Essen. . Ein Jahr nach dem Säureanschlag spricht Innogy-Finanzchef Bernhard Günther darüber, wie es ihm heute geht. Der Heilungsprozess braucht Zeit.

Vor einem Jahr – am 4. März 2018 – ist Bernhard Günther, der Finanzchef des Essener Energiekonzerns Innogy, bei einem Säureangriff schwer verletzt worden. Seine Arbeit hat er schon vor einiger Zeit wieder aufgenommen, doch Auftritte vor Publikum vermied der Manager. Die Bilanzpressekonferenz des RWE-Tochterkonzerns Innogy, der vor der Übernahme durch den Konkurrenten Eon steht, war Günthers erster Auftritt in der Öffentlichkeit nach dem Säureanschlag. In unserem Interview äußert sich der Manager dazu, wie er mit den Folgen des Angriffs lebt.

Herr Günther, wie geht es Ihnen ein Jahr nach dem Säureanschlag?

Bernhard Günther: Gemessen an den Umständen gut. Aber die Umstände sind natürlich nicht diejenigen, die ich mir wünschen würde. Ich habe gelernt, dass Heilungsprozesse nach solchen schweren Verätzungen circa zwei Jahre benötigen. Erst dann weiß man, wie der Endzustand wirklich ist. Das heißt: Bis dahin braucht es Geduld und einen langen Atem. Und Geduld ist nicht unbedingt das, womit wir Manager am reichhaltigsten gesegnet sind.

Was bedeutet es Ihnen, wieder arbeiten und in der Öffentlichkeit stehen zu können?

Günther: Wie nach anderen negativen Ereignissen auch hat Alltag etwas Stabilisierendes. Das gilt auch für die berufliche Tätigkeit. Insbesondere in der speziellen Situation, in der wir uns bei Innogy zurzeit befinden, glaube ich hier einen konkreten positiven Beitrag leisten zu können. Und das hilft. Öffentlichkeit gehört zu meinem Job dazu und ist für mich kein Selbstzweck. Das war sie auch in der Vergangenheit nie. Natürlich macht einem die Reaktion der Öffentlichkeit auf die eigene Person und mein Aussehen auch bewusst, was alles anders ist als vor dem Anschlag. Das ist nicht immer schön, aber wegducken hilft hier auch nicht weiter.

Haben Sie noch die Hoffnung, dass der Fall aufgeklärt wird?

Günther: Definitiv! Ich fände es schwer erträglich, wenn dieser Fall tatsächlich unaufgeklärt bleiben sollte – sowohl von meinem Gerechtigkeitsgefühl her als auch für die Sicherheit meiner Person und meiner Familie. Das kann wohl jeder nachvollziehen, der selber Familie hat.