Gelsenkirchen/Essen. Der Aral-Mutterkonzern BP sieht sich als Opfer krimineller Machenschaften am Raffinerie-Standort Gelsenkirchen. Es geht auch um die Ölpellets.

Es ist ein komplexer Wirtschaftskrimi, der sich rund um die Raffinerie in Gelsenkirchen-Scholven dreht. Der Mineralölriese BP sieht sich als Opfer krimineller Machenschaften – mit Schmiergeldzahlungen, überhöhten Rechnungen, einem Netzwerk aus korrupten Mitarbeitern und betrügerischen Geschäftspartnern. Die Folge ist ein millionenschwerer Schadenersatzprozess, bei dem auch die Rolle von BP im Zusammenhang mit der illegalen Entsorgung von Ölpellets aus der Raffinerie zur Sprache kommen dürfte.

Der britische Mineralölriese, Mutterkonzern von Deutschlands größter Tankstellenkette Aral, erhebt schwere Vorwürfe gegen mehrere Männer, die lange Zeit mit dem Abfall-Management des großen nordrhein-westfälischen Industriestandorts befasst waren. Vor dem Landgericht Essen fordert BP von den früheren Mitarbeitern und Geschäftspartnern 1,9 Millionen Euro. Gleich auf zwei Arten sei die für die Raffinerie zuständige BP-Tochter Ruhr Oel betrogen worden – zum einen, indem höhere Preise durch eine „künstliche Zwischenschaltung“ von Firmen in Rechnung gestellt worden seien; zum anderen hätten die Beklagten Bestechungsgelder von Entsorgungsbetrieben verlangt, letztlich zum Nachteil von BP.

Ruß-Ölgemisch in Tongrube entsorgt

Die Vorgänge rund um die Raffinerie werfen die Frage auf, ob es bei BP über Jahre hinweg einen zu sorglosen Umgang mit zum Teil giftigen Abfällen gab. Wie unlängst bekannt geworden war, sind vor nicht allzu langer Zeit sogenannte Ölpellets – ein mit Schwermetallen belastetes Gemisch – in eine Tongrube zwischen Hünxe und Schermbeck gebracht worden.

Von 30.000 Tonnen aus den Jahren 2010 bis 2013 ist in Dokumenten des NRW-Umweltministeriums die Rede – und von Risiken für das Grundwasser. Eine Entsorgung des Sickerwassers und eine Überwachung des Grundwassers seien „dauerhaft erforderlich“, heißt es in einem Bericht des Ministeriums.

Verhandlungstermin kurz vor Weihnachten

Ursprünglich habe der aktuelle Schadenersatzprozess nicht im Zusammenhang mit der Pellet-Thematik gestanden, erklärte BP auf Anfrage unserer Redaktion. Vielmehr handele es sich um ein von der Tochterfirma Ruhr Oel schon im Jahr 2015 eingeleitetes Verfahren. Nun gebe es allerdings eine neue Entwicklung, indem der beklagte frühere BP-Geschäftspartner die Pellets zum Thema vor Gericht mache. Er fordere Schadensersatz für entgangenen Gewinn. Begründung: Ruhr Oel hatte nach Bekanntwerden des Verdachts von Manipulationen rund um die Pellets den damals bestehenden Liefervertrag fristlos gekündigt.

Ein Strafprozess, in dem es unter anderem um die Schmiergeldzahlungen am BP-Raffineriestandort ging, ist bereits abgeschlossen. Zwei ehemalige BP-Mitarbeiter wurden Unternehmensangaben zufolge wegen Korruption beziehungsweise Bestechlichkeit verurteilt. Auch der frühere Geschäftspartner, der sich um die Vermarktung und Entsorgung der Ölpellets kümmern sollte, ist zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Mit dem aktuellen Schadenersatzverfahren befasst sich nun das Landgericht Essen. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 20. Dezember geplant.

Vier-Augen-Prinzip ausgehebelt

Es zeichnet sich eine harte juristische Auseinandersetzung ab. In Namen seiner Mandanten wirft der Kölner Rechtsanwalt Johannes Dilling dem Unternehmen vor, zu wenig für die Korruptionsprävention getan zu haben. Im Übrigen seien die Preise, die Ruhr Oel für die Entsorgung habe zahlen sollen, mindestens „marktgerecht“ gewesen – und zudem mit der Einkaufsabteilung des Unternehmens ausgehandelt worden.

„Die Täter wollen sich absurderweise dadurch entlasten, dass ihr Opfer nicht genug getan haben soll, um weitere Straftaten zu verhindern, die von ihnen begangen wurden“, hält BP dagegen. Das Unternehmen betont, es habe durchgängig ein Vier-Augen-Prinzip gegeben. Dieses sei aber von den damaligen Mitarbeitern ausgehebelt worden, die an entscheidender Stelle für die Vergabe von Aufträgen gewesen seien. Direkt nach Bekanntwerden der Korruption habe BP das Abfall-Management komplett überprüft und zum Teil neu organisiert. „Die beiden ehemaligen Mitarbeiter“, betont BP, „haben von Anfang an in verbrecherischer Absicht gearbeitet, Vorgesetzte belogen und Akten manipuliert, um sich zu Lasten der Ruhr Oel zu bereichern“.