An Rhein und Ruhr. . Die Bundesregierung will Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt integrieren. Experten üben aber Kritik an dem vorliegenden Konzept.
Die Konjunktur brummt, die Zahl der Arbeitslosen in NRW sinkt seit Jahren. Ein Problem hat sich aber trotz vieler Maßnahmen und Programme an Rhein und Ruhr wie auch auf Bundesebene verfestigt: die Langzeitarbeitslosigkeit. Die Bundesregierung will jetzt dem nächsten Jahr Milliarden investieren, um das Problem anzugehen. Experten bezweifeln aber, dass das „Teilhabechancengesetz“, besser bekannt als „sozialer Arbeitsmarkt“, in seiner derzeit geplanten Form Erfolg haben kann.
Wie schwierig es werden könnte, zeigen bisherige Maßnahmen: Die Stadt Essen ist eine von fünf Modellkommunen für ein auf zwei Jahre angelegtes Landesprogramm, mit dem langzeitarbeitslose Menschen in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Das Land lässt sich dieses Programm 25 Millionen Euro kosten. Die Idee: Arbeitgeber erhalten einen Lohnzuschuss von 50 Prozent, wenn sie Menschen beschäftigen, die vier Jahre und länger arbeitslos sind.
„Endlich raus aus der Projekteritis“
Im Prinzip begrüßt Sozialdezernent Peter Renzel dieses Programm: „Es ist immer besser Arbeit zu finanzieren als die Couch.“ Aber der Erfolg ist bislang überschaubar. 40 Menschen haben bislang seit Anfang des Jahres über das Landesprojekt Arbeit gefunden. 250 könnten es sein. Arbeitgeber sind offenbar unsicher, ob es möglich ist, Menschen, die so lange arbeitslos sind, in ihr Unternehmen integrieren zu können.
Die Stadt Essen führt als sogenannte Optionskommune ihr Jobcenter selber. Renzel ist skeptisch, ob seine Arbeitsvermittler mit dem geplanten Gesetz mehr Erfolg haben werden. Zwar begrüßt er es, weil „wir endlich aus der Projekteritis in eine gesetzliche Veränderung kommen“.
Aber das „Teilhabechancengesetz“ soll Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt bringen, die noch wesentlich länger als vier Jahre arbeitslos sind – in acht Jahren mindestens sieben Jahre. „Das ist eine verdammt lange Durststrecke“, sagt Renzel im Gespräch mit der NRZ. Er fordert, dass diese Mindestzeit deutlich reduziert wird, zumindest auf vier Jahre.
11.000 Plätze in Nordrhein-Westfalen
Bundesweit sollen 150.000 Menschen von der Gesetzesänderung profitieren können. Zwischen 2019 und 2021 will der Bund dafür vier Milliarden Euro zur Verfügung stellen. In NRW könnten nach Einschätzung des Landesarbeitsministeriums und der Regionaldirektion der Arbeitsagentur 11.000 Plätze geschaffen werden. Über 200.000 Menschen in NRW gelten als langzeitarbeitslos. Vermittelt werden könnten die Langzeitarbeitslosen, da sind sich die Experten einig, vor allem wohl nur in Helfertätigkeiten, etwa in Reinigungsfirmen oder in die Logistik.
Trotzdem: „Das Teilhabechancengesetz ist ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit. Es kann Menschen den Weg aus einer für sie sehr schwierigen Situation weisen und ist deshalb zu begrüßen“, sagt Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gegenüber der NRZ.
„Vollkommen falsche Signale“
Der Anreiz für Arbeitgeber klingt auf den ersten Blick verlockend: Sie sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren Lohnzuschüsse bekommen. 100 Prozent in den ersten beiden Jahren, danach 90, 80 und 70 Prozent. Aber: Nur auf Höhe des Mindestlohns. Nicht zuletzt, weil Laumann sich dafür eingesetzt habe, kritisiert Anja Weber, die Vorsitzende des DGB NRW.
„Das setzt vollkommen falsche Signale, da so tarifgebundene Unternehmen benachteiligt und Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor ausgebaut werden“, betont Weber. Wenn der soziale Arbeitsmarkt „Arbeit statt Arbeitslosigkeit“ finanzieren solle, müsse er „unbefristete, sozialversicherte und tariflich bezahlte Arbeitsplätze schaffen“. Dafür solle sich Laumann einsetzen, fordert Weber.
Auch für den NRW-Städtetag und die Arbeitsagentur ist die Zuschusskappung ein enormes Erfolgshindernis für das geplante Gesetz. Wenn nicht der Zuschuss nicht die ortsüblichen Löhne oder Tariflöhne abdecke, könnte die Attraktivität des Projektes leiden, befürchtet eine Sprecherin der Regionaldirektion NRW. „Tarifgebundene Unternehmen, Kommunen und Wohlfahrtsverbände müssten die Lücke zwischen Mindestlohn und Tariflohn aus eigener Tasche zahlen“, kritisiert NRW-Städtetag-Geschäftsführer Helmut Dedy.
Die Stadt Essen wäre dann als potenzieller Arbeitgeber wie viele andere finanzschwache Kommunen ohnehin aus dem Rennen. „Als Stärkungspakt-Kommune dürften wir dann gar nicht einstellen“, sagt Peter Renzel.