Essen. . Bis 2038 will Deutschland alle Kohlekraftwerke abschalten. Das trifft RWE, Uniper und die Steag. Sie fordern deutlich höhere Entschädigungen.

Deutschland will in knapp 20 Jahren keine Kohle mehr verstromen, bis dahin ein fossiles Kraftwerk nach dem anderen abschalten. Das hat Folgen für die großen Stromerzeuger und ihre Beschäftigten. Allen voran für die Branchenführer RWE und Uniper, aber auch auf die Nummer fünf in Deutschland, die Essener Steag, die sechs Ruhrgebiets-Kommunen gehört. Wer wie stark betroffen ist – erste Reaktionen und ein erster Überblick.

Die Kohlekommission empfiehlt der Bundesregierung, die Konzerne für die Abschaltung ihrer Kraftwerke zu entschädigen. Bis Juni 2020 soll darüber eine Einigung erzielt werden, andernfalls müsse der Bund die Abschaltung ordnungsrechtlich verfügen. Auch dann sollen „Entschädigungszahlungen im Rahmen der rechtlichen Erfordernisse“ fließen, heißt es im Abschlussbericht der Kommission.

Die Stromkonzerne werden also in diesem Jahr mit der Bundesregierung über den Preis des Ausstiegs verhandeln. Die von der Kommission genannte Orientierung an bisherigen Entschädigungen für Kraftwerke, die in die Reserve gegangen sind, bedeutet rund 600 Millionen Euro je Gigawatt (GW) Kraftwerksleistung, was etwa einem Großkraftwerk entspricht. Je später ein Kraftwerk vom Netz geht, desto geringer soll die Entschädigung ausfallen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Betreiber deutlich mehr wollen.

RWE soll schon bald Braunkohleblöcke abschalten

RWE: Der Essener Dax-Konzern ist als Tagebaubetreiber im Rheinischen Revier das mit Abstand am stärksten betroffene Unternehmen in NRW. Rund 9000 Beschäftigte sind in den Tagebauen und den Braunkohlekraftwerken betroffen. Bereits bis 2022 sollen bundesweit fünf Gigawatt Braunkohlestrom zusätzlich vom Netz gehen, drei davon durch Abschaltung alter RWE-Blöcke in NRW. Bis 2030 dürften von den noch rund zehn Gigawatt Braunkohle-Kapazität von RWE nur noch drei GW übrig bleiben. RWE-Power-Chef Frank Weigand rechnet daher bereits in den kommenden drei Jahren mit einem „signifikanten Stellenabbau“ in Kraftwerken und Tagebauen, wie er der WAZ sagte. Mit normaler Fluktuation sei dieser Stellenabbau nicht zu bewältigen. Die Mitarbeiter dürften „nicht die Leidtragenden politischer Beschlüsse werden“, sagte er, „dafür werden wir uns zusammen mit den Gewerkschaften einsetzen.“

Die Kommission fordert, in den Revieren ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen und sieht auch dafür den Staat in der Pflicht, zu helfen. Letztlich soll ein sozialverträglicher Stellenabbau aber zwischen Konzernen und Gewerkschaften in Tarifverträgen geregelt werden. RWE hat stets betont, auf Kündigungen verzichten zu wollen, allerdings müsse man dazu wirtschaftlich auch in der Lage sein. An diesem Punkt wird es in den Detailverhandlungen mit der Bundesregierung also ebenfalls um viel Geld gehen.

Uniper soll Datteln 4 gar nicht erst ans Netz bringen

Uniper: Die frühere Eon-Tochter ist mit ihren großen Steinkohlekraftwerken ebenfalls stark vom Ausstieg betroffen. Und zwar nicht nur durch Abschaltung bestehender Blöcke, sondern vor allem auch durch die Empfehlung der Kommission, keine neuen Kohlekraftwerke mehr in Betrieb zu nehmen. Das träfe auch das umstrittene Großkraftwerk Datteln 4, das nach einer Serie von Protesten und Pannen 2020 mit neunjähriger Verspätung ans Netz gehen sollte. Uniper kann auch für Datteln 4 eine Entschädigung erwarten. Die im Raum stehenden gut 600 Millionen Euro für das 1,1 Gigawatt-Steinkohlekraftwerk würden freilich nur etwa die Hälfte der Baukosten decken und Datteln 4 endgültig zum Investitionsgrab machen.

