Essen. . Die Commerzbank verlässt Montag den Dax 30. Für Kunden sei das nicht entscheidend, sagt Vorstand Michael Mandel. Schlimmer sei die Regulierung.
Nach 30 Jahren im Oberhaus der deutschen Börse fliegt die Commerzbank heute aus dem Dax. Über den Abstieg, Fusionsgerüchte und die Lehren aus der Finanzkrise spricht äußert sich Privatkunden-Vorstand Michael Mandel im Gespräch mit Frank Meßing.
Herr Mandel, was führt Sie in diesen bewegten Zeiten für die Commerzbank nach Essen?
Michael Mandel: Zweimal im Monat verbringe ich den Tag in unseren Filialen, rede mit Mitarbeitern und nehme an Kundengesprächen teil. Ich will nicht nur in Frankfurt in meinem Büro sitzen, sondern vor Ort erleben, was dort Sache ist. Mein Eindruck ist, dass die Kollegen hier im Ruhrgebiet genau wissen, was zu tun ist.
Am Montag steigt die Commerzbank aus dem Dax ab. Schmerzt Sie und Ihre Mitarbeiter diese Entscheidung der Deutschen Börse?
Natürlich ärgern wir uns. Die Commerzbank gehört immerhin zu den Gründungsunternehmen des Dax. Wir sollten aber auch die Kirche im Dorf lassen. Als Bank machen wir Kundengeschäft. Und für die meisten unserer Kunden ist nicht entscheidend, ob wir im Dax sind. Sie wollen, dass wir unseren Job machen. Erfüllen wir diese Erwartungen nicht, hilft uns der Dax auch nicht.
Die Commerzbank-Aktie hat seit Jahresanfang ein Drittel an Wert verloren. Haben die Märkte kein Vertrauen mehr in Ihr Haus, obwohl Sie bereits 7300 Stellen abbauen?
Unsere Aufgabe ist es, den Wert der Commerzbank zu steigern und mehr Geschäft zu machen. Dazu treiben wir die Digitalisierung massiv voran. Wir sehen, dass der Kapitalmarkt Unternehmen, die erheblich in die Digitalisierung investieren, höher bewertet als jene, die sich kaum bewegen. Auf die weltpolitischen Entwicklungen dagegen haben wir keinen Einfluss. Das gilt auch für die Negativzinsen, die die Commerzbank bei der Europäischen Zentralbank zahlen muss, wenn sie dort Geld parkt.
Die Deutsche Bank ist aus dem Euro Stoxx 50 geflogen. Warum spielen die beiden größten deutschen Banken international eine so kleine Rolle?
Ich kann nur für das Privat- und Unternehmerkundengeschäft der Commerzbank sprechen. Auf dem deutschen Markt herrscht hier ein starker Wettbewerb unter den Privatbanken, Sparkassen und Volksbanken. Das führt zu einem hohen Margendruck. Das ist gut für die Kunden und schlecht für die Profitabilität der Banken. Unsere Antwort darauf lautet Wachstum. Wir wollen mit mehr Kunden mehr Geschäft machen. Und im Firmenkundengeschäft finanziert die Commerzbank ein Drittel des Außenhandels deutscher Unternehmen. Schon deshalb spielen wir für diese Kunden auch international eine wichtige Rolle.
WAZ: Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann heizt Spekulationen über eine Fusion von Deutscher und Commerzbank an. Steht Deutschland vor einer Elefantenhochzeit?
Die Spekulationen sind nicht neu. Und Spekulationen kommentiere ich nicht.
Bleiben Sie trotz des Kostendrucks bei Ihrer Strategie, am Netz von mehr als 1000 Filialen in Deutschland festzuhalten?
Mit dem Netz von 1000 Filialen fühlen wir uns ganz wohl. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zukunft der Commerzbank in der persönlichen Ansprache und den richtigen digitalen Angeboten liegt. Täglich kommen rund 450.000 Menschen in unsere Filialen. Gleichzeitig haben wir pro Tag 1,5 Million Online und Mobile-Kontakte. Die durch Filialschließungen direkt beeinflussbaren Kosten machen dagegen nur sieben bis acht Prozent aus. Der Einspareffekt durch Schließungen wäre also nur gering. Und ohne Filialen schaffen wir unser Wachstum nicht. Im Herbst 2016 hatten wir uns als Ziel gesetzt, bis 2020 netto zwei Millionen neue Privat- und Unternehmerkunden zu gewinnen. Kaum jemand hat uns das damals zugetraut. Wir kämpfen hart dafür, dass wir bis Ende diesen Jahres die erste Million erreichen werden.
Die Erträge aus dem Neukundengeschäft sind aber überschaubar.
Das kann man durchaus kritisieren. Unser Geschäft entwickelt sich langsam, ist langfristig aber stabil. Es dauert eben seine Zeit. Entgegen dem Trend in der Branche erwirtschaftete die Commerzbank im Segment mit Privat- und Unternehmerkunden im ersten Halbjahr rund 160 Mio. Euro mehr Ertrag als im Vorjahreszeitraum.
Geldinstitute begründen steigende Bankgebühren zum Teil mit der wachsenden Regulierung. Werden Dienstleistungen auch für Commerzbank-Kunden teurer?
Wir sind eine regulierte Industrie und das ist auch richtig so. Aber nicht alles ist gut, nur weil Regulierung drauf steht. Wir schätzen, dass allein das Wertpapier-Regelwerk MiFID II, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, in Europa Kosten von rund 25 bis 30 Milliarden Euro verursacht hat. Der Dokumentationsaufwand ist für uns teuer und unangenehm für die Kunden. Gerade für Kleinanleger stehen die Anforderungen in keinem Verhältnis zur Anlage. MiFID II führt dazu, dass Anleger oft ganz auf das Wertpapiergeschäft verzichten. Und das in einer Zeit, in der es auf dem Sparbuch keine Zinsen mehr gibt. Das ist völlig falsch. Ob wir einen Teil der Kosten an unsere Kunden weitergeben müssen, werden wir sehen. Das kostenlose Girokonto wird es aber weiter geben.
Nach der Lehman-Pleite vor zehn Jahren waren aber neue Finanzmarktregeln nötig.
Regeln sind ja nicht per se falsch. Nach zehn Jahren sollten wir aber eine Bewertung vornehmen. Was hat sich bewährt und was nicht. MiFID II ist jedenfalls für viele Anleger eine Katastrophe. Unabhängig davon, ob sie über langjährige Erfahrung verfügen oder Neukunden sind. Alle werden gleich behandelt. Das ist ein Problem. Die einen sind genervt und die anderen verunsichert.
WAZ: Sie haben das Geschäft mit Ratenkrediten wieder zurück ins Kerngeschäft der Commerzbank geholt. Hat sich der Schritt gelohnt?
Mandel: Wir haben das Neugeschäft mit Ratenkrediten seit der Übernahme zu uns fast verdreifacht. Und wir wollen mehr. Einen Ratenkredit kann man bei uns digital in bis zu zehn Minuten abschließen. Der Markt ist in Deutschland groß. Der Ratenkredit ist wieder ein Kultprodukt geworden.
WAZ: Ein Blick in die Glaskugel: Rechnen Sie mit steigenden Zinsen?
Mandel: Ich habe keine Glaskugel. Wir glauben aber, dass sich so schnell nichts verändern wird. Anleger sollten sich nicht auf rasch steigende Zinsen einstellen.
Fühlen Sie sich mit dem Bund als 15-prozentiger Anteilseigner der Commerzbank wohl?
Mein Wohlempfinden hängt nicht von der Aktionärsstruktur der Bank ab. Ich konzentriere mich ganz auf meinen Job.