Essen/Köln. Die beiden großen deutschen Kaufhaus-Ketten sind ab sofort unter einem Dach. Hoffnung auf bessere Zeiten, Sorgen um Filialen und Arbeitsplätze.
Zehn Jahre nach dem ersten ernsthaften Anlauf ist die Deutsche Warenhaus AG Wirklichkeit geworden: Karstadt und Kaufhof haben ihre Fusion am Freitag laut einer gemeinsamen Mitteilung vollzogen. Es entsteht ein neuer Handelsriese mit europaweit 243 Häusern und rund fünf Milliarden Euro Jahresumsatz.
Was das für die europaweit insgesamt 32.000 Beschäftigten bedeutet, ist noch ungewiss. Neben Stellenabbau befürchten Arbeitnehmervertreter vor allem für die Kaufhof-Beschäftigten auch Gehaltseinbußen. Sie werden derzeit nach dem Flächentarif bezahlt und verdienen deshalb mehr als ihre neuen Kollegen bei Karstadt.
Für Karstadt schließt sich ein Kreis: Thomas Middelhoff, seinerzeit Chef der damaligen Karstadt-Mutter Arcandor, brachte 2008 eine Fusion ins Spiel – nur ein Jahr, bevor Arcandor in die Insolvenz schlitterte. Gedankenspiele dazu gab es bereits im vorigen Jahrhundert, die in den Nullerjahren eskalierende Kaufhaus-Krise ließ eine Fusion aber zusehends als letzte Rettung erscheinen. Nach der Arcandor-Pleite sah Metro-Chef Eckard Cordes seine Tochter Kaufhof am Zug, den schwächelnden Konkurrenten aus Essen zu schlucken. Letztlich gelang Karstadt im zweiten Anlauf die Sanierung, nachdem 2014 der österreichische Investor René Benko das Ruder übernahm. Der von ihm eingesetzte Karstadt-Chef Stephan Fanderl schaffte binnen zwei Jahren die Wende, seit 2016 verdient Karstadt an der Ladentheke wieder Geld, wenn auch noch wenig.
Benko bot schon 2016 für Kaufhof. Metro gab den Kanadiern von HBC den Vorzug, die aber den zuvor rentablen Kaufhof in die roten Zahlen manövriert haben und nun die Mehrheit von 50,1 Prozent an Benkos Signa-Holding abgeben. Zum Gemeinschaftsunternehmen gehören neben den deutschen Kaufhäusern auch die HBC-Filialen von Saks OFF 5TH, Galeria Inno in Belgien und Hudson‘s Bay in den Niederlanden sowie Karstadt Sports.
Stephan Fanderl wird Konzern-Chef
Konzernchef wird Karstadt-Geschäftsführer Stephan Fanderl, über das Kaufhof-Management steht nichts in der Mitteilung. Nach Informationen dieser Zeitung soll Kaufhof-Chef Roland Neuwald noch für eine Übergangszeit Geschäftsführer der Kölner Kette bleiben. Anschließend werde er wie fast die gesamte bisherige Kaufhof-Führung sein Mandat niederlegen, was eine wohl nicht kleine Summe an Abfindungen kosten dürfte.
Einzig Kaufhof-Finanzchef Guido Mager soll bleiben, der Herr der Zahlen wird für den schwierigen Integrationsprozess gebraucht. Im laufenden Geschäftsjahr, heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens, würden bei Kaufhof durch den von Neuwald eingeschlagenen Sparkurs bereits 30 Millionen Euro realisiert. Zudem hätten in den vergangenen drei Monaten, insbesondere im November, die Umsätze bei Kaufhof wieder deutlich zugelegt.
Löhne bei Karstadt deutlich niedriger als bei Kaufhof
Zur Sanierung bei Karstadt tragen seit vielen Jahren die Mitarbeiter bei – sie werden nach einem Haustarif unter Branchenschnitt bezahlt. Zwar hat Karstadt mit Verdi die Rückkehr in den Flächentarif vereinbart, aber erst ab 2021. Bis dahin sind die jährlichen Anhebungen an die Bilanz gekoppelt. Karstadt hat im Geschäftsjahr 2015/16 erstmals wieder einen operativen Gewinn vor Zinsen und Steuern und 2016/17 sogar einen kleinen Nettogewinn erzielt. Damit ist Karstadt auf einem guten Weg, aber selbst noch weit entfernt von nachhaltigen Renditen. Entsprechend niedriger sind nach wie vor die Löhne.
Ob mit Verdi für Kaufhof ein ähnlicher Haustarif oder ein ganz neuer für beide Ketten gemeinsam verhandelt wird, ist noch offen – ebenso der bei Fusionen dieser Größe immer im Raum stehende Personalabbau. Für die Karstadt-Mitarbeiter gilt eine Jobgarantie bis Frühjahr 2021.
Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger verlangt eine sofortige Einbindung: „Zukunftskonzepte sind erfolgreich, wenn sie gemeinsam mit der Belegschaft und ihrer Interessenvertretung entwickelt werden. Für Verdi und die Gesamtbetriebsräte steht die Standort- und Beschäftigungssicherung sowie die Bindung an den Flächentarifvertrag an erster Stelle“, sagte sie.
Chance auf mehr Marktmacht im Einkauf und online
Die Chancen, die sich aus dem Zusammenschluss ergeben, liegen auf der Hand: Vor allem in der Verwaltung können Stellen und damit Kosten gespart werden, die unbeantwortete Frage lautet nur: in Köln oder Essen? Ein gemeinsamer Einkauf erhöht die Marktmacht – und größere Spielräume ergeben sich im Onlinehandel durch eine Zusammenführung der bisherigen Portale. Fanderl ist zudem unlängst mit dem Dienstleister Fiege ins Logistik-Geschäft eingestiegen, was durch die flächendeckende Präsenz mit den vielen Standorten ein neues Geschäftsfeld öffnet.
Wie viele der 178 deutschen Filialen (Kaufhof 96/Karstadt 82) bedroht sind? Beobachter gehen von wenigen Schließungen aus. Erstens hat Fanderl schon bei der Karstadt-Sanierung mit drei Häusern weit weniger geschlossen als zunächst befürchtet. Zweitens laufen die meisten Kaufhof-Mietverträge noch recht lang, vorzeitige Schließungen gelten als zu teuer. Die Hoffnung von Verdi ist zudem, dass die breitere Aufstellung des neuen Warenhaus-Riesen an den Doppelstandorten sich ergänzende Sortimente und Nutzungen wie Logistik in nahe gelegenen Häusern möglich macht.