Essen. . Vonovia kürzt seine Gebäudesanierung um 40 Prozent. Die Akzeptanz dafür fehle. So wie in einer Essener Siedlung, wo jeder Euro mehr Miete weh tut.
Bärbel und Erwin Steinicke blicken auf ihr Wohnhaus im Essener Stadtteil Katernberg. „Wir möchten das hier nicht verlieren“, sagt das Ehepaar. Und meint damit Wohnung und die gute Nachbarschaft. Hier gebe es noch Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung. Trotzdem sind die beiden nicht sicher, ob sie auch in Zukunft hier wohnen. Die Miete wird bald deutlich höher. Vielleicht zu hoch?
Weil die Mietshäuser in der Siedlung Farrenbroich modernisiert werden. Im Mai hat der größte deutsche Wohnungskonzern Vonovia damit begonnen. Seitdem wurden Fenster, Heizung und Dach erneuert, aktuell laufen die letzten Arbeiten. Noch bezahlen die Steinickes und auch ihr Nachbar Jörg Kuhrau 580 Euro Kaltmiete pro Monat. Sind die Modernisierungsarbeiten fertig, steige diese deutlich: um 140 bis 250 Euro.
„Das ist eine Menge Geld“, beklagt der 51-jährige Kuhrau, der seit 31 Jahren hier lebt. Dabei denkt er auch an seine Nachbarn. „Hier lebt eine Witwe, die im Monat 1000 Euro zur Verfügung hat. Wie soll die auf einmal über 700 Euro Miete bezahlen?“ Einige Anwohner hätten deshalb Konsequenzen gezogen – und gekündigt.
Auch Bärbel (63) und Erwin Steinicke (66) machen sich Sorgen: „Was ist denn, wenn auf einmal jemand von uns stirbt. Dann reicht das Geld von einem alleine nicht mehr aus, um hier zu leben“, meint Bärbel Steinicke. Um eine Mieterhöhung werden das Ehepaar und Nachbar Kuhrau nicht herum kommen. Die Modernisierung ist so gut wie abgeschlossen, alle drei warten auf den Brief mit der Forderung nach mehr Geld.
In noch nicht energetisch sanierten Vonovia-Siedlungen könnte es anders laufen. Am Donnerstag kündigte Konzernchef Rolf Buch an, seinen Fokus nicht mehr auf Modernisierung zu legen, weil das Verständnis der Mieter dafür fehle. Die frei werdende Mittel will er künftig lieber verstärkt für Neubauten in Schweden nutzen. Dort sei die Akzeptanz deutlich größer.
Wohnungsunternehmen beklagen strenge Auflagen
Für Erwin Steinicke kam die Nachricht unerwartet, die er als „Frechheit“ empfindet, weil sie für ihn zu spät kommt. Er ist der Meinung, dass die Modernisierung seines Hauses in so einem großen Maß nicht notwendig gewesen wäre: „Ein bisschen Farbe hätte wahrscheinlich auch gereicht.“
Das sehen Klimaschützer und auch die Bundesregierung beim Thema Gebäudesanierung in der Regel anders. Berlin will den Verbrauch von Heizenergie und damit den Ausstoß des Treibhausgases CO2 deutlich mindern, was zuletzt kaum noch gelungen ist. Wohnungsunternehmen beklagen immer strengere Auflagen vor allem für die Dämmung alter Häuser, was Kosten und letztlich Mieten in die Höhe treibe. „Es ist richtig, dass bei energetischen Sanierungen die Anforderungen beim Dämmschutz überzogen sind. Ein neues Bundesgesetz soll nun dafür sorgen, dass die Vorschriften technologieoffener und flexibler umgesetzt werden können“, sagte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU).
„Man darf die Leute nicht überfordern“
„Es ist wichtig, dass die Wohnungen saniert werden“, sagt auch Petra Leonartz vom Mieternetzwerk Nord, die sich für die Mieter in Katernberg einsetzt. Trotzdem dürfe man die Leute nicht überfordern.
Das betont auch Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des Deutschen Mieterbunds NRW: „Durch große Modernisierungen gehen die Kaltmieten stark nach oben. Das führt Mieter an ihre Belastungsgrenzen.“ Sie hält Modernisierungen aber für notwendig, damit der Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser sinke.
Vonovia-Konkurrent LEG erklärte, er sehe sich nicht zu einem Kurswechsel gezwungen. „Im Sinne unserer Mieter modernisieren wir schon bisher stets mit Augenmaß“, heißt es. Ähnlich äußerte sich das Gelsenkirchener Unternehmen Vivawest: Man orientiere sich bei Modernisierungen an „den Möglichkeiten der Bewohner. „Wir wollen unsere Mieter halten und nicht überfordern.“