Essen. . Regierungskommission will die Konzerne mit Geld dazu bringen, die ersten Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen. Koalition soll Stromsteuer senken.

Der Kohleausstieg nimmt Gestalt an: Bereits in den kommenden drei Jahren sollen sowohl Braunkohle- als auch Steinkohlekraftwerke vom Netz gehen, um das Klima zu schonen. Die Betreiber sollen dafür Entschädigungen erhalten, die Verbraucher durch Steuersenkungen vor explodierenden Strompreisen bewahrt werden. Auf diese Eckpunkte hat sich die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission einem Entwurf zufolge verständigt. Um die Details, insbesondere wie viele Kraftwerke bis wann abgeschaltet werden sollen, wird nach wie vor heftig gerungen. Doch bis 28. November sollen sie geklärt sein – samt Enddatum für die Braunkohle. Die Kommission wolle ihre Arbeit bis dahin abschließen, teilten ihre Vorsitzenden am Freitag nach Ende der Sitzung mit.

In dem Entwurf, der dieser Zeitung vorliegt, empfiehlt die Kommission der Bundesregierung, die bereits bis 2022 geplanten ersten Stilllegungen im Einvernehmen mit der Industrie zu organisieren – und natürlich ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Was es für die Zustimmung von RWE, Uniper, Steag & Co braucht, ist der Kommission bewusst: Geld. Sie schlägt „Entschädigungsleistungen“ für die Kraftwerks-Betreiber vor. Hinzu kommen Regelungen für „eine sozialverträgliche Gestaltung des Ausstiegs“, um nicht nur die Konzerne, sondern auch deren betroffene Mitarbeiter zu schonen.

RWE: Entschädigungen notfalls einklagen

Der von Eon abgespaltene Düsseldorfer Stromerzeuger Uniper ließ wissen, man begrüße das Bemühen um einvernehmliche Lösungen. RWE und der Steinkohleverstromer Steag wollten sich auf Anfrage noch nicht zu den Vorschlägen aus Berlin äußern.

Oliver Krischer, Vize-Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion.
Oliver Krischer, Vize-Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion. © Tim Brakemeier

RWE-Chef Rolf Martin Schmitz hatte zuletzt betont, Entschädigungen notfalls vor Gericht einzuklagen, weil sein Konzern bei einem schnellen Kohle-Ausstieg faktisch enteignet werde. Umweltpolitiker insbesondere aus der Opposition sehen das anders. „Es ist nicht vermittelbar, dass es Entschädigungen für Methusalem-Kraftwerke von RWE gibt. Die sind ans Netz gegangen, als Sepp Herberger noch Bundestrainer war“, sagte Grünen-Energieexperte Oliver Krischer dieser Zeitung. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag komme zum Ergebnis, die Kraftwerke ließen sich auch ohne Entschädigung abschalten.

Verkehr soll auch Beitrag leisten

Deutschland will bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase im Vergleich zu 1990 ausstoßen. Um das zu erreichen und auch das 2020er Ziel von 40 Prozent nicht ganz so klar zu verfehlen wie es derzeit aussieht, schlägt die Kommission vor, mit der Abschaltung klimaschädlicher Kohlekraftwerke möglichst bald zu beginnen. Jene Braunkohleblöcke, die ohnehin bis 2020 abgeschaltet und gegen Entschädigung in die Sicherheitsreserve gehen sollen, werden dabei nicht mitgezählt. Die Kommission fordert hier aber, die Reserve, die in wind- und sonnenarmen Zeiten hochgefahren werden soll, auf Sicht von Kohle auf klimafreundlicheres Gas umzustellen.

Weil durch die Stilllegungen der Kohlekraftwerke der Strompreis in Deutschland nach Überzeugung der Kommission deutlich steigen wird, fordert sie Gegenmaßnahmen. Die stromintensive Industrie soll weiter von großen Teilen der Ökostromumlage befreit werden. Auch alle anderen Unternehmen sollen entlastet werden, etwa durch geringere Netzentgelte. Letztlich sollen alle Stromverbraucher nach Vorstellungen der Kommission von einer Senkung der Stromsteuer profitieren.

Entlastung der Wirtschaft über Steuern

Die Entlastung der Wirtschaft soll nicht wie bisher per Umlage von den übrigen Verbrauchern bezahlt werden, sondern aus dem Bundeshaushalt, also Steuern.

Zum ersten Mal könnten neben der Industrie auch die Sektoren Verkehr und Wohnen herangezogen werden. Sie sollen wie die Industrie künftig Abgaben auf ihre Kohlendioxid-Ausstöße zahlen, lautet ein Vorschlag. In der Regierung ist das freilich höchst umstritten, die gleich lautende Forderung der Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) trifft auf den Widerstand der Union. Dadurch würde schließlich das Wohnen in schlecht isolierten Häusern und das Fahren schwerer Autos verteuert.