Essen. . „Willkommen auf der Baustelle“ – eine ungewöhnliche Begrüßung von Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff. Was er nun im Konzern anpacken will.

Ist es Trotz? Ironie? Oder Realismus? Jedenfalls eine recht ungewöhnliche Begrüßung der Gäste zu Beginn der Jahresbilanz eines Dax-Konzerns. „Willkommen auf der Baustelle“, sagt Guido Kerkhoff, der neue Vorstandschef von Thyssenkrupp. Im glasgedeckten Atrium des Essener Konzern-Quartiers präsentiert sich Kerkhoff als eine Mischung aus Architekt, Baustellenleiter und Arbeiter. Auf dem Deckblatt einer Präsentation zum Geschäftsbericht für 2017/18 sind Männer und Frauen mit Arbeitshelmen zu sehen. Dazu die Tagesordnung, ganz oben steht: „Teilung von Thyssenkrupp“. Kerkhoff bezeichnet das Vorhaben als den „zweifelsfrei größten Bauabschnitt“.

Aus einem Unternehmen sollen zwei werden. Ein Thyssenkrupp-Konzern für die Industriebereiche sowie ein weiterer für die Werkstoffgeschäfte. Eine historische Veränderung für den Traditionskonzern, mit dem aller Voraussicht nach auch der Abstieg aus Deutschlands erster Börsenliga Dax verbunden sein dürfte. Über die Spaltung soll die Hauptversammlung im Januar 2020 abstimmen. Die Führungsmannschaften will Thyssenkrupp schon im Frühjahr 2019 präsentieren.

Bilanz dokumentiert Schwächen des Konzerns

Seine erste Jahresbilanz, die Kerkhoff als neuer Thyssenkrupp-Chef vorlegt, dokumentiert schonungslos, warum er von Baustellen spricht, die aufgeräumt gehörten. Bei gestiegenen Schulden und leicht geschrumpftem Eigenkapital ist der operative Gewinn des Konzerns (bereinigtes Ebit) im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 1,55 Milliarden Euro abgesackt.

Dass Kerkhoff noch von einem „soliden“ Geschäftsjahr reden kann, verdankt er ausgerechnet dem Stahl, den der Konzern mit dem indischen Konkurrenten Tata verheiraten und so aus dem Konzern herauslösen will. Mit 687 Millionen Euro steigerte der Stahl seinen Betriebsgewinn um ein Viertel und stützte damit maßgeblich das Konzernergebnis. Dagegen fuhr der Anlagenbau mit der Marine in der Sparte Industrial Solutions einen heftigen Verlust von 255 Millionen Euro ein.

Werben für die Konzernteilung

Auch die langjährige Ertragsperle schwächelt weiter: In der Aufzugssparte sanken Umsatz und Gewinn. Sie rutschte bei der Gewinnmarge auf den vierten und damit den letzten Platz der vier großen Liftbauer ab. Nach Otis (USA) und Kone (Finnland) hat sich nun auch der Schweizer Konkurrent Schindler bei der Rentabilität vor die Essener geschoben, deren Ziel es war, auf Platz zwei vorzurücken. Wohl vor allem deshalb muss Aufzugs-Chef Andreas Schierenbeck gehen. Kerkhoff betonte, Gerüchte über einen heimlich vorbereiteten Börsengang der Aufzugsparte seien schlicht falsch, das habe eine interne Untersuchung klar ergeben.

Kerkhoff wirbt bei Vorlage der durchwachsenen Bilanz erneut für seinen Plan, aus dem Konzern zwei zu machen – Thyssenkrupp Industrials mit Aufzügen, Autoteilen und Anlagenbau sowie Thyssenkrupp Materials mit dem Stahlhandel, dem Stahl als Finanzbeteiligung und der Marine. Dabei könne man stille Reserven vor allem aus der Aufzugsparte in Milliardenhöhe heben. Auch deshalb sei dies die bessere Option als ein Börsengang der Aufzugsparte, bei dem diese Reserven geteilt werden müssten.

Sorgenkinder auf Rendite trimmen

Kerkhoff will seine Sorgenkinder rasch auf Rendite trimmen: Ohne den Stahl peilt er für das laufende Geschäftsjahr einen operativen Gewinn von gut einer Milliarde Euro an – das wären 300 Millionen oder satte 42 Prozent mehr als im abgelaufenen.

Doch zunächst bleibt die Dividende für die Aktionäre rund um die Essener Krupp-Stiftung und Finanzinvestoren wie Cevian und neuerdings auch einen Staatsfonds aus Singapur unverändert mager: Vorstand und Aufsichtsrat schlagen der Hauptversammlung am 1. Februar 2019 in Bochum eine Gewinnausschüttung von 0,15 Euro je Aktie vor.

Kerkhoff verbreitet Hoffnung auf Besserung. „Wenn wir in einem Jahr wieder zusammenkommen, sollten wir eine ganze Reihe von Themen bereits vorangebracht haben“, verspricht er. „Denn auf einer aufgeräumten Baustelle lässt es sich leichter arbeiten.“