Leverkusen. . Die Übernahme des Saatgutriesen Monsanto stützt durchwachsene Jahresbilanz von Bayer. Doch in den USA fordern nun 11.200 Kläger Schadenersatz.

Dem Jahr der größten Firmenübernahme in der Geschichte des Bayer-Konzerns folgen Jahre der bisher größten Einschnitte und voller heikler Prozesse. Der Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto sorgt gleichzeitig für hohe Erwartungen und hohe Risiken. Starke Umsätze und Gewinne der seit Juni zum Konzern zählenden Tochter stützten die insgesamt durchwachsene Jahresbilanz des Dax-Konzerns. Doch in den USA droht Bayer wegen des Monsanto-Unkrautvernichters Glyphosat eine Prozessflut.

Inzwischen fordern in den Staaten 11.200 Kläger Schadenersatz wegen angeblichen Krebsgefahren durch das großflächig eingesetzte Herbizid, wie Bayer-Chef Werner Baumann am Mittwoch sagte. Zwar gab er sich siegessicher und kämpferisch: „Wir werden uns in allen Verfahren entschieden zur wehr setzen. Glyphosat ist ein sicheres Produkt.“ Neue Rückstellungen in Höhe von 660 Millionen Euro für juristische Risiken deuten aber lediglich an, was da noch auf den Leverkusener Chemie- und Pharmahersteller zukommen könnte.

Das Monsanto-Mittel Roundup mit dem Herbizid Glyphosat ist Gegenstand zahlreicher Klagen in den USA, weil es angeblich krebserregend sei.
Das Monsanto-Mittel Roundup mit dem Herbizid Glyphosat ist Gegenstand zahlreicher Klagen in den USA, weil es angeblich krebserregend sei. © Mike Blake, Reuters

Das Geld diene im Wesentlichen der Verteidigung in den Glyphosat-Prozessen der kommenden drei Jahre, sagte Finanzchef Wolfgang Nickl. Im ersten Prozess letzten Sommer sprach ein US-Gericht dem Kläger Dewayne Johnson erstinstanzlich 78 Millionen Dollar Schadenersatz zu. Es sah als erwiesen an, dass sein Lymphdrüsenkrebs durch den Einsatz des Glyphosat-haltigen Monsanto-Mittels Roundup verursacht worden sei. Johnson hatte es zur Unkraut-Bekämpfung auf Sportplätzen von Schulen versprüht.

Bayer ging in Berufung und wappnet sich für etliche weitere Prozesse. Baumann betonte, Studien belegten weltweit, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Es gibt aber auch Studien, die vom Gegenteil ausgehen. Liam Condon, Chef der Agarchemiesparte, betonte, ihm sei kein einziges Land auf der Welt bekannt, das den Einsatz von Glyphosat verbiete. Gut zupass kam dem Bayer-Vorstand, dass tags zuvor die brasilianische Gesundheitsbehörde Glyphosat als nicht krebserregend eingestuft hatte. Brasilien ist einer der größten Abnehmermärkte für das Herbizid.

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Zeiten voller Ungewissheit kommen auch auf die Mitarbeiter zu: Bayer will weltweit 12.000 seiner rund 118.000 Arbeitsplätze bis 2021 streichen. Wie viele an welchen Standorten – dazu äußerte sich der Vorstand auch am Mittwoch nicht. Personalchef Hartmut Klusik bestätigte lediglich, ein erheblicher Teil falle in Deutschland weg, etwa in der Pharmaforschung.

Verhandlungen über Stellenabbau laufen

Zu den Auswirkungen auf die einzelnen Werke liefen die Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite. Er erwarte Ergebnisse „in den kommenden Wochen und Monaten“, sagte er. Ursprünglich war von Klarheit bis März die Rede. Der Stellenabbau soll unter anderem durch Altersteilzeitmodelle ab 57 und in jedem Fall sozialverträglich erfolgen. Große Sorgen gibt es auch am Standort Wuppertal, wo 750 Stellen wegfallen sollen.

Die Bilanz 2018 wurde von der Agrarchemiesparte Crop Science gerettet: Das Konzern-Umsatzplus von 13 Prozent auf 39,6 Milliarden Euro geht fast allein auf die Rekordübernahme von Monsanto für 63 Milliarden Dollar zurück. Die Monsanto-Erlöse fließen seit Juni in die Bilanz ein. Der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) wäre ohne Monsanto gesunken, so stieg er auf 9,5 Milliarden Euro.

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Vor allem das Geschäft mit frei verkäuflichen Medikamenten wie Aspirin schwächelte, büßte Umsatz und Gewinn ein. Lediglich solide entwickelte sich das Pharmageschäft mit verschreibungspflichtigen Mitteln. Die Sparte Tiergesundheit hat Bayer-Chef Baumann zum Verkauf gestellt.

Der Nettogewinn des Dax-Riesen brach dramatisch ein – um 77 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Das lag auch an den Kosten für die Monsanto-Übernahme, vor allem aber am verlustträchtigen Schlussquartal 2018, in dem Bayer Abschreibungen auf zu verkaufende Unternehmensteile in Höhe von 3,3 Milliarden Euro vornehmen musste.

Ausblick bleibt positiv - Aktienkurs steigt deutlich

Der Ausblick für die kommenden Jahre bleibt positiv: Jährlich soll der Umsatz um vier bis fünf Prozent und der Betriebsgewinn um rund neun Prozent steigen, betonte Baumann, der den Konzern demnach noch mehr auf Rendite trimmen will. Allein das laufende Sparprogramm soll ab 2022 jedes Jahr 2,6 Milliarden Euro einbringen.

Die Zahlen vor allem der um Monsanto gewachsenen Agrarchemie und die gute Prognose überdeckten an der Börse die Unsicherheiten durch die Glyphosat-Prozesse: Die Bayer-Aktie war am Mittwoch mit einem satten Plus um mehr als fünf Prozent Tagessiegerin im Dax. Seit der Glyphosat-Niederlage vor einem US-Gericht im August war das Papier um ein Drittel von 96 auf 66 Euro eingebrochen.