Deutschland wagt einen Neustart seiner Energiewende - und will immer weniger Kohle verfeuern. Das ist teuer und nicht ohne Risiko, aber richtig.

Das Weltklima wird nicht in Deutschland gerettet? Stimmt. Niemandem ist geholfen, wenn die Energiewende die deutsche Industrie aus dem Land treibt? Stimmt auch. Durch den Kohleausstieg dürfen nicht die Lichter ausgehen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint? Dreimal ja. Nur die Schlussfolgerung, dann sollten wir es besser lassen und mit der Klimarettung auf den Rest der Welt warten, wäre grundfalsch.

Deutschland tut gut daran, seiner aus den Fugen geratenen Energiewende einen Neustart zu verpassen, einen ehrgeizigen dazu. Er ist nicht ohne Risiken und wird Nebenwirkungen zeitigen. Aber der nun beschrittene Ausstiegs-Pfad mit klaren Wegmarken und diversen Sicherheitsplanken ist deutlich besser als die bisher so plan-, ziel- und orientierungslose Umsteigerei.

Austieg wird Strompreise erhöhen

Wirtschaftsredakteur Stefan Schulte, Foto: Dana Schmies / FUNKE Foto Services.
Wirtschaftsredakteur Stefan Schulte, Foto: Dana Schmies / FUNKE Foto Services.

Deutschland wagt einen Neustart seiner Energiewende. Das ist teuer und nicht ohne Risiko, aber richtig.

Ob der Kohleausstieg ohne größere Verwerfungen funktioniert, muss fortwährend überprüft werden. Explodiert der Strompreis? Drohen Dunkelflauten? Gibt es einen Kahlschlag im Rheinischen Revier? Jedes Ja auf eine dieser Fragen kann es jederzeit notwendig mache, die Reißleine zu ziehen. Wenn sich aber zeigt, dass die Warnungen im Wesentlichen lobbygetrieben und deshalb übertrieben waren, ist jede nicht verfeuerte Tonne Kohle ein Gewinn – für das Klima, aber auch für den Standort Deutschland.

Die meisten Sorgen lassen sich praktischerweise mit Geld lindern. Die Kohlekommission macht kein Hehl daraus, dass Atom- und Kohleausstieg die Strompreise nach oben treiben wird. Deshalb schlägt sie die Senkung von Steuern und Abgaben vor, um Haushalte und Industrie zu entlasten. Auch um Strukturbrüche in den Braunkohleregionen zu verhindern, werden viele Milliarden fließen.

Stromnetze müssen schneller ausgebaut werden

Ebenso an die Stromkonzerne als Entschädigung für entgangene Gewinne. Am Ende war die entscheidende Frage für eine Einigung, wie viel sich Deutschland den Kohleausstieg kosten lassen würde. Viele Dutzend Milliarden, lautet die Antwort, verteilt auf die kommenden Jahrzehnte, mithin weniger als die jüngsten Rentenreformen. Fragt man die jüngeren Generationen, ist jeder Cent für die Energiewende gut, weil in die Zukunft investiertes Geld.

Ein nach wie vor ungelöstes Problem stellen freilich die Speicherung und der Transport von Ökostrom dar. Dass der Kohleausstieg Harakiri sei, solange Netze und Speicher nicht reichen, war nicht das schlechteste Gegenargument – aber auch nicht sehr konstruktiv. Vielmehr ließ sich hinter den technischen Unzulänglichkeiten prima Versteck spielen, ohne allzu ernsthaft an deren Überwindung mitzutun.

Der Druck, diese Probleme zu lösen, wird durch den Ausstiegspfad nun deutlich erhöht, auch auf die Politik. Deutschland muss seine Stromnetze schneller ausbauen. Und Deutschland muss den Anspruch haben, selbst die besten Speicherlösungen zu entwickeln – und sie dann zu exportieren. Es wäre auch und gerade aus ökonomischer Sicht falsch, auf den Rest der Welt zu warten.