Essen. . Auf verpacktem Fleisch können Verbraucher ab April erkennen, ob das Schwein mit Tageslicht aufgewachsen ist. Fragen und Antworten zum neuen Label.
Verbraucher sollen ab April auf verpacktem Fleisch erkennen können, wie das Tier vor der Schlachtung gehalten wurde. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Tierhaltungs-Logo.
Was bedeuten die vier Stufen der Haltungsform für Tiere?
Stufe 1 entspricht den aktuell geltenden gesetzlichen Anforderungen. Sie entsprechen dem QS-Label, das Verbraucher auf vielen Produkten finden. Stufe 2 bedeutet „Stallhaltung plus“. Hier haben die Tiere zehn Prozent mehr Platz im Stall und Spielzeug zur Verfügung. Stufe 3 steht für „Außenklima“. Die Tiere haben noch mehr Platz zur Verfügung und „Kontakt zu Frischluft“. Stufe 4 trägt das Prädikat „Premium“. Sie steht für ein großes Platzangebot und Auslaufmöglichkeiten für die Tiere. In diese Stufe wird auch Biofleisch eingeordnet.
Was versprechen sich die Handelsketten von der Kennzeichnung?
Aldi Süd und Aldi Nord wollen ihren Kunden nach eigenen Angaben „eine noch transparentere Kaufentscheidung ermöglichen“. Edeka erklärte, man wolle „höhere Standards für Tierwohl und Tiergesundheit“ etablieren.
Wie funktioniert die Initiative Tierwohl bisher?
Die Initiative Tierwohl ist bekannt durch das gleichnamige Label. Es kennzeichnet bisher Fleisch aus Betrieben, in denen die Tiere etwas mehr Platz haben. Für Schweine sind etwa auch Spielzeuge vorgesehen und Stroh statt Betonspalten. Dafür zahlt der Handel 6,25 Cent pro Kilo oder 130 Millionen Euro im Jahr. Geld, mit dem die Mastbetriebe ihre Haltungsbedingungen verbessern sollen. Die jetzige Haltung nach Tierwohl-Standard entspricht künftig der Klasse „2“. Finanziert wird die Initiative vom Handel. Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny, Rewe und Wasgau zahlen 6,25 Cent je Kilogramm Fleisch, pro Jahr kommen so rund 130 Millionen zusammen. Seit der Gründung Anfang 2015 gingen die Abgaben in über 4100 Schweine-und knapp 1900 Geflügel-Betriebe.
Warum machen andere Händler nicht mit?
Die SB-Warenhauskette Real etwa erklärte, sie wolle auf eine bundesweit gültige, gesetzliche Regelung warten. Bundesagarministerin Julia Klöckner (CDU) hat diese für 2020 in Aussicht gestellt. Der Großhändler Metro setzt auf Zertifikate der Hersteller und sieht „in Insellösungen zur Herkunftskennzeichnung von Frischfleisch und der dadurch entstehenden Siegelvielfalt sehen wir keinen Mehrwert für unsere Kunden.
Wie verträgt sich das neue mit dem geplanten staatlichen Label?
Die Handelsketten kommen mit ihrem freiwilligen System dem staatlichen zuvor. Klöckner begrüßte am Freitag die Eigeninitiative, betonte aber, an ihrem Siegel festzuhalten, das strengere Kriterien haben soll. Schon Stufe eins soll über die Mindeststandards hinaus gehen. Genau das kritisiert Greenpeace: Agrarexperte Lasse van Aken lobt das System des Handels gerade dafür, dass es „auch Fleisch kennzeichnet, das aus schlechter Haltung kommt“. Klöckner plane dagegen ein „Nischen-Label“. Sie solle besser „auf dem Siegel des Handels aufsetzen, die Kennzeichnung dann aber auch für die Gastronomie verpflichtend machen“, sagte van Aken dieser Zeitung. Der Handel betonte, sein neues System sei mit dem staatlichen kompatibel.
Wie reagieren mittelständische Fleischer an Rhein und Ruhr auf den Vorstoß der Handelsketten?
„Wir sehen die Haltungskennzeichnung des Handels ganz entspannt“, sagt Addi Wolf, Landesinnungsmeister der Fleischerinnung NRW. Auch in der Masse der großen Ketten sei die Rückverfolgung der Tierherkunft zwar möglich. Sie sei aber nur eine Komponente, die etwas über Qualität. „Auch nach dem Schlachten muss man Fleisch gut behandeln. Es muss reifen, bevor es in die Pfanne kommt“, so Wolf. „Dafür hat der Metzgermeister das beste Auge.“ Die Kennzeichnung für abgepacktes Fleisch sage darüber aber nichts aus.
Was sagen Verbraucherschützer?
Greenpeace lobt die neue Kennzeichnung, fordert aber eine Ausweitung auf die Gastronomie und letztlich alle Fleischprodukte. Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht die neue Transparenz positiv, ist aber skeptisch, ob die auch den Tieren nützt. Viele Verbraucher würden nun zu höheren Klassen greifen im Glauben, damit etwas für das Wohlergehen der Tiere zu tun, sagt Foodwatch-Fleischexperte Matthias Wolfschmidt. Darauf könnten sie sich aber nicht verlassen. Klasse 1 nennt er „den ganz normalen Wahnsinn“ und lehnt sie vor allem wegen der verbreiteten Spaltenböden in der Schweinemast ab. Es gebe aber unabhängig von der Haltungsform überall Betriebe, in denen es den Beständen relativ gut gehe und solche mit vielen kranken Tieren bis hin zu ganzen Herden mit den gleichen „Produktions-Krankheiten“. Der gelernte Veterinär betont, das hänge weder von der Größe des Betriebs ab noch davon, ob es ein Bio- oder konventioneller Betrieb sei. Sondern viel mehr an Faktoren wie Hygiene, Lüftung, Futter und vielem mehr. „Diese Betriebe müssen identifiziert und zum Handeln verpflichtet werden“, sagt er, „die Gesundheit der Tiere muss Grundvoraussetzung sein.“ Nur durch ein neues Label ändere sich daran aber nichts.