Entsprechend offensiv reagierte Uniper-Kraftwerkevorstand Eckhardt Rümmler auf die Kommissions-Empfehlung: „Jeden Tag arbeiten viele hundert Kollegen mit hohem Engagement an der Inbetriebnahme und das Projekt schreitet gut voran. Das Kraftwerk ist für unsere Unternehmens-Planung von zentraler Bedeutung.“ Klimapolitisch sei es nicht sinnvoll, „das modernste Kraftwerk nicht ans Netz zu bringen und dafür alte und deutlich stärker CO2-ausstoßende Kraftwerke weiter zu betreiben.“ Sollte die Regierung die Inbetriebnahme dennoch verhindern wollen, bedürfe es „angesichts der gewaltigen Investitionen und vertraglichen Verpflichtungen aus diesem Projekt substanzieller Gespräche, auch mit unseren Kunden dieses Kraftwerkes“.

Damit meint Uniper vor allem die Deutsche Bahn, die sich verpflichtet hat, 400 der 1100 Megawatt für ihre Züge zu nutzen. Allerdings will die Bahn seit Jahren raus aus diesem Vertrag, den vereinbarten hohen Strompreis nicht mehr bezahlen und ohnedies auf Ökostrom umsteigen. Dass ausgerechnet Bahn-Vorstand Ronald Pofalla als einer der vier Vorsitzenden die Arbeit der Kommission entscheidend prägte, halten Beobachter in diesem Zusammenhang für heikel. Sollte die Bahn durch den nun vereinbarten Kohleausstieg aus dem Vertrag mit Uniper herauskommen, könnte sie viel Geld sparen. Pofalla hätte den Kompromiss dann auch im Interesse seines Arbeitgebers, also nicht unabhängig befördert.

Die Steag fordert deutlich höhere Kompensationen

Steag: Der Essener Stromkonzern betreibt in Deutschland einige Steinkohlekraftwerke im Saarland und im Ruhrgebiet, etwa in Duisburg, Herne und Bergkamen, deren noch aktive Blöcke fast alle in den 80er-Jahren ans Netz gegangen sind. Die Städte Dortmund, Duisburg, Dinslaken, Oberhausen, Essen und Bochum, deren Stadtwerke die Steag besitzen, sorgen sich um die Zukunftsfähigkeit ihres Stromerzeugers. Die Energiewende hat die Steag bereits hart getroffen und viele Kraftwerke in die roten Zahlen getrieben. Einige hat die Steag deshalb bereits stillgelegt, die verbleibenden sollen nun auch bis spätestens 2038 vom Netz gehen.

Der Steag-Aufsichtsratschef und Vorstandschef der Dortmunder Stadtwerke DSW 21, Guntram Pehlke
Der Steag-Aufsichtsratschef und Vorstandschef der Dortmunder Stadtwerke DSW 21, Guntram Pehlke © Volker Hartmann

„Wir haben die unwirtschaftlichen Kohleblöcke bereits abgeschaltet“, betont Guntram Pehlke, Chef der Dortmunder Stadtwerke und des Steag-Aufsichtsrats. „Das bedeutet, dass die Entschädigungszahlungen angemessen hoch sein müssen, wenn wir nun auch wirtschaftliche Kohlekraftwerke schließen sollen“, sagte er der WAZ. Die von der Kommission als Orientierung genannten 600 Millionen Euro je Gigawatt seien jedenfalls „deutlich zu wenig“, sagte Pehlke, „so wird man an dem Punkt nicht weiterkommen“.

Es könnte noch härter für die Steag kommen, wenn die Regierung auf den Vorschlag der Kommission eingeht, die Entschädigungen für weniger rentable Steinkohleblöcke per Ausschreibung nach unten zu drücken. Dann würden jene Unternehmen für die ausgeschriebene Stilllegung von Steinkohle-Kapazitäten den Zuschlag erhalten, welche die geringste Entschädigung fordern.