Duisburg. . Alle Jahre wieder steigt die Zahl der Zustellungen vor Heiligabend. Die WAZ hat Paketboten Sean Whelan und seine 191 Pakete begleitet.

„Och nö! Es läuft halt nicht immer nach Plan“, bedauert Sean Whelan. Der DHL-Paketbote wartet, dass sich die Tür vor ihm öffnet. Was nicht passiert – zum wiederholten Male. „Dann klingeln wir beim Nachbarn. Der ist aber auch fast nie da.“ Das Prozedere beginnt von vorne, Sean Whelans Vermutung bewahrheitet sich.

Das Leid der vielen Paketboten. Besonders in diesen Tagen vor Weihnachten. 4,6 Millionen Pakete bearbeitet die Post-Tochter DHL laut einer Sprecherin bundesweit normalerweise pro Werktag. An den Tagen vor Heiligabend seien es mehr als elf Millionen täglich.

Vor ihm liegen zehn Stunden Arbeit. Und 191 Pakete.

Das bekommt auch Sean Whelan, seit drei Monaten einer der 20.000 DHL-Paketzusteller, zu spüren. Es ist 8.30 Uhr an diesem Morgen in der dritten Adventswoche. In der typischen roten Jacke mit gelben und schwarzen Streifen betritt der 25-Jährige die Packstation an der Duisburger Kommandantenstraße. Vor ihm liegen rund zehn Stunden Arbeit. Und 191 Pakete. Die packt er in das auffällig gelbe Fahrzeug. Dann geht es los in den Duisburger Süden.

Seit drei Monaten arbeitet Sean Whelan als Paketbote. Obwohl die Arbeit stressig ist, macht sie ihm Spaß.
Seit drei Monaten arbeitet Sean Whelan als Paketbote. Obwohl die Arbeit stressig ist, macht sie ihm Spaß. © Kai Kitschenberg

Damit hat er es besser als viele seiner Kollegen. Er arbeitet im Stadtteil Serm, einer Gegend mit Dorfcharakter. Mit Stau habe er nicht zu sehr zu kämpfen, nur manchmal stehe er mit dem Auto im Weg. Aber: „Der Job ist stressig und anstrengend“, wird Sean Whelan noch häufiger sagen an diesem Tag. „Gerade jetzt, wenn es kalt ist.“ Der brünette junge Mann mit leichtem Bart und schlanker Statur reibt sich die Hände, sie sind trocken von den frostigen Temperaturen. Fast 200 Pakete am Tag findet er viel. Zwar werden die Gebiete durch Neueinstellungen der DHL zu Weihnachten etwas kleiner, trotzdem hat er deutlich mehr zu tun. „Wenn ich Gas gebe, schaffe ich das Pensum“, sagt der Deutsch-Brite und springt aus dem Wagen.

Vorgaben klappen in der Realität nicht immer

Eine feste Paketanzahl pro Tag gebe es für die Boten nicht, betont die DHL-Sprecherin: „Der jeweilige Bezirk ist so geschnitten, dass der Zusteller in seiner Arbeitszeit seine Pakete ausliefern kann.“ In der Realität klappe das nicht immer, erzählt Sean Whelan. Auf seine Mittagspause verzichtet er deshalb. Das kritisiert die Gewerkschaft Verdi ausdrücklich. „Gerade in der Starkverkehrszeit, bei den Paketboten die Vorweihnachtszeit, ist die Belastung hoch. Deshalb ist es wichtig, dass die Beschäftigten Pause machen“, erklärt ein Verdi-Sprecher. Bei DHL weist man dagegen darauf hin, die Angestellten seien dazu angehalten, nach spätestens sechs Stunden 30 Minuten Pause zu machen.

Inzwischen ist es 15 Uhr. Noch immer muss Sean Whelan 105 Pakete verteilen – von 191. Theoretisch standen sogar 245 in der Zentrale, doch die hätten gar nicht alle in das Fahrzeug gepasst. „Ich muss jetzt mal Gas geben“, meint der junge Bote und spurtet auf ein Haus zu. An dem er niemanden antrifft. Ein großes Problem: „Oft fährt man in die Straße rein und nirgends ist jemand da. Als letztens nach sechs Häusern eine ältere Dame geöffnet hatte, knallte sie die Tür schnell wieder zu. Sie wolle nichts für andere annehmen“, beklagt Whelan. Die Konsequenz: Er versucht es am nächsten Tag. Klappt das nicht, kommt die Sendung in einen Paketshop.

John Whelan sieht seine Zukunft bei der DHL

Rund 13 Euro brutto verdient Sean Whelan pro Stunde. „Vorher habe ich in der Gastronomie gearbeitet. Jetzt verdiene ich 400 Euro mehr. Obwohl ich damals Fachkraft war.“ Eine Ausbildung bei der DHL hat er nicht gemacht, er wurde angelernt. Trotzdem sieht er hier seine Zukunft, es gebe gute Aufstiegschancen. Er ist angestellt bei der DHL Delivery GmbH und nicht bei einem Subunternehmen. Im Gegensatz zu Kollegen anderer Paketdiensten liegt sein Verdienst über dem Mindestlohn.

Verdi kritisiert vor allem die DHL-Konkurrenz: „Hermes, DPD und GLS arbeiten auf der letzten Meile ausschließlich mit Subunternehmern.“ Die Gewerkschaft fordert bessere Arbeitsbedingungen: „Die Arbeit mit Subunternehmen ist schlecht für die Bedingungen in der ganzen Branche. Unternehmen, die tariflich bezahlen, werden durch Dumping-Löhne der Konkurrenz unter Druck gesetzt“, meint ein Verdi-Sprecher.

Hermes-Löhne sollen bis 2023 auf über 12 Euro steigen

Der Paketdienst Hermes erklärte auf Anfrage, er bemühe sich, die Zahl der eigenen Zusteller auszubauen. Zudem solle der Lohn steigen: bis 2023 auf über zwölf Euro pro Stunde. Subunternehmen überprüfe Hermes regelmäßig, hielten sie sich nicht an die Regeln, würden sie gekündigt. 2018 sei das bei 13 von 280 der Fall gewesen. DPD und GLS äußerten sich auf Anfrage nicht.

Auch wenn nicht immer alles glatt läuft – Paketbote Sean Whelan ist mit seinem Job zufrieden. Von seinen Kunden wünscht er sich eines: „Dass sie bestellen, wenn sie auch zu Hause sind.“ Das würde vieles erleichtern. Und für einen früheren Feierabend sorgen. Denn wenn er abends Zuhause ist – gegen 18 Uhr oder später – ist er froh, die Beine hochzulegen. Um sich vom stressigen Tag zu erholen. Für den nächsten Tag, der um 8.30 Uhr beginnt. Mit 200 Paketen.

>>> DHL erfasst Überstunden mit technischem System

39 Stunden müssen Mitarbeiter der DHL Delivery GmbH pro Woche arbeiten, bei Angestellten der Deutschen Post AG sind es 38,5. Überstunden erfasst das Unternehmen laut Sprecher durch ein technisches System. Sie werden ausgezahlt oder zu freien Tagen umgewandelt.