Essen. . Als neuer Konzernbetriebsratschef bei Thyssenkrupp kann Dirk Sievers künftig bei wichtigen Entscheidungen mitreden.
Dirk Sievers stammt aus einer Familie, die ähnlich groß ist wie der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp. „Ich bin Nummer 16 von 18 Kindern von einer Mutter und einem Vater“, erzählt der neue Konzernbetriebsratschef unumwunden. Eine Botschaft schwingt dabei mit: Werte, die er aus der Großfamilie kennt, prägen ihn bis heute – auch im Job als Arbeitnehmervertreter eines Konzerns mit weltweit fast 160 000 Beschäftigten. „Man lernt sehr früh, dass es nicht nur ein Ich gibt, sondern ein Wir“, sagt Sievers, „und dass nicht der Lauteste immer Recht hat“. Doch manchmal sei es wichtig, laut zu sein. „Natürlich muss man als Betriebsrat auch mal auf den Tisch hauen, aber es ist auch klar, dass man später gemeinsam durch die Tür gehen muss.“
Sievers, der nun die Nachfolge des langjährigen Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath antritt, übernimmt das Amt mitten in der Führungskrise des traditionsreichen Unternehmens. „Der Konzern ist in schwierigem Fahrwasser“, urteilt Sievers. Auch er mache sich Sorgen, wie Thyssenkrupp „in Summe weiterentwickelt“ werde. „Ich stelle mich auf unruhige Zeiten ein“, sagt er, aber das mache ihn nicht nervös. „Ich kann in aller Regel nachts gut schlafen, daran ändern auch Cevian oder Elliott nichts.“ Die Finanzinvestoren fordern einen massiven Umbau von Thyssenkrupp. Unter dem Druck der einflussreichen Aktionäre sind Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner als Chefs von Vorstand und Aufsichtsrat zurückgetreten.
Als Segerath-Nachfolger hat Sievers künftig eine Schlüsselrolle im Thyssenkrupp-Arbeitnehmerlager, das von der IG Metall geprägt ist. „Es ist wichtig, dass man als Arbeitnehmervertreter auch mal Nein sagt. Da ähneln sich Willi und ich sehr“, sagt Sievers über seinen Vorgänger, fügt aber sogleich hinzu: „Wenn es einen gibt, der es verstanden hat, auf Kompromisse hinzuwirken, ist das Willi.“
Dem Vernehmen nach gibt es derzeit Gespräche, um eine Übereinkunft der Großaktionäre mit der Gewerkschaft zu erreichen. Gemeinsam mit den Vertretern des Ankeraktionärs Krupp-Stiftung hat die IG Metall stets eine Mehrheit im Aufsichtsrat. Entsprechend groß ist der Einfluss der Arbeitnehmervertreter.
„Das Unternehmen braucht eine Perspektive“
„Wir sperren uns nicht gegen vernünftige Veränderungen, aber wir werden keinen Umbau des Konzerns gegen die Interessen der Arbeitnehmer akzeptieren“, betont Sievers. „Das Unternehmen braucht eine Perspektive, die langfristig trägt und Beschäftigung sichert. Mir geht es um eine nachhaltige Weiterentwicklung des Konzerns, nicht um Luftblasen.“ Die Diskussion über eine vermeintliche Zerschlagung helfe nicht weiter, sagt Sievers. In der Firmengeschichte habe es immer wieder Verkäufe, Zukäufe und Umorganisationen gegeben. „Egal, wie die neue Strategie für den Konzern aussieht: Wir werden für die Interessen der Beschäftigten kämpfen.“
Den Arbeitnehmervertretern komme angesichts der Führungskrise eine besondere Verantwortung zu. „Wer nicht einfach sagen kann, wir sind dann mal weg, sind die Beschäftigten“, merkt Sievers an. „Es sind genug Fehler passiert in der Vergangenheit. Es reicht nicht, E-Mails für den direkten Draht zum Vorstandschef freizuschalten, wenn sich nicht wirklich etwas ändert“, kritisiert er in Anspielung auf eine entsprechende Kommunikationsplattform von Hiesinger. „Ich kann dem Management nur raten, auf die Beschäftigten zu hören. Viele Probleme, die nun sichtbar werden, haben wir angesprochen. Dass sich vieles, was wir befürchtet haben, nun bewahrheitet, lässt unsere Sorgen nicht kleiner, sondern größer werden.“
Ein Bochumer mit Krisenerfahrung
Sievers ist ein gebürtiger Bochumer, 47 Jahre alt, verheiratet und hat keine Kinder. 1987 hat er bei den Stahlwerken Bochum mit der Arbeit begonnen, seit 2010 ist er Mitglied des Konzernbetriebsrats. Geplant ist, dass Sievers auch Aufsichtsratsmitglied wird, wenn Segerath im Oktober ausscheidet.
Sein Engagement als Betriebsrat begründet Sievers unter anderem mit Impulsen aus dem Elternhaus. „Meine Eltern haben darauf geachtet, dass ihre Kinder weg von der Straße kommen und keinen Blödsinn machen. Deshalb habe ich mich auch früh ehrenamtlich engagiert, zum Beispiel beim Roten Kreuz.“ Auch für den Konzernbetriebsrat habe er sich jahrelang um den Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen gekümmert.
Sievers, der sein Büro an einem der beiden Bochumer Stahl-Standorte hat, gibt sich krisenerprobt. „Unser Standort an der Castroper Straße sollte schon zigmal geschlossen werden“, erzählt er. „Ich bin jetzt 31 Jahre auf der Hütte – und uns gibt es immer noch.“