Bagdad/Mülheim. . Erleichterung im Mülheimer Siemens-Werk, das 600 der 4500 Arbeitsplätze abbauen muss: Ein Großauftrag aus dem Irak lässt wieder hoffen.

Gerade erst hat Siemens-Chef Joe Kaeser seiner kriselnden Kraftwerkssparte einen Sparkurs verordnet. 6900 Stellen, 2900 davon in Deutschland, will er streichen. Am Sonntag unterzeichnete Kaeser in Bagdad mit der irakischen Regierung eine Absichtserklärung über einen Milliardenauftrag zum Ausbau des dortigen Kraftwerksnetzes. Die rund 4500 Mitarbeiter im Mülheimer Dampfturbinen-Werk atmen auf.

In seinem Angebot, das er als „Meilenstein“ bezeichnet, kündigt Kaeser an, im Irak „eine erschwingliche und zuverlässige Stromversorgung zu erreichen, bei der Korruptionsbekämpfung zu helfen, Schulen und Krankenhäuser zu bauen und Tausende von Arbeitsplätzen zu schaffen“. Er freue sich darauf, „sofort spürbare Verbesserungen für das irakische Volk zu bewirken“, so der Siemens-Chef.

Ausbau soll vier Jahre dauern

Innerhalb von vier Jahren will der deutsche Konzern zusätzlich elf Gigawatt Energieerzeugung im Irak installieren und damit die Kapazität nahezu verdoppeln, um die rund 23 Millionen Einwohner zuverlässiger als bisher rund um die Uhr mit Strom zu versorgen. Zum Vergleich: Vor wenigen Monaten hatte Siemens in Ägypten den Bau von drei neuen Kraftwerken mit einer Kapazität von 14,4 Gigawatt abgeschlossen. Der Großauftrag hatte ein Volumen von acht Milliarden Euro. Die Bestellungen aus dem Irak, so wird spekuliert, könnten einen Wert von bis zu 13 Milliarden Euro haben.

Die zwölf Dampfturbinen im Ägypten-Auftrag wurden allesamt im Mülheimer Werk entwickelt und gebaut. Wie groß der Neubau-Anteil im Irak ausfallen soll, ist noch offen. Wie es heißt, sollen auch bestehende Kraftwerke erweitert und modernisiert werden. Dabei könnte die Service-Abteilung in Mülheim zum Zuge kommen. Der Betriebsratsvorsitzende Pietro Bazzoli begrüßt deshalb die Absichtserklärung mit Irak. „Es gibt die Aufträge in der Welt. Wenn Siemens angreift, anstatt nur zu jammern, kann man gewinnen“, sagte der IG-Metaller dieser Zeitung. „Der Auftrag aus dem Irak ist sehr wichtig für die Mülheimer Belegschaft. Sie bekommt endlich wieder eine positive Botschaft. Das ist genau das richtige Zeichen.“

Betriebsrat: „Kaeser kann auch anders“

Der Gewerkschafter geht jedoch nicht davon aus, dass Siemens nun weniger als die 600 Stellen am Mülheimer Standort abbauen wolle. Der Sozialplan steht seit Ende September. „Der Auftrag gibt uns aber die Luft, die Transformation der Kraftwerkssparte hin zu nachhaltigen Lösungen zu gestalten“, sagte Bazzoli. „Herr Kaeser hat uns immer das Gefühl vermittelt, wir seien eine tote Sparte und die ungeliebten Kinder im Konzern. Kaeser kann auch anders. Davon brauchen wir mehr.“

Den Großauftrag wird sich Siemens möglicherweise mit dem Erzrivalen General Electric (GE) teilen müssen. Der US-Konzern meldete am Sonntag, eine Reihe von „Grundsätzen der Zusammenarbeit“ mit dem Irak unterzeichnet zu haben, um „die Vision der Regierung für den Ausbau des Energiesektors“ zu unterstützen. US-Präsident Donald Trump hatte sich persönlich für GE eingesetzt und dem irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi im Gegenzug Waffenlieferungen in Aussicht gestellt.

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Obwohl der Irak eines der ölreichsten Länder der Welt ist, leidet die Bevölkerung unter der schlechten Versorgung mit Elektrizität. Vor allem, wenn die Iraker in den heißen Sommermonaten mit Temperaturen von bis zu 50 Grad allerorten Klimaanlagen einschalten, fällt ständig der Strom aus.