch schwerer wiegt – die Börse auch: Die quittierte die nächste Niederlage in einem Glyphosat-Prozess in den USA mit Panikverkäufen – die Aktie des Dax-Konzerns verlor bis zum Mittag gut zwölf Prozent. Aus Angst vor milliardenschweren Entschädigungen in den Staaten wegen möglicher Krebsrisiken durch den Unkrautvernichter Glyphosat ließen Investoren das Bayer-Papier fallen wie heiße Kartoffeln.

Die bereits im Sommer 2018 durch die erste Schlappe vor einem US-Gericht genährten Zweifel, ob der 63 Milliarden Dollar teure Zukauf des Saatgutriesen Monsanto wirklich eine gute Idee war, wachsen. Investoren fragen sich, ob die bisherigen Rückstellungen von 660 Millionen Euro für die Glyphosat-Prozesse in den kommenden drei Jahren reichen.

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Noch vor drei Wochen hatte sich Bayer-Chef Werner Baumann sehr siegesgewiss gegeben. „Wir haben die wissenschaftlichen Fakten auf unserer Seite“, sagte er bei der Vorlage der Bilanz für 2018 und wischte alle zweifelnden Nachfragen selbstbewusst weg. Der Schlappe vom letzten Sommer, als ein Gericht einem mutmaßlichen Glyphosat-Opfer 78 Millionen Dollar Schadenersatz zusprach, sollte die einzige bleiben. Inzwischen ist die Zahl der Kläger auf 11.200 angewachsen. Und gleich der zweite Fall ging wieder verloren.

Die Geschworenenjury in San Francisco entschied einstimmig, die Verwendung des Monsanto-Mittels „Roundup“, das auf Glyphosat basiert, sei für den Lymphdrüsenkrebs des Klägers Edwin Hardeman ein „erheblicher Faktor“ gewesen. In einer zweiten Phase des Prozesses wird es nun darum gehen, ob die Bayer-Tochter arglistig über Risiken ihrer Produkte hinweggetäuscht habe. Dieselbe Jury entscheidet dann, ob Monsanto verantwortlich zu machen ist, deshalb Schadenersatz zahlen muss und auch in welcher Höhe.

Klagewelle wegen Krebsverdachts

Der Leverkusener Pharma- und Chemiekonzern zeigte sich „enttäuscht“ über die Entscheidung der mit juristischen Laien besetzten Jury, gab sich gleichwohl kämpferisch: Man sei „weiterhin fest davon überzeugt“, dass „glyphosatbasierte Herbizide keinen Krebs verursachen“ und Monsanto „nicht für die Krebserkrankung von Herrn Hardeman haftbar gemacht werden sollte“. Das werde Bayer in der zweiten Prozessphase beweisen.

Der Konzern erklärte zudem mit Blick auf die nun zu erwartende Klagewelle, diese Niederlage in San Francisco habe „keinen Einfluss auf zukünftige Fälle“, jedes der erwarteten zahlreichen Verfahren sei „gesondert zu betrachten“.

Bayer-Chef Werner Baumann.
Bayer-Chef Werner Baumann. © Oliver Berg,dpa

Das freilich sehen Beobachter und Finanzmarktanalysten etwas anders. In ihren Augen sinken die Chancen für die zweite Prozessphase und steigt die Gefahr hoher Schadenersatz-Leistungen. Schließlich handelt es sich um einen „Bellwether Case“, einer Art Musterfall in einem Massenverfahren, von denen es mehrere geben wird. Allein an dem Gericht in San Francisco sind Hunderte weitere Klagen anhängig.

Sie haben repräsentativen Charakter, sind aber nicht vergleichbar mit Präzedenzfällen, wie man sie in Deutschland kennt. So ist der Ausgang eines Falls nicht bindend für andere, vergleichbare Fälle. Zur Vereinfachung der Verfahren werden Beweise, Dokumente und Argumente gesammelt und allen Verfahren als Basismaterial zur Verfügung gestellt. Andere Jurys können anders entscheiden. Trotzdem dient ein „Bellwether Case“ nicht selten als Orientierung, etwa wenn es bei einer Verurteilung darum geht, eine angemessene Summe für Schadenersatz oder aber für einen Vergleich festzulegen.

Bayer sieht die Wissenschaft auf seiner Seite

Bayer hat Monsanto vergangenen Sommer bei der größten Übernahme seiner Firmengeschichte für 63 Milliarden Dollar gekauft. Kurz nach dem Deal befand das erste US-Gericht Monsanto schuldig, mit „Roundup“ verantwortlich für die Krebserkrankung eines Hausmeisters zu sein, der Roundup jahrelang auf Schulsportplätzen versprüht hatte. Seitdem büßte die Aktie ein Drittel ein, der Unternehmenswert sank bis Mittwoch um mehr als 20 Milliarden Euro. Die Entscheidung der Laienjury hat nun weitere gut sieben Milliarden Euro Marktkapitalisierung vernichtet.

Bayer betonte am Mittwoch erneut, der Konzern stehe hinter den Glyphosat-Produkten und werde sie „entschieden verteidigen“. Zulassungsbehörden weltweit bewerteten das Unkrautvernichtungsmittel „bei sachgemäßer Anwendung als sicher“. Nur hat das die Geschworenen-Jurys der US-Gerichte bisher allerdings nicht überzeugen können.

Die EU-Kommission hatte Ende 2017 die Zulassung für Glyphosat um fünf Jahre verlängert. „Nach einer gründlichen wissenschaftlichen Analyse“, hieß es seinerzeit, halte man es für erwiesen, „dass es keine Verbindung zwischen der Chemikalie und Krebserkrankungen bei Menschen“ gebe. Unlängst erklärte die brasilianische Zulassungsbehörde Glyphosat für unbedenklich, nachdem in dem wichtigen Abnehmerland 2018 ein Gericht den Einsatz zwischenzeitlich verboten hatte.