Essen. Vor der Ruhrkonferenz fordern Wirtschaftsförderer mehr Geld aus NRW für die Sanierung von Industriebrachen. Das Problem sind Altlasten.
Rasmus C. Beck hat einen Brief an Harley Davidson geschrieben. Darin bietet der Wirtschaftsförderer den Amerikanern an, Motorräder im Ruhrgebiet zu bauen, um Strafzöllen zu entgehen. Eine Antwort hat der Geschäftsführer der Business Metropole Ruhr (BMR) noch nicht erhalten. Unklar ist auch, ob er eine solche Fabrik im Revier überhaupt ansiedeln könnte. Denn die Gewerbeflächen-Knappheit in der Region spitzt sich zu. Der Vorrat reicht noch gerade einmal für fünf Jahre.
Wenige Tage vor dem NRW-Tag in Essen und vor dem Start der Ruhrkonferenz im Herbst richten die Wirtschaftsförderer einen Appell an die Landesregierung: „Das Revier braucht eine Strategie, wie Kommunen vor Ort Flächen erwerben und sanieren und dafür finanzielle Unterstützung erhalten können“, sagt Beck. „Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, ihre Unterstützung beim Recycling ehemaliger Industrieflächen massiv auszubauen. Wir stehen Gewehr bei Fuß, die Planungen zu unterstützen.“
Beck präsentiert frische Zahlen: Danach standen Ende 2017 im Ruhrgebiet knapp 2000 Hektar Gewerbeflächen zur Verfügung. Sofort nutzbar waren aber nur weniger als 1000 Hektar. Denn 52,5 Prozent der Areale sind nach Angaben der BMR „mit zum Teil schwerwiegenden Restriktionen“ belegt. Das sind vor allem Altlasten, fehlende Kanalisation oder Anbindung an das Straßennetz. Besonders wenige Flächen gibt es demnach in Mülheim, Hagen, Herne und Bottrop. In Dortmund und Bochum ist die Lage dagegen deutlich entspannter. Auf dem ehemaligen Stahlwerk-Gelände Phoenix West in Dortmund siedeln sich gerade neue Unternehmen an. Und nach der Schließung des Opel-Werks läuft die Aufbereitung und Vermarktung über die Entwicklungsgesellschaft Bochum Perspektive 2022 auf Hochtouren. Allein das Land NRW stellte dafür 66 Millionen Euro zur Verfügung.
Sanierungsaufwand von mindestens 800 Millionen Euro
„So große Projekte wie die ehemalige Opel-Fläche in Bochum gibt aber an vielen Orten in der Region“, sagt Beck. Bis zum 28. September können sich Kommunen um Mittel aus dem Projekt „Regio.NRW – Wirtschaftsflächen“ bewerben. Für die Ertüchtigung von Brachflächen stehen darin aber nur 32,5 Millionen Euro zur Verfügung – 7,5 Millionen Euro steuert das Land NRW bei, den Rest der Europäische Fonds EFRE. Die Summe genügt aus Sicht der BMR nicht annähernd. Sie geht von einem Sanierungsaufwand von mindestens 800 Millionen Euro aus. „Genauso wie in Bochum brauchen die Kommunen hier mehr Unterstützung von Land und Bund für die Flächenentwicklung. Zumal wir nicht wissen, wie die Förderpolitik der EU nach 2020 aussehen wird“, erklärt Beck.
Die Bekämpfung der Flächennot hält die Business Metropole Ruhr GmbH für existenziell. „Gewerbeflächen sind der Antriebsstoff für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Rund jeder zweite neue Arbeitsplatz wird in Gewerbe- und Industriegebieten geschaffen,“ sagt Geschäftsführer Beck. Zwischen 2012 und 2016 seien im Ruhrgebiet 105 000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstanden – 50 000 davon in Gewerbe- und Industriegebieten.
Flächen-Ausverkauf in fünf Jahren
Vor fünf Jahren, als er sein Amt antrat, habe man noch händeringend nach Investoren für Altflächen im Revier gesucht. Das habe sich inzwischen ins Gegenteil gekehrt. Inzwischen seien sogar Standorte mit Altlasten begehrt. Der Wirtschaftsförderer: „Wir verkaufen mehr als neue Flächen auf den Markt kommen. Wenn wir nichts unternehmen, ist in fünf Jahren nichts mehr da.“
Becks Hoffnung ruht deshalb auf der Ruhrkonferenz, die die Landesregierung im Herbst starten will. Seine Forderung: „Das Thema Gewerbeflächen-Entwicklung muss bei der Ruhrkonferenz eine gewichtige Rolle spielen.